«Jetzt muss man dann aufpassen, dass es plötzlich nicht zuviele Frauen hat.» Solche und ähnliche Sprüche findet Sommaruga müssig. Klar, denn wenn es mehr Männer als Frauen in einem Parlament oder einer Regierung hat, schreit kein Hahn danach. Wieso auch, Hähne sind nicht gerade bekannt dafür, sich gleichgestellt zu benehmen. Von Menschen hingegen, sollte man das erwarten dürfen. «Es ist längst erwiesen, dass gemischte Gremien die besseren Resultate bringen. Man muss sich mit verschiedenen Sichtweisen auseinandersetzen», sagt die Alt-Bundesrätin.
Zu wenig Frauen an der Spitze
Wieso also muss man noch immer darüber reden? Die Statistiken zeigen einen klaren Trend in Richtung Gleichstellung, wie Moderatorin Bernard anhand einiger Zahlenbeispiele erläuterte. Doch der Schein trügt. In den Regierungen hat es national, kantonal und kommunal nach wie vor extrem wenig Frauen. So auch in Köniz. «In der Exekutive ist man stärker exponiert und hat Führungsaufgaben. Frauen sind da auf stetem Glatteis, man prüft und schaut stärker hin», weiss Sommaruga aus eigener Erfahrung nur allzu gut und ergänzt: «Ändern lässt sich das nur, indem mehr Frauen diese Positionen einnehmen und damit zu Identifikationsfiguren werden. Da muss eine Natürlichkeit entstehen.» Géraldine Mercedes Boesch richtet noch einen weiteren Spot auf das Problem der wenigen Frauen in der Exekutive: «Ich wünschte mir, man müsste diese Frage gar nicht mehr stellen. Die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und weiteren sozialen Engagements sollte längst selbstverständlich sein. Klar braucht es hierzu viel Organisation und ein passendes Umfeld, aber eigentlich bräuchte es auch mehr Unterstützung von Gemeinde, Kanton und Bund. Das würde allen helfen; Chancengleichheit ist nämlich auch im Sinne der Männer.»
Mutig trotzen
Sommaruga packt an diesem Oktober-Abend einige Anekdoten aus ihrer Zeit im Bundesrat aus. «Als ich mit den Themen ‹Lohngleichheit› und ‹Frauenquote› im Departement um die Ecke kam, rieten mir viele davon ab, weil das heikle Themen seien. Ich tat es trotzdem», lacht Sommaruga. Hartnäckig dran bleiben heisst die Devise. Sie führte die Gesetze ein, die heute genutzt werden, um in diesen Themen weiterzukommen. «Als Bundespräsidentin empfängt man die Staatsgäste in einem Raum, der als ‹Salon du président› angeschrieben ist. Ich wollte das ändern, weil ich ja eine ‹présidente› war. Das ginge nicht, hiess es daraufhin, und heute steht dort ‹Salon de la présidence›.» Ob im grossen Gesetz oder im kleinen Alltag, mutig den Unwegbarkeiten trotzen müsse man, damit nachfolgende Generationen dies nicht mehr müssen und diese Natürlichkeit oder Selbstverständlichkeit erleben.
Im Sinne der Demokratie
Auch Géraldine Mercedes Boesch nennt ein kleines Beispiel aus dem Könizer Parlament. Als dort für eine Kommission ein Mitglied von einem Parlamentarier als «kompetentes Fraueli» bezeichnet wurde, betitelte sie kurzerhand den Kandidaten als «kompetentes Mandli». «Wir müssen solch Verhalten spiegeln. Mit Worten und Taten.» Die Wirkung blieb nicht verfehlt. Boesch erhielt von der betroffenen Frau für diese Aktion viel Zuspruch. Dieses Wegräumen und Unwegsamkeiten kennen all jene Frauen, die sich politisch exponieren, bestens. «Fraunsolidarität ist überparteilich wichtig», sagt sie. Woher sie den Mut nehme, wollte jemand aus dem Publikum wissen. Eine Antwort gibt es nicht, vielmehr sind es unzählige davon. «Ich habe die kurze Zeit erlebt, in welcher Frauen die Mehrheit im Bundesrat innehatten. Wir haben gute Entscheidungen getroffen», sagt sie süffisant. Mut und Kraft schöpfte Sommaruga aus den Erfolgen. Aber nicht nur. Zutiefst aus dem Inneren kommt die Überzeugung. «Es geht allen besser, wenn sie sich austauschen können. Jede Frau, die gewählt wird, nimmt einem Mann aus dessen Sicht gefühlt den Platz weg, das kann unangenehm sein und jemanden verletzt zurücklassen. Aber gleichzeitig glaube
ich, gleiche Chancen zu haben dient einer ganzen Gesellschaft, und dafür lohnt es sich zu kämpfen.»
Géraldine Mercedes Boesch und Alt-Bundesrätin Simonetta Sommaruga haben an diesem Gleichstellungsanlass der SP Frauen Kanton Bern keine Keulen geschwungen oder Polemik betrieben. Vielmehr haben sie den respektvollen, aber mutigen Weg aufgezeigt, den es zu gehen gilt. Inspirierend für viele. Es war kein Gespräch gegen Männer, sondern für Gleichstellung. Denn wie Sommaruga sagte, sei etwas vom wichtigsten, das sie in ihrer Politkarriere gelernt habe, der respektvolle Umgang mit dem Gegenüber und seiner Sichtweise, denn «der andere könnte recht haben». Wobei an einem solchen Abend dieses Zitat durchaus leicht abgeändert werden kann: «Die andere könnte recht haben.»