In den 1940er- und 50er-Jahren existierten unzählige Kleinbetriebe, die nur auf Selbstversorgung ausgerichtet waren. Vieles wurde von Hand gearbeitet. Pferde, Ochsen und Kühe dienten als Zugkräfte. Während des 2. Weltkrieges, als die meisten Männer Militärdienst leisten mussten, oblag den Bäuerinnen noch mehr Arbeit und Verantwortung. Durch die Initiative von Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen erhöhte sich der Selbstversorgungsgrad in der Schweiz von 52% auf 72%. Alle freien Flächen, wie Grünlagen in Städten oder Fussballfelder, nutzte man zum Pflanzen von Kartoffeln, Getreide und Rüben. Diese Zeit erlebte die heute 88-jährige Marie Haymoz-Guerig hautnah. «Meine Eltern führten einen mittleren Betrieb mit ein paar Knechten. Es waren harte Zeiten; auf dem Feld und im Haushalt mussten wir fast alles von Hand erledigen. Ein Passe-Vite (Püriergerät) war wohl das einzige mechanische Gerät, das wir besassen», meint sie schmunzelnd. Schon frühmorgens mussten die Kinder bei der Arbeit mit anpacken, danach die Messe besuchen und dann erst zur Schule. Damals, bei Kriegsende musste man für ein Ei schon sagenhafte 35 Rappen bezahlen; heute kostet es 50 Rappen. Der Bauer erhielt für den Liter Milch 28 Rappen, wobei der Konsument 30 Rappen bezahlen musste. Unvorstellbar im Vergleich zu heute.
«Dein Garten ist der Spiegel deiner Seele»
Marie besuchte die Realschule in der Guglera, wo sie auch französisch lernte, und 1949 die Bäuerinnenschule in Marly. Später absolvierte sie etliche landwirtschaftliche Lehrgänge und erlangte als eine der ersten Frauen im Kanton Freiburg das eidgenössische Diplom als Bäuerin. Trotz der garantierten finanziellen Unterstützung durch das Landwirtschaftsgesetz von 1951, hinkte die Einkommensentwicklung der Teuerung stark hinterher. Die Zahl der Kleinbetriebe und der Beschäftigten nahm stetig ab; der Bauernhof wurde zum Familien – und Einmannbetrieb. Im Laufe der Zeit hielt die Mechanisierung immer mehr Einzug. Traktoren, Mäh-, Ernte- und Melkmaschinen wurden angeschafft und erleichterten die Arbeit immens. Von 1953 bis 1992 führte Marie Haymoz-Guerig mit ihrem Mann einen auf Milchwirtschaft und Ackerbau ausgerichteten Bauernbetrieb von 18 Ha im Schlattli bei Düdingen. In erster Linie war sie Hausfrau und Mutter von fünf Kindern. Ihre Mithilfe war aber auch auf dem Hof und auf den Feldern vonnöten. «Die Zeit konnte ich mir oft selber einteilen. Wichtig für meinen Mann war, dass alles reibungslos funktionierte und dass ich nicht zu viel Geld ausgebe», meint die zehnfache Grossmutter lachend. Trotz der vielen, teils mühevollen Arbeit, fand sie noch Zeit, sich stets weiterzubilden und sich ehrenamtlich zu engagieren. 15 Jahre präsidierte sie den Verband katholischer Landfrauen, war Mitglied in kulturellen, kirchlichen und politischen Organisationen, in der Aufsichtskommission der Landwirtschaftlichen Schule Grangeneuve und des Freiburger Bauernverbandes und Expertin bei Lehrabschluss- und Meisterprüfungen von Bäuerinnen. Glück und Zufriedenheit empfindet sie nach wie vor beim Gärtnern. Ihren Gemüsegarten pflegt sie auch im hohen Alter noch mustergültig und heimst für ihre prachtvollen Blumen rund ums Haus viele Komplimente ein.
«Seit wann ist denn eine Frau
so viel wert?»
