Die neue Dreifelder-Politik

Die neue Dreifelder-Politik

Wenn sich wenig ändert, ist die Bevölkerung entweder zufrieden oder verdrossen. Mit einer Wahlbeteiligung von etwas mehr als 31% war es in diesem Fall weder das eine noch das andere. Die marginalen Verschiebungen sind viel eher Vorboten einer Entwicklung.

«Das Wahlresultat ist für mich eine riesige Überraschung, dementsprechend gross ist meine Freude darüber», sagt der frischgewählte Grossrat Reto Zbinden (SVP). Er wuchtete sich mit dem siebtbesten Resultat aller Kandidierenden mitten in die Politspitze. Der Könizer Parlamentarier aus Mittelhäusern steht stellvertretend für den Sitzgewinn, den die Volkspartei im Wahlkreis Mittelland Süd geholt hat. Wenngleich sie insgesamt zwei Sitze verliert, bleibt sie die stärkste Partei.

Auf der anderen Seite des Parteienspektrums ist es genau umgekehrt: Die Grünen jubeln und ergattern fünf zusätzliche Sitze, aber den angestrebten dritten Sitz im besagten Wahlkreis verpassen sie. Die GLP hingegen schafft genau das. Sie legen kantonal ebenfalls um fünf Sitze zu, einer davon im Mittelland Süd. Die insgesamt zehn Sitze, welche die beiden Parteien mit «Grün» im Namen zusätzlich holen, gehen vornehmlich auf Kosten der SP. Die Sozialdemokraten büssen sechs Sitze ein. Einen davon im Mittelland Süd. Grüne und GLP nagen an der SP-Stärke. Das war mit ein Grund, weshalb es dem linken Ticket im Regierungsrat nicht gelang, die bürgerliche Mehrheit zu kippen.

Wie wäre die Wahl ausgefallen, wenn statt eines dritten SP-Kandidaten die GLP in diesem Ticket Platz gefunden hätte oder aber die Grünen noch eine Kandidatin hätten stellen können? Vermutlich weitaus spannender. Freude über die Wiederwahl gibt es bei Sarah Gabi Schönenberger (SP) dennoch: «Das politische Arbeiten braucht einen langen Atem und gewisse Nehmerqualitäten. Ich freue mich darauf. Mein Elan und Gestaltungswille sind ungebrochen und bleiben eine Herzensangelegenheit.» Die Schwarzenburgerin deutet darauf hin, dass die SP nun nicht gleich ihren Kurs wechselt, sondern an ihrer Arbeit festhält. Mit einer erstarkten GLP wird die gesamte Mitte stärker. «Es freut mich, auch in den nächsten vier Jahren Brücken zwischen links und rechts bauen zu dürfen und so eine lösungsorientierte Politik zu betreiben», sagt der wiedergewählte Rüschegger André Roggli (die Mitte). Seine Partei hätte sich insgesamt vielleicht ein wenig mehr erhofft, aber mit der Sitzverteidigung im Regierungsrat wird nach Beatrice Simon nun auch Astrid Bärtschi-Mosimann eine tragende Rolle in der Exekutive übernehmen, getreu der von Roggli beschriebenen Brückenbauerfunktion.

Im Mittelalter entstand die Dreifelder-Wirtschaft einst, um die nachhaltige Produktion von Nahrungsmitteln zu gewährleisten. Eine immer grünere Linke, eine immer grünere Mitte und eine nach wie vor mächtige SVP sind die drei erstarkten Felder der neuen Legislatur. Statt mehr Polarisierung stehen die Vorzeichen eher auf Ausgewogenheit. Sie deuten auf drei Standbeine hin, die immer wichtiger werden: die Stabilität, welche die SVP herstellen soll, die Ökologie, welche die Grünen vorantreiben sollen, sowie die Konsenslösungen zwischen Wandel und Stabilität, welche die Mitteparteien erarbeiten sollen. Nun ist es nicht so, dass die SP oder die FDP aus­sen vor sind, dafür sind sie viel zu stark; aber ihre Kernthemen werden insgesamt von der Bevölkerung derzeit etwas weniger stark gewichtet. Die drei Felder sind parteiunabhängige Vorboten, dass die bernische Tradition einer bürgerlichen Regierung und einer starken SP in Zukunft zu überdenken ist. Die Dreifelder-Politik wäre die ausgewogene Version ohne Mehrheiten, dafür mit einem Abbild einer Bevölkerung zwischen Wandel und dem Wunsch nach Stabilität.

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