8 Uhr morgens. Es bimmelt und es blöckt. Die Schafe von Fritz Dürrenmatt, Präsident des Schafvereins Guggisberg, sind schon im Pferch und erfreuen die ersten Marktbesucher. «Hopp, hopp, hopp» schallen wenig später Rufe aus der Richtung Selital ins Dorf. Michel Friedli mit seinen Kindern sowie Hanspeter Flückiger treiben eine Schafherde mitten durch die Marktstände. Sie vervollständigen das Bild der eigentlichen Schafscheid. Das bimmeln wird leiser. Friedlich zupfen die Schafe ab und zu an einen Halm und scheinen die Aufmerksamkeit zu geniessen; einige lassen sich von den Kindern streicheln. Nur selten bellt ein Hund, ein Herdenschutztier. Auch 350 Jahre nach der ersten Schafscheid ist das Thema Wolf allgegenwärtig. Der Räuber hat den Naturpark entdeckt und die Schäfer schützen sich mit den grossgewachsenen, weissen Hunden. Sie gehören im Jahr 2019 zum Bild der Schafe und der Schafscheid. Die Gespräche der Schaffreunde entgleiten beim Kaffee dann auch ab und an weg von den Flurbezeichnungen und Alpwirtschaften in Richtung Wolf und Luchs. «Wir sind hier in einer herrlichen Naturlandschaft, die wir mit den Wildtieren teilen», sagt Michel Friedli.
Teilen müssen die Schafhirten an diesem besonderen Tag aber vor allem das Idyll ihrer Landschaft mit den vielen Gästen. Zu Tausenden strömen die Menschen in den kleinen Weiler Riffenmatt. Ein Stimmengewirr, da ein Jodellied, hier lautes Gelächter, dort die Stimme eines Marktschreiers und neben den reich verzierten Treicheln schüttelt Hansjörg Rüegsegger, der Präsident des Berner Bauernverbandes, öfters Hände und schenkt allen ein offenes Ohr und ein freundliches Wort. Die Jungen versammeln sich um die «Putschiautos», die Älteren verweilen in der Bierschwemme, an der Bar oder im «Burebeizli». «Seit ich Kind bin, nehme ich jedes Jahr an der Schafscheid teil», erzählt Willi Dürrenmatt, der Bruder des Schafzucht-Präsidenten. Seine grauen Haare verraten es: Das müssen schon ein paar Jahre sein. Neben ihm sitzt Anton Pürro. Der Landwirt aus Plaffeien ist in der Freiburger Tracht und gehört zu den vielen, etwas stilleren Gemütern, die gerne den Markt damit verbinden, auch ein paar bekannte Gesichter zu sehen und Zeit für ein «Kaffee Luz» zu haben. Mittendrin sitzt nun auch Willi Dürrenmatt. Dem Präsidenten des bald 100-jährigen Schafzucht-Vereins ist aber nicht allzu lange wohl auf der Festbank. Nachdem ein paar Worte gewechselt sind, kehrt er zurück zu seinen Schafen. Mitten in seiner Herde steht er nun ruhig, ja fast andächtig. Dieses Bild lässt einem das rege Treiben rundherum für einen Moment vergessen. Jetzt ist es da, dieses Gefühl, als wäre doch einiges noch heute so wie vor Hunderten von Jahren. Der Hirte und seine Schafe. Die Schafe kehren heim von der Sömmerung, woraus eine gewichtige und jahrhundertealte Tradition enstanden ist. Man ist versucht zu denken, die Schafe vor Ort wüssten um ihre Ehre. Ihr ruhiges Dasein verströmt ein Gefühl der Harmonie und Zufriedenheit. Dieses Ambiente verströmen die Tiere bis weit über ihren Pferch hinaus. Und vielleicht ist es genau das, was die Schafscheid so legendär macht.


