Prachtvoll, die Aussicht von den gezuckerten Alpen über das Stockhorn bis hin zur Gantrischkette. Dieser Blick bietet sich von Rüeggisberg, das auf einer Sonnenterrasse auf 930 Meter ü. M. liegt. Die weisse Kirche mitten im Dorf und die bekannte cluniazensische Klosterruine ein wenig ausserhalb. Ebenfalls ganz prominent neben der Kirche das grosse, langgezogene Gebäude des Landgasthofes Bären. Die Sonne glitzert und wärmt bereits im Februar, die Idylle scheint perfekt. Jedoch, die beschauliche Klosterruine ist eingerüstet und der Bären lädt nicht mehr zur Einkehr, das Restaurant-Angebot gibt es nicht mehr.
Kein Überleben möglich
«Die Gastronomie hat hier für mich in Rüeggisberg keine Zukunft», fasst Kirsten Schwander ihre Erfahrung zusammen. Seit April 2017 ist sie hier Pächterin. «Leider kamen kaum einheimische Gäste ins Restaurant. So konnte ich mir den Koch und weitere Angestellte nicht mehr leisten.» Grundsätzlich habe sie von der Dorfbevölkerung kaum Unterstützung erhalten. Dies obwohl ihr Ehemann, von dem sie getrennt, aber nicht geschieden ist, aus Rüeggisberg stamme. Mit 20 Jahren hat er dann das Dorf verlassen und sich in Zermatt eine selbständige Existenz aufgebaut. Im Jahr 2009 erwarb er den Bären-Gebäudekomplex von der Verwandtschaft. Diesen Landgasthof bauten seinerzeit noch seine Grosseltern auf.
Kirsten Schwander ist in Düsseldorf aufgewachsen, die Liebe habe sie aber mit 20 Jahren nach Zermatt verschlagen. Bis vor ein paar Jahren lebte sie dort mit ihrem Mann Peter Schwander sowie den 2 gemeinsamen Kindern. Daher verstehe sie mittlerweile jeden Schweizer Dialekt. Sowohl der Sohn als auch die Tochter studieren jetzt in Bern. Die Tochter wohnt bei ihr im Haus, der Sohn wird sich demnächst mit Hilfe seines Vaters eine eigene Wohnung im Saal einbauen.
Inzwischen habe sie mit ihrem Mann ein sehr gutes Verhältnis. Er hilft ihr beim Ausbau und der Sanierung der Fremdenzimmer. So kann Schwander heute 10 Gästezimmer anbieten, davon 5 mit eigener Nasszelle. Deutlich ist in allen Räumen ihre Freude an der Dekoration spürbar. «Vieles fand ich auf dem Estrich, ich bin aber auch Dauergast in den Brockenstuben.»
Das B&B-Angebot sei auf dem aufsteigenden Ast. «Wir sind zwischen Bern, Thun und Freiburg gelegen und haben daher viele Geschäftsleute als Gäste.» Im Winter ist es zwar eher ruhiger, aber im Sommer seien die Zimmer mit Velofahrern, Wanderern und Jakobsweg-Pilgern gut gebucht.
Das ganze Herzblut
Trotzdem könne sie bis jetzt nur knapp überleben, da ein solch grosses Gebäude enorme Fixkosten generiere. Der anhaltende Um- und Ausbau sei praktisch nur durch Eigenleistung möglich. Ans Aufgeben denkt die 55-Jährige jedoch nicht. «Ich liebe dieses Haus und stecke mein ganzes Geld und Herzblut hier rein.» Zurück nach Zermatt möchte sie nicht. Der Ort habe sich massiv verändert und sei eine Art Disneyland geworden. «Ohnehin habe ich hier im Haus so viel zu tun und gar keine Zeit zurückzudenken.»
Grosses Bedauern
Maria Muhr vom Dorfladen gleich neben dem Bären bedauert die Schliessung des Restaurants ausgesprochen. «Es ist einfach nur schade, so höre ich es auch von den Leuten im Dorf», weiss die Ladenbetreiberin. Dabei habe Peter Schwander, mit dem sie einst dieselbe Schulbank drückte, die Gaststube doch so schön renoviert.