Diese Vielfalt fördert doch nur Einfalt

Diese Vielfalt fördert doch nur Einfalt

Die Erkenntnis ist gereift, die Reaktion gescheitert. Mit einer millionenschweren Förderung soll die Medienvielfalt erhalten werden. Nur steht auf dem Absender dieses Medienpakets keine einzige Gratiszeitung. Es gleicht einem Etikettenschwindel.
Eine kleine Kuhherde steht eng versammelt um die Heuraufe. Der Platz ist begrenzt, das Futter rationiert. Einigen Kühen ist der Weg verwehrt. Ihre Milchleistung lässt nach. Der Bauer entscheidet: Es braucht mehr Heu und füllt die Raufe bis an den Rand. Sie ahnen das Resultat: Jene Tiere, die einen Platz am Futter ergattert haben, bedienen sich genüsslich und freuen sich über den Zuschuss. Die anderen bleiben im Regen stehen und müssen zuschauen, wie dieselben einfach noch mehr Futter vertilgen. Vermutlich würde kein Landwirt so entscheiden, um sein Problem zu lösen, sondern ganz einfach das Futter besser verteilen, damit alle satt werden und Milch geben. Die Politik will jedoch die Heuraufe besser füllen und verspricht sich davon mehr Medienvielfalt. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) erkennt das Problem, die Politik versteht es jedoch nicht, dieses zu lösen. Das dafür aber konsequent. Regional heisst oft gratis «Die Bevölkerung informiert sich via lokale Medien über das Geschehen in der Region und in der Schweiz. Die Medien tragen damit auch zur politischen Meinungsbildung und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Trotz dieser grossen Bedeutung sind viele Medien finanziell in eine schwierige Situation geraten», schreibt das UVEK auf seiner Seite. Das Bundesamt für Kommunikation veranschaulicht dies mit 70 Titeln, die seit 2003 verschwunden sind. Wer nun glaubt, man helfe den verbleibenden Zeitungen, um dieser Tendenz entgegenzuwirken, der wird nun staunen. Gratistitel sind von der Förderung gänzlich ausgenommen; also genau jene, die besonders von den Werbeeinnahmen abhängen, dafür aber die Leserschaft nicht zur Kasse bitten. «Unsere direkte Demokratie braucht die Medien. Diese liefern Fakten und schauen den politischen und gesellschaftlichen Akteuren auf die Finger. Wenn es in einer Region keine Zeitung oder kein Radio mehr gibt, fehlen der Bevölkerung wichtige Informationen und diese Kontrolle wird geschwächt. Zeitungen, private Radio- und Fernsehstationen und Online-Medien schaffen zudem eine Verbundenheit mit der Region», heisst es auf der Übersicht des Massnahmenpakets. Der Kanton Bern deckt diesen Bereich fast ausnahmslos mit vielen Gratistiteln ab: «Die Könizer Zeitung | Der Sensetaler», die «Gantrisch Zeitung», der «Berner Landbote«, der «Berner Bär» und viele mehr. Sie gehören aber zu jenen Milchkühen, die zuschauen müssen, wie die anderen mehr Heu bekommen. Denn ihnen gönnt die Politik kein Futter. Zweiklassengesellschaft Was hat Bundesrat und Parlament bewogen, eine solche Zweiklassengesellschaft einzuführen? Wir haben nachgefragt. «Wir wollen keine Gratiszeitungen unterstützen. Denn 30 Gratiszeitungen in der Schweiz gehören dem Milliardär Christoph Blocher. Ihn noch mit zusätzlichen Bundesgeldern zu unterstützen, findet im Parlament keine Mehrheit», verrät Nationalrat Matthias Aebischer (SP). Aha. Was aber ist mit den anderen? Ohne sich in endlose Recherchen zu vergraben, wird man schnell fündig, dass es zirka dreimal so viele gibt, mit einer «Verbundenheit zur Region», wie das BAKOM schreibt. «Wir wollen eine Gleichbehandlung gegenüber den bezahlten Medien, weil wir alle Anforderungen erfüllen und noch mehr. Die Zeitungen des Verbandes für Regionalmedien erreichen über 1,5 Millionen Menschen in der Schweiz und es werden tendenziell immer mehr. Das ist ein gutes Geschäft für Druckereien und Vertriebsorganisationen wie die Post», sagt Präsident Daniel Sigel. Sie sind jedoch – aus politischer Sicht – Medien zweiter Klasse oder gehören, wenn wir uns geistig wieder in den Auslauf der Milchkühe