Bescheiden, glaubwürdig und natürlich

Bescheiden, glaubwürdig und natürlich

Wer das Glück und das Vergnügen hat, sich mit Bernhard von Tscharner zu unterhalten, kommt zuerst einmal aus dem Staunen nicht heraus. Der Jubilar ist ein Berner Patrizier. Der Zweig seiner Familie besitzt seit dem 16. Jahrhundert das Burgerrecht der Stadt Bern. Ab dem 18. Jahrhundert verfügten die von Tscharner über mehrere Landsitze in der Region.

Der belesene, vielseitig interessierte Mann besitzt ein breites Wissen, ist bescheiden, glaubwürdig, unkompliziert und stets zufrieden und gut gelaunt. So ist es denn auch verständlich, dass das Gespräch mit dem im Liebefeld wohnenden Automobil-Liebhaber nicht im Bellevue, Schweizerhof oder im Palace in Gstaad stattfindet. Bernhard von Tscharner hat für unser Treffen das Café Rustica im Liebefeld ausgewählt, ein gemütliches Beizli, in dem er sich oft und gerne am Stammtisch mit Kollegen und Wirt Bruno Sdun trifft. Hochnäsigkeit und Gutdünkel sind für ihn Fremdwörter. Ob Hilfsarbeiter, Banker oder CEO, von Tscharner findet mit allen sofort den Draht und die passenden Themen und Worte. Ob über das Weltgeschehen, die Stadt Bern, Autos, YB oder den SCB diskutiert wird, der Jubilar ist ein guter Zuhörer, der zu allen Themen seine Meinung kundtut und diese auch vermittelt, ohne sich als Besserwisser aufzuspielen.

«Ich lege grossen Wert auf Harmonie. Da kommt zuerst die Familie, meine beiden Schwestern Monique und Danielle, die Neffen und Nichten. Sehr wichtig sind mir auch Freunde. Sie stehen zu dir, sind da, wenn man sie braucht, beispielsweise, wenn man krank ist. Freunde sind wie Sterne. Man sieht sie nicht immer, aber sie sind immer präsent.» Bernhard von Tscharner ist im Schloss Morillon aufgewachsen, das er und seine Schwestern vor ein paar Jahren verkauft haben, da ihnen das Anwesen zu gross geworden ist. Wie erinnern Sie sich an Ihre Kindheit in einer Adelsfamilie zurück, wollen wir von ihm wissen.

Nicht Schloss, sondern Villa
«Zuerst einmal: Ich bevorzuge, wenn Sie Villa Morillon sagen, für mich ist dies zutreffender als Schloss Morillon. Geboren bin ich an der Chutzenstrasse, denn mein Vater liess in diesen Jahren die Villa umbauen. Die Aussenfassade, die denkmalgeschützt ist, blieb stehen. Ursprünglich waren alle Wohnräume Richtung Stadt ausgerichtet. Er liess während drei Jahren alles originalgetreu um 180 Grad drehen, ohne sonst etwas zu ändern. Der Grundriss ist auch heute, 75 Jahre später, immer noch genau gleich. Ich weiss, dass meine Grosseltern, die im Winter an der Marktgasse wohnten, Morillon als Sommersitz nutzten und jeweils mit Pferd und Kutsche von der Stadt ins Morillon zogen. Ich erinnere mich auch noch gut an meine Zeit als Pfadfinder. Ich war bei den Patria im Stamm Mannenberg bei den Gelb-Schwarzen, im Fähnli Dachs im 10. Trupp.»

