Kreise haben eine wichtige Eigenschaft: Sie haben keinen Anfang und kein Ende; sie verbinden selbst gegensätzliche Richtungen. So gegensätzlich wie Regierungsrat Christoph Ammann (SP) und der scheidende Präsident der Berner Bauern Hansjörg Rüegsegger (SVP). Und trotzdem sind sie vereint, treffen sich, suchen Lösungen. Vor dem Abgang des Riggisberger Präsidenten Rüegsegger schliesst sich der Kreis und die beiden präsentieren einen gut gehüteten Plan: Sie wollen Klima, Umwelt und Ernährung verbinden.
Berner Idee, Berner Projekt
«Die Ernährungs- und die Klimabilanz sollen verbessert werden», stellt Regierungsrat Ammann fest. Die Aussage fusst auf dem angenommenen Klimaartikel, den Regierungsrichtlinien, den Prüfaufträgen zum Thema Landwirtschaft und der Ernährung. Das ergibt einen konkreten Auftrag an die Landwirtschaft; und der Berner Bauern Verband bietet Hand. Keine abgehobenen, keine hohlen Phrasen und keine Papiertiger, sondern «Massnahmen mit Ideen aus der Basis, ohne Befehl von oben herab, ohne Verbote, dafür mit Aktionen und Engagement direkt aus den Betrieben», erklärt Rüegsegger. Die Partizipation der Landwirte ist vermutlich schweizweit ein Novum, eine Berner Idee, die zu einem Berner Projekt wird und national Schule machen soll. Konkret, machbar und zwanglos lautet die Losung oder wie Michael Gysi vom LANAT sagt: «Wer wagt gewinnt.» Noch in diesem Jahr soll das Konzept erarbeitet werden. «Das ist eine Chance, um Vorurteile und Stimmungen im Volk zu mindern, man zeigt was man machen will und wirklich tut. Hier wird der Kanton Bern eine Vorreiterrolle einnehmen. Der Bund kann dies aufnehmen, ein Vorzeigeprojekt», fasst der Regierungsrat zusammen.
Gewählt ist…
So gross diese Ankündigung auch sein mag, fast noch etwas grössere Schatten warf die bevorstehende Präsidentenwahl voraus. Über 500 Personen strömten an die Hauptversammlung, um den Wahlkampf mitzuerleben. Nach langem Ausmarchungsszenario stellten sich Jürg Iseli aus Zwieselberg und Ueli Fahrni aus Rumisberg zur Wahl. Wählbar seien sie beide, meinte ein Mitglied. Der Ausgang bot Anlass zu Spekalutaionen, auf die Äste hinaus wollte sich bei Bier, Brot und Bratwurst niemand wagen. Zu Recht, denn das Resultat fiel knapp aus. Es klang wie im nationalen Parlament: «Gewählt ist mit 271 Stimmen Iseli Jürg.» Natürlich nimmt der 59-Jährige ehemalige Grossratspräsident die Wahl an. «Ich trete nicht in kleine Fussstapfen, aber ich garantiere, dass ich alles daran setze, um eure Stimmen zu vertreten.»
Ein Grossser tritt ab
Die angesprochenen grossen Fussstapfen hinterlässt der Riggisberger Hansjörg Rüegsegger. «Wir sind Weggefährten und haben immer gut zusammengearbeitet, ich danke deshalb der ganzen Familie Rüegsegger», sagt Nationalrat und Präsident des Schweizer Bauernverbands Markus Ritter (die Mitte). Eine der letzten Amtshandlungen des scheidenden Präsidenten war, dass er diese Berner Idee mitentwickelt hat. Auch dafür lobt ihn Ritter: «Ernährungspolitik ist die Zukunft; man muss die gesamte Wertschöpfungskette erkennen und nicht nur die Landwirtschaft.» Sein Fleiss, sein Namensgedächtnis, sein Wohlwollen und sein Mut für Entscheidungen haben Rüegsegger zu einem starken Präsidenten gemacht; einem, der die Berner Agrargeschichte mitgestaltet hat. Es ist daher fast eine moralische Pflicht, den Riggisberger in den Stand des Ehrenpräsidenten zu erheben. Für hunderte von Anwesenden eine Art Rüegsegger Danke zu sagen.
«Mier wüsse nume, mier muesse ga», singt das Jodlerchörli «ChriMaFrä». Die melancholische Melodie in angenehmer Harmonie schlägt den Bogen von Brauchtum zu Zukunft sowie einem Hansjörg Rüegsegger, der sichtlich berührt Abschied von elf Jahren als Berner Bauernverbandspräsident nahm. Regierungsrat Ammann sagt es so: «Wann ist ein Verband gesund und stark? Wenn viele an eine Versammlung kommen, wenn man eine starke Auswahl fürs Präsidium hat und wenn man miteinander jutzen kann. Ich bin beeindruckt.»