stellen, zu jenen, denen der Weg zur Heuraufe verwehrt ist. Im Originalton des UVEK hört es sich wie ein Etikettenschwindel an, wenn dieses schreibt: «Das Massnahmenpaket sorgt dafür, dass auch in Zukunft alle Landesteile und Sprachregionen von den Medien abgedeckt werden. Die Bevölkerung in der ganzen Schweiz profitiert so von einer vielfältigen Berichterstattung. Mit dem Massnahmenpaket setzen Bundesrat und Parlament auf bewährte Instrumente.» Digital dasselbe Das UVEK hat aber noch eine Erkenntnis zu Tage gefördert. «Immer mehr Menschen lesen ihre Zeitung auf dem Tablet oder dem Mobiltelefon oder informieren sich über Medien, die nur im Internet gelesen werden können. Die Vorlage trägt dieser Entwicklung Rechnung und unterstützt daher auch Online-Medien, die über das Geschehen in der Schweiz berichten.» Vielleicht haben also all die «nicht Blocherschen» Gratistitel der Regionen Glück und können für ihre digitalen Angebote ein paar Stängel Heu zupfen? Ahnen Sie es schon? Die Antwort folgt im Originalton des UVEK: «Die Förderung von Online-Medien ist auf Angebote beschränkt, die Pu­blikumseinnahmen erzielen. Damit werden die Bemühungen verschiedener Medienhäuser unterstützt, auch im Online-Bereich eine Zahlungsbereitschaft des Publikums zu fördern. Auch dort werden nur abonnierte Titel unterstützt.» Die Bemühungen jener, die im Web die Inhalte gratis zur Verfügung stellen, sind also aus politischer Sicht nicht unterstützungswürdig; ganz nach dem Motto: «Was gratis ist, ist nichts wert.» Trostpflaster Weshalb das bei den Gratiszeitungen nicht gilt, belegt deren Erfolg. Während die abonnierten Titel an Leserschaft einbüssen, gelingt es mehreren Gratistiteln ihre Wirtschaftlichkeit zu erhalten. Weshalb ist das so? Die Antwort ist relativ einfach: weil sie regional verankert sind. Sie decken ihr Verteilgebiet maximal ab und sind somit interessant für die Werbepartner. Je besser der regionale Journalismus dann noch Eingang findet, desto beliebter das Blatt. Gratiszeitungen sind Erfolgsmodelle, gerade weil der Leser einfach Zugang zu wichtigen Informationen der jeweiligen Gegend findet. Vielleicht gibt es die vorgefasste Meinung, dass Journalisten bei den Gratismedien qualitativ ganz einfach billig schreiben? Wir wagen die Annahme, dass es sich hierbei um ein Vorurteil handelt, dessen Antithese die Beliebtheit vieler dieser Titel ist. Anders gesagt: Es gibt auch Journalisten aus Gratiszeitungen, die Pressepreise gewonnen haben, oder digital gesehen: Viele Gratis­artikel erhalten «Klick-Zahlen», die sich manch abonnierter Text nur wünschen könnte. Das UVEK hat aber – Achtung Ironie – eine bahnbrechende Nachricht für die heulosen Kühe: «Die Vorlage enthält verschiedene Massnahmen, von denen die Medien allgemein profitieren. Dazu zählt insbesondere die Unterstützung von Nachrichtenagenturen. Diese stellen für die anderen Medien Informationen aus der ganzen Schweiz zusammen.» Mit Verlaub: In aller Regel kennen Regionalredaktionen ihr Gebiet weitaus besser als die grosse Agentur, in aller Regel schaffen die lokalen Medien die vom UVEK so hochgelobte Verbundenheit zu ihren Menschen nicht mit irgendwelchen Agenturmeldungen. Der Unterschied zwischen dem Bauer und den Politikern beim Anblick der Kühe um die Heu- raufe ist ein ganz einfacher. Jene, die schon fressen, gehören einer anderen Rasse an als jene, die so gerne auch ein paar Halme zupfen würden. Der Bauer löst das Problem pragmatisch, verteilt das Futter auf alle und erhält mehr Milch. Der Politiker gibt einfach mehr Heu, verteilt es dafür nicht, verspricht aber, dass es hilft. Eine Vorgaukelung falscher Tatsachen. Der Bundesrat sagt es folgendermassen: «Die Unabhängigkeit der Medien wird gewahrt. Sie ist weiterhin von der Bundesverfassung garantiert. Die Vorlage führt die bewährte Medienpolitik weiter.» Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

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