Bilaterale Freunde

Bilaterale Freunde

Politisch fliegen schon mal die Fetzen; so stark, dass nationale Medien im grossen Stil darüber berichten. David Stampfli (SP) und Philip Kohli (die Mitte) sind aber keine Streithähne, sondern zwei Neo-Könizer, die tierisch gut miteinander auskommen.

Die Begrüssungsfloskeln, der Händedruck, das Lachen und der freundschaftliche Klaps auf die Schulter verraten: Diese zwei Grossräte mögen sich trotz politisch unterschiedlicher Lager mehr als nur im nötigen Rahmen. Stampfli hat zum Mittagessen in den «Dreigänger» der Stiftung Sinnovativ eingeladen; er präsidiert diese soziale Einrichtung. Noch beim Warten auf das Mittagsmenü meint der Sozialdemokrat:  «Wir haben lange zusammen Fussball gespielt.» Kohli ergänzt: «Als damals ‹20 Minuten› unseren politischen Streit breitschlug war das ziemlich witzig, weil wir anschliessend mit Freude gemeinsam ins Fussballtraining gingen.» Aber keine Sorge, die beiden sollten den Teller erst halb leer haben und schon findet sich ein politisches Thema, bei dem die beiden Lust verspüren, sich zu duellieren oder, vielleicht ihren jungen Jahren gehorchend: zu «batteln».

Der Liebe wegen

Eigentlich ist es eine einfache Frage mit einer logischen Antwort. Wieso sind die beiden nach ihrer steilen Karriere vom Berner Stadtrat in den Grossrat und als «urbane Ur-berner» plötzlich in der Gemeinde Köniz zu Hause? Beide haben ihre Liebe in Wabern gefunden, respektive sind der Liebe halber hergezogen. Doch aus diesem Umstand lässt sich politisch Kapital schlagen, was man Grossrat Kohli nicht zweimal sagen muss: «Die rot-grüne Mehrheit in der Stadt Bern hat es verpasst, für den Mittelstand zu sorgen, nur reiche und arme finden in der Stadt Bern eine für sie bezahlbare Wohnung, Familien der Mittelklasse hingegen nicht, daher musste ich hierherziehen.» Doch er eröffnet den Schlagabtausch ausgerechnet mit ursozialen Themen, ein Steilpass für Stampfli: «Wir haben in der Stadt Bern eine Quote von 33 % bei gemeinnützigen Wohnungen oder Neueinzonungen eingeführt. Wir kämpfen gegen immer teurere Wohnungen, doch das ist alleine auf kommunaler Eben – wie du wissen solltest – schwierig.» Kohli schmunzelt, wenn er seinen Kollegen zur Hochform auflaufen sieht. Doch Stampfli kann nun als kantonaler Politiker weniger im Bereich Mieten ausrichten als noch als Stadtrat. Dazu müsste er auf das nationale Parkett wechseln: «Ich will etwas bewirken, klar kandidiere ich für den Na-
tionalrat», sagt er denn auch. Wenn der Historiker etwas macht, dann richtig oder gar nicht. 

Der Polit-Alltag

Deshalb zieht er das Gespräch gleich in Richtung Elternzeit und der damit verbundenen Abstimmung am 18. Juni diesen Jahres. Geschickt, denn Anwalt Kohli hat eine grosse Affinität zur Familienpolitik. Doch statt eines Abstimmungskampfs landen die beiden Wortakrobaten in der Vereinbarkeit von Politik, Familie und Beruf. «Das Milizsystem ist schön, aber zu wenig gut organisiert, weil die Vereinbarkeit von Politik, Beruf und Familie längst nicht mehr gegeben ist. Das grenzt gewisse Menschen von der politischen Partizipation aus», stellt Stampfli fest. «Deshalb sind gewisse Berufe übervertreten», lächelt Kohli. Der bekennende Tausendsassa spielt – zumindst national – auf seinen eigenen Beruf an: Juristen sind in den höheren Politgefilden doch relativ gut vertreten. Zu gut vielleicht? «Die Schulen bereiten die jungen Menschen oft nur ungenügend auf Politik oder etwa eine  Steuererklärung vor. Anders im Jura-Studium, hier wird man mit sämtlichen politischen Komponenten vertraut gemacht, das interessiert viele, deshalb landen viele Juristen in der Politik», begründet er.

Bilaterale Duelle

Die Grossräte setzen weit über das Essen hinaus ihren Streifzug durch gewisse Themen der Stunde fort. Etwa wie viele Parteien im Grossen Rat einer Idee zustimmen müssen, damit diese mehrheitsfährig wird. Antwort: drei, wenngleich Stampfli ein zweites mal vorrechnen muss, bis es Kohli glaubt. Weiter zu den Hochrechnungen, wie schnell die Mitte wächst und auf wessen Kosten. Doch plötzlich landen die beiden Polittalente auf dem kommunalen Könizerboden. Minikanton, einzigartiges Miteinander, die Suche nach einem Wort, das Köniz beschreibt – sogar bei diesen beiden wortgewaltigen Männern erleidet man hier eine Bruchlandung. «Köniz ist einfach unglaublich, unglaublich riesig, unglaublich abwechslungsreich, unglaublich schön.» Wer das gesagt hat? Es ist die erste hundertprozentige Übereinstimmung an diesem Mittagessen. Zwei Stadtberner Grossräte mutieren zu Könizer Fans. Die Gemeinde könnte den beiden YB-Fans glatt ein Trikot kreieren.

Philip Kohli und David Stampfli, zwei Politiker einer jungen Generation mit einem altertümlichen Wert im Herzen: der Bereitschaft, bilaterale Lösungen zu finden. «Die unaufhörliche Suche nach Kompromissen zwischen Arbeit und Kapital», fasst der SP-Politiker zusammen. Seit 1848 gehe es letztendlich immer wieder darum, ergänzt er. «Wir leben das in der Mitte mit bürgerlichen Werten auch, legen aber manches anders aus», stimmt Kohli mit ein. Zurück bleibt an diesem unterhaltsamen Mittagessen nicht nur ein leerer Teller nach einem guten Essen, sondern auch die Einsicht, dass es vielleicht kaum etwas Wertvolleres gibt als das, was diese zwei Männer vorleben: bilaterale Freundschaft.

Teilen Sie diesen Bereich

Beitrag:
«Bilaterale Freunde»

Die meistgelesenen Artikel

Kontakt

Datenupload

Der einfachste Weg uns Ihre Daten zu senden!

Werbeberatung

Schritt 1 von 2