Auch Madeleine Overney-Waeber, die in einer Grossfamilie auf einem Bauernhof in der Stockera bei Alterswil aufgewachsen ist, hat ihre Ausbildung zur Bäuerin in Grangeneuve absolviert. 22 Jahre führte die Familie Overney im Sommer die Alpwirtschaft mit Buvette auf der Riggisalp und parallel dazu einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb in Oberschrot (Plaffeien). Die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung blieb in dieser Zeit (1970 bis ca. 1990) Ziel der Landwirtschaftspolitik. Milchkontingente, überdüngte Böden, zu hohe Einsätze von Kraftfutter, Pflanzenschutzmitteln und Antibiotika führten zu Diskussionen. Mit der politischen Neuorientierung in den Folgejahren – Direktzahlungen mit strengen ökologischen Auflagen – wurde der Landwirt endgültig zum selbständigen Unternehmer. Oft war die Familie jedoch auf einen Nebenerwerb angewiesen. «Mein Mann ging im Winter immer auswärts arbeiten. Am
1. Mai fing dann die gemeinsame Arbeit auf der Alp mit Zäunen an. Entgegen der weitverbreiteten Vorstellung von einem idyllisch-nostalgischen Leben auf der Alp waren deren Bewirtschaftung und das Betreiben der Buvette sehr streng. Die Wertschätzung durch die Natur, die Menschen und Tiere hat das alles wettgemacht», erklärt die Mutter von fünf erwachsenen Kindern. Auf dem Alpbetrieb stellte sie eigene Produkte wie Butter, Geisskäse, Milchshakes etc. für den Verkauf her. Legendär waren die 1.-August-Brunches mit bis zu 250 Gästen. Seit ihrer Meisterprüfung 1985 wandelte sich die Landwirtschaft enorm. Die Auflagen wurden immer strenger und der administrative Aufwand immer grösser. 2002 übernahm die Familie die Führung eines Bio-Bauernhofes mit reiner Milchwirtschaft und mit bis zu 70 Tieren in Hergarten (Alterswil). Madeleine Overney war 16 Jahre Vorstandsmitglied im Landfrauenverein Plaffeien und leitete sieben Jahre den Freiburger Bäuerinnen- und Landfrauenverband. «Ich bin immer noch begeistert von meinem Beruf. Stetige Weiterbildung, Durchhaltevermögen, Innovation und eine gute soziale Absicherung sind wichtig», rät sie. «Mein Taggeld beispielsweise war fast gleich hoch wie das meines Mannes. Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass Bäuerinnen früher sozusagen gratis auf dem Hof mitgearbeitet haben.» 2016 haben sie und ihr Mann Rudolf den Hof an Sohn Christoph übergeben und sind nach Oberschrot gezogen. Um das Konfliktpotenzial tief zuhalten, finde sie gut, wenn man sich nach der Hofübergabe auch räumlich distanziere, wie sie überzeugend erklärt.
Bäuerinnen emanzipieren sich
Die Agrarpolitik 2017 und künftige Reformen degradieren Landwirte zu Landschaftspflegern. Der liberalisierte Milchmarkt und neue Handelsabkommen lassen die Preise weiter sinken. Unsere Landwirtschaft arbeitet mit den weltweit strengsten Auflagen und bezahlt die höchsten Löhne und Sozialabgaben. Kleine Landwirtschaftsbetriebe verschwinden nach und nach. Der heutige Durchschnittskonsument gibt gerade mal 6,4% seines Haushaltbudgets für Nahrungsmittel aus. Vor 60 Jahren waren es noch 35%. Sarah Overney-Tännler – eigentlich gelernte Bankerin und die Schwiegertochter von Madeleine Overney – hat sich mit 25 Jahren entschieden, Bäuerin zu werden. Nach der Ausbildung zur Landwirtin erwarb sie den Bachelor in Agrarwissenschaften mit Spezialisierung auf Pferde. «Ich finde spannend, wie sich die gelernte Theorie in der Praxis umsetzen lässt. Trotzdem ist nicht alles lernbar, es braucht Bauchgefühl und Aufmerksamkeit, beispielsweise bei der Wetterentwicklung», schwärmt die dreifache Mutter. Sie sieht die strengen ökologischen Vorschriften und Kontrollen durchaus als positive Veränderung. Massenproduktion ist nicht mehr möglich, dadurch hat aber jeder Betrieb die Möglichkeit, sich von anderen abzuheben und authentisch zu sein. Zusammen mit ihrem Mann führt sie den Hof, einen reinen Milchwirtschaftsbetrieb, in Hergarten. Die Milch liefern sie in die Käserei Heitenried für BIO-Gruyère und BIO-Vacherin. «Ausbildungstechnisch treffen wir uns auf gleicher Augenhöhe, mein Mann nimmt mich als Bäuerin ernst und unsere Zukunftschancen schätze ich als sehr gut ein», sagt die 37-Jährige überzeugt.
Intensives Familienleben
Margot Aegerter-Jenny ist Landwirtin und Betriebsleiterin. Zusammen mit ihrem Mann Adrian, einem gelernten Mechaniker und diplomierten Meisterlandwirt, führt sie dessen elterlichen Hof in Beniwil (Alterswil) seit diesem Jahr weiter. Den bisher auf Ackerbau und Milchwirtschaft ausgerichteten Betrieb haben sie auf Rindvieh-Aufzucht und Poulet-Mast umgestellt. «Wir haben die gleiche Ausbildung, können beide alles und ergänzen uns in Haus und Hof perfekt», erzählt die junge Mutter. «Landwirt ist ein Beruf mit Zukunft. Heute ist man flexibler und kann sich auf verschiedene Zweige spezialisieren.»
Die vier Protagonistinnen stehen stellvertretend für viele Bäuerinnen, die tagtäglich Grossartiges leisten. Im Wandel der Zeit wurde ihre Arbeit in körperlicher Hinsicht sicher um einiges leichter. Weniger wurde sie allerdings nicht; zieht man den anfallenden Papierkrieg in Betracht, hat sie sich einfach verlagert. Bäuerin zu sein ist eine Berufung, eine Lebensform. Die Arbeit war und bleibt äusserst vielfältig und erlaubt eine gewisse Flexibilität und Gestaltungsfreiheit. Man ist sein eigener Chef und in wohl keiner anderen Berufsgattung erlebt man Familienleben so intensiv. Die Freude an der Natur, Zufriedenheit und Glück übertreffen die Sorgen ums Geld, um die Gesundheit der Familienmitglieder und das heutige Konsumverhalten bei Weitem.