Wie und weshalb der Bäcker im Prolog von 1971 in seinen eigenen Backofen gelangte, bleibt vorerst unklar. Dass er da nicht mehr rauskam, überraschte hingegen nicht. Denn er erfüllte eine wichtige Voraussetzung für kriminaltechnische Ermittlungen: Er war tot. Dazu karamellisiert und lauwarm. Das ist aussergewöhnlich. Keine Selbstverständlichkeit ist auch, dass das zweite Buch eines Autors mindestens ebenbürtig und genauso fesselnd ist wie der Erstling. Seinen ersten Roman, «Söldner des Geldes», veröffentlichte Peter Beck im Jahr 2013. Er hat sich Zeit gelassen, um eine neue Geschichte mit Tom Winter zu konstruieren. «Es war ein langer, harter Weg», blickt Peter Beck zurück, «bis ‹Korrosion› fertig war. Es waren mehrere Durchläufe nötig, vom ursprünglichen Text strich ich in Zusammenarbeit mit dem Lektorat einen Viertel.»
Wie kommt einer, der Wirtschaft, Philosophie und Psychologie studierte, dazu, Thriller zu schreiben?
«Die Idee geht bis in meine Jugend zurück, als ich Krimis und Thriller richtiggehend verschlang», erinnert sich Peter Beck und er weiss, wer den Ausschlag für seine Lust an spannenden Büchern gab. «Das war Georges Simenon, besser, sein Kommissar Maigret.» Da schliesst sich – mindestens im Ansatz – ein Kreis, denn sein Jugendidol in Sachen Krimis beschäftigte sich in seinen Büchern eher mit der Frage nach dem Motiv des Täters als mit der Frage, wer denn der Täter ist.
Bernisch und international
Die Handlung des aktuellen
Thrillers ist vielschichtig und doch jederzeit überschaubar. Der Bäcker kann aus naheliegenden Gründen nichts mehr sagen. Seine Frau auch nicht. Sie wird erschlagen aufgefunden. Trotzdem spielen sie im Hintergrund eine wichtige Rolle. Genauso wie ihre drei Kinder und ein Flüchtling aus dem Sudan. Eine Pharma-
firma ist involviert und schliesslich geht es um sehr viel Geld. Tom Winter hat also nebst den beiden Mordfällen einiges aufzuklären. Er reist um die halbe Welt, bis sich Figuren und Handlungsfäden zusammenfügen.
Tom Winter ist schweizerisch und weltoffen zugleich. Und oft im Dilemma. Eigentlich ein normaler Typ. Pflichtbewusst, arbeitsam und ausgestattet mit einem sparsamen, selbstironischen Humor. Seine Zweifel gründen in seinem Dilemma, dass er, der ehemalige Einsatzleiter bei der Polizei, nun als Sicherheitschef einer Privatbank tätig ist. Das Streben nach Profit seines Arbeitgebers und seine Intention, das Richtige, das Vertretbare zu tun, passen nicht immer zusammen. «Gute Helden», sagt Peter Beck, «sind sich dieser Zerrissenheit bewusst».
Die Bank hat Kunden auf der ganzen Welt, deshalb kann der Autor seinen Helden überallhin schicken. Von Bern-Bethlehem auf die Azoren beispielsweise. Das passt zum Autor. Denn Peter Beck beschäftigt sich seit eh und je mit dem Menschen, seinem kulturellen Hintergrund und seinen Werten. Auch mit jenen Werten, die in Gefahr sind, verloren zu gehen. Als ehemaliger Leiter der Unternehmensentwicklung in einem Grosskonzern sah sich Peter Beck mit der Tatsache konfrontiert, dass seine Stelle wegrationalisiert wurde. Er nahm sich eine Auszeit zwecks Neuorientierung. Mit dem Ergebnis, dass er gescheite, rasante Thriller schreibt. Und selbstständig ist als Berater von Firmen. Diese unterstützt er in der Gestaltung ihrer Unternehmenskultur. «Kultur», so Peter Beck, «wird oft als diffuse Wolke dargestellt. Tatsächlich ist es etwas sehr Konkretes, das umgesetzt werden kann». Dazu passe der Buchtitel «Korrosion». Weil sich eben auch Werte zersetzen können.
Winter als Held zum Anfassen
Was Tom Winter nicht hat, ist eine Sekretärin, die ihn anhimmelt. Das fehlt ihm nicht. Denn er hat Leonie, seine Mitarbeiterin. Bodenständig, direkt, herausfordernd, mit Traktor-Magazinen zu Hause und immer auf Augenhöhe mit Winter. Manchmal versteht Winter sie nicht. Weil er Mühe hat mit ihrem Walliser Dialekt. Dass Leonie entzückt ist darüber, dass Winter ein Lawinenunglück überlebte, versteht er allerdings schon. Was Tom Winter auch noch hat: ein Bauernhaus, einen Kater und eine schmerzhafte Vergangenheit. Aber niemand weiss, wie er aussieht. Wie denn? «Ich weiss es selber nicht», versichert sein Schöpfer, «ich habe sein Aussehen nie beschrieben. Das wäre die Basis für Vorurteile und Oberflächlichkeit. Die Leser machen sich selbst ein Bild von Winter.»
Tom Winter liest sich gut. Überhaupt, aber auch als Name. Beispielsweise in Englisch. Ein renommierter Verlag in London wird die Reihe mit Tom Winter nächstens in englischer Sprache herausbringen.
Gut möglich, dass es dann bereits drei Bände sind. Denn der neue Roman, verrät Peter Beck, ist schon weit fortgeschritten. «Der nächste Winter kommt bestimmt.»