Die Jugend in einer Patrizierfamilie
Spannend wird es, wenn Bernhard von Tscharner von uns aufgefordert wird, von seinen Jugendjahren und seiner Schulzeit zu erzählen. «Ich wurde ziemlich streng erzogen. Nach der vierten Klasse schickten mich die Eltern in eine Privatschule, ins Humboldtianum. Dort war ich nicht sehr erfolgreich, weil ich oft die Stunden schwänzte und statt dem Unterricht zu folgen, am nahegelegenen Kiosk Herrn Eicher half, Früchte, Gemüse und Nüsse zu verkaufen. Dies hatte zur Folge, dass mich die Eltern ins Internat Rosenberg nach St. Gallen brachten, wo ich mit drei Amerikanern ein Viererzimmer teilte. Ich sprach noch kein Englisch, es gefiel mir nicht. Ich rief zuhause an, sagte, man solle mich abholen. Mein Vater erwiderte, ich solle etwas Geduld haben, sie kämen dann vorbei. Wunderbar, dachte ich, endlich wieder nach Bern. Doch alles kam anders. Meine Eltern holten mich zwar ab, brachten mich jedoch statt nach Bern ins Lyceum Alpinum in Zuoz. Dort gefiel es mir besser. Wir hatten nur morgens Schule, am Nachmittag stand Sport auf dem Programm. Leichtathletik, Tennis, Schwimmen und Cricket, im Herbst auch Landhockey, im Winter Ski und Langlauf. Ich wurde ein guter Sportler, qualifizierte mich sogar für die Bündner Mittelschulmeisterschaften, weil ich über 80 und 400 Meter gute Zeiten lief. Sport gefiel mir auch später. Ich spielte Curling in Saanenmöser und dann in der Berner Curling-Gesellschaft, deren Präsident ich acht Jahre war. Ich erinnere mich noch gut. Mein Skip Hans Lüscher sagte immer ‹schöne Stei, Bärni›, wenn mir ein guter Stein gelang. Ging er daneben, hiess es ‹Bernhard, lueg uf e Bäse›».

Matura und Militär
Seine Schulzeit in Zuoz schloss Bernhard von Tscharner mit einem Handelsdiplom und einer Handelsmatura ab, danach folgte die Zeit im Militär. «Charles von Graffenried war ein guter Freund unserer Familie und für mich auch eine Art zweiter Vater, ein begeisterter ‹Pänzeler›. So war es logisch, dass ich meine Rekrutenschule in Thun als Panzerrichter bei den Centurion absolvierte. Nach Unteroffiziers- und Offiziersschule, wo ich auch Panzer fahren lernte, wurde ich Hauptmann in der Felddivision 3
im selbstständigen Panzerbataillon 21. Eine Diskushernie mit nachfolgender Operation bedeutete das abrupte Ende meiner Karriere in der Armee.» Nachdem er sich während drei Jahren viel Wissen in einer Immobilien-Firma in Bern angeeignet hatte, trat von Tscharner am 1. November 1977 in die von Graffenried Immobilien ein, wo er sich bis 2019 mit der Betreuung des «family office» beschäftigt hat. Seither hat sein Neffe und Göttibub Roger Oltramare diese Aufgabe übernommen.

Die Liebe für Autos
Von seinem Vater Hans-Karl, einem bekannten Rennfahrer, in der Kategorie Sportwagen zweifacher Schweizermeister und 1952 mit seinem Ferrari Barchetta 212 Export Sieger des nationalen Preises vom Bremgarten in der Kategorie für grossvolumige serienmässige Sportwagen, hat er seine Leidenschaft für Autos geerbt.
«Mein erstes Auto war ein Fiat 850 Coupé, welches ich von meiner älteren Schwester übernehmen durfte. Meine Mutter wollte leider nicht, dass ich Rennen fahre. Aber ich erinnere mich gut, wie mich mein Vater an Autorennen mitnahm. Später besuchten wir gemeinsam Formel-1-Rennen. Monza, Monte Carlo, Hockenheim waren Destinationen, an die wir immer fuhren. Auch bis kurz vor seinem Tod verfolgte mein Vater die Formel 1 am Fernsehen aufmerksam. Er interessierte sich vor allem für die Schweizer, Gian-Claudio ‹Clay› Regazzoni, Jo Siffert und den Rennstall Ferrari.»

Das Siegerauto des Grand Prix von Bern hat Bernhard von Tscharners Vater wegen Aufgabe des Rennsports seinem Freund Emanuel Toulo de Graffenried verkauft, später verbrannte es bei einem Unfall in den USA. Bernhard von Tscharner selbst fuhr als junger Mann diverse Sportwagen, heute mag er es bequem. Wer ihn in Bern und Köniz unterwegs sieht, stellt überrascht fest, dass auch hier seine Bescheidenheit zum Ausdruck kommt: er fährt einen Smart, für weitere Distanzen auch AMGs.

Nie in der Politik
Obwohl die von Tscharners in Bern eine Familie mit grossem Einfluss sind, ist Bernhard von Tscharner nie in die Politik eingestiegen. «Weder mein Grossvater noch mein Vater waren politische Leute. Ihnen war Diskretion wichtig. Auch mich reizte es nie, eine politische Laufbahn einzuschlagen. Allen Leuten Recht getan, ist bekanntlich eine Kunst, die niemand kann.»

Die berühmte Grosstante
Wer sich mit Bernhard von Tscharner unterhält, kommt logischerweise nicht darum herum, einige Anekdoten aus dem Leben seiner berühmten Grosstante, Louise Elisabeth de Meuron-von Tscharner zu erfahren. Welche Erinnerungen verbindet er mit seiner Grosstante? «Da gibt es einiges zu erzählen. Tradition war, dass wir am Ostermontag mit der ganzen Familie auf Schloss Rümligen zum Mittagessen eingeladen waren. Von uns Jungen wollte sie genau wissen, was wir tun. Der älteste Anwesende, das war zuerst mein Onkel und danach mein Vater, musste am Tisch die mit Blumen verzierte Hamme schneiden. Es gab immer, jedes Jahr, das gleiche Menu. Kümmelkuchen, dann Kartoffelsalat mit Hamme und zum Dessert Orangensalat. In Erinnerung geblieben sind mir die bösen Windhunde, zwei Barsois, einmal hat einer auch meine Wade erwischt. Es war wirklich ‹every year the same procedure›. An Weihnachten war sie immer bei uns in der Villa Morillon zu Gast. Für die Kinder gab es ohne Ausnahme stets das gleiche Geschenk. In einem Loeb-Sack befand sich zuunterst, gut versteckt von Tannenzweigen, für mich ein Pestalozzi-Kalender. Sie liebte das Militär, hohe Offiziere, organisierte auf Schloss Rümligen Concours hippiques. Ihr gefielen Uniformen, die Bereitermusik und Stadtpräsidenten, mit diesen Leuten unterhielt sie sich oft und gerne.»

 

Ehemalige Besitztümer der von Tscharner
Brunnadern, das Rothaus in Bolligen, der Blumenhof in Kehrsatz, der von Beat Emanuel (1753–1825) errichtete Sitz Lohn und das Schloss Morillon waren im Besitz der Familie von Tscharner. Heute dient der Lohn als Gästehaus des Bundesrats. Bei den Besuchen ausländischer Staatsoberhäupter finden die Staatsbankette im Lohn statt. Winston Churchill, Fidel Castro oder Konrad Adenauer waren Gäste des Bundesrats im Lohn. Im 19. Jahrhundert kamen das von Beat Ludwig (1801–73) neugotisch renovierte ehemalige Priorat Amsoldingen, das Schloss Rümligen sowie die Landgüter Burier in La Tour-de-Peilz und Morillon in Wabern dazu. In Bern liess Beat Jakob am Münsterplatz das repräsentative Tscharnerhaus errichten, das die spätere Besitzerin Elisabeth de Meuron-von Tscharner dem Kanton Bern schenkte. Heute ist das Tscharnerhaus Sitz der Finanzverwaltung des Kantons Bern.

Persönliches
Bernhard «Bärni» von Tscharner wurde am 4. September 1949 in Bern geboren. Er hat zwei Schwestern, Monique und Danielle. Seine Eltern Hans-Karl und Denyse (geborene von Wattenwyl) sind in den Jahren 2013 und 2016 verstorben. Bis vor kurzem lebte von Tscharner auf dem im 18. Jahrhundert erbauten Familiensitz, der Villa Morillon in der Gemeinde Köniz. Beruflich ist von Tscharner seit 47 Jahren als Immobilienfachmann für die von Graffenried AG tätig. Louise Elisabeth de Meuron – von Tscharner («Madame de Meuron») war seine Grosstante.

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