In den Gemeinden Ueberstorf, St. Antoni und Heitenried ist bereits eine Fläche von 52 Hektaren als Reservat deklariert. Der Förster Roger Raemy bemühte sich in der Folge, mit vielen einzelnen Waldbesitzern zu reden, um das Gebiet zu vergrössern. Das gelang ihm ausserordentlich gut, denn nun darf das Amt für Wald und Natur des Kantons Freiburg verkünden, dass die Fläche auf über einen Quadratkilometer angewachsen ist.
50 Jahre Ruhe
«Das Waldreservat ist eine grosse Fläche fast ohne Lücken», freut sich Adrian Aebischer. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für Biodiversität im Wald und terrestrische Fauna. «Wir brauchen in unseren Wäldern für die Biodiversität mehr Totholz und mehr Bäume, die 200 oder 300 Jahre alt sind», erklärt der Biologe. Entsprechend sind solche Waldreservate als Langzeitprojekte angelegt. Die Waldbesitzer verpflichten sich über eine Dauer von 50 Jahren auf eine Holznutzung zu verzichten. «Wälder brauchen Zeit, deshalb laufen die Verträge so lange», verdeutlicht Aebischer. Die Waldbesitzer leisten mit ihrer Zusage zum Waldreservat einen wertvollen Beitrag. Zwar werden sie dafür entschädigt, reich wird man dabei aber nicht. Pro Hektare erhalten sie 80 Franken im Jahr oder eben insgesamt 4000 Franken für 50 Jahre. Ausbezahlt wird zu Beginn der Vertragsperiode. Das System unterscheidet 3 Formen: das Naturwaldreservat, das Sonderwaldreservat sowie die Mischform der beiden. Sonderwaldreservate erlauben einzelne Eingriffe zwecks Förderung der Biodiversität. Im Falle des neuen Waldreservates im Sensetal handelt es sich um ein Naturwaldreservat.
Kein Verbot
Der Begriff Waldreservat bedeutet nicht, dass es sich hierbei um ein Sperrgebiet handelt. «Lediglich die Holznutzung ist in dieser Zeit untersagt. In den Wald gehen, um etwa Pilze zu sammeln, ist weiterhin erlaubt», präzisiert der Wissenschaftler. Endet der Vertrag mit den Waldbesitzern nach 50 Jahren, wäre die Idee, dass die Laufzeit um weitere 50 Jahre verlängert wird, «sofern die Politik sich nicht ändert», gibt der Biologe mit einem Lächeln zu bedenken. Die Waldbesitzer kann und will man weder zwingen noch überreden, Mitmachen ist freiwillig. Doch Aebischer und alle anderen fachkundigen Waldfreunde sind den Besitzern sehr dankbar, denn: «Viele Arten hängen von alten oder toten Bäumen ab und sind vom Aussterben bedroht. Wenn ein Baum ‹krank› ist, dann muss man ihn nicht gleich fällen. Viele Bäume mit toten Teilen und Pilzbefall leben noch über 100 Jahre weiter. In dieser Zeit sind sie ökologisch besonders wichtig. Es gibt zum Beispiel Flechtenarten, die nur auf 200 Jahre alten Bäumen entstehen können.»
Noch lange nicht am Ziel
Im Waldreservat an der Sense in den Gemeinden Ueberstorf, Heitenried, St. Antoni und Alterswil kommen 18 verschiedene Waldtypen vor, darunter sehr seltene. Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis im Jahr 2030 insgesamt 10% der Waldflächen Reservate sind. Von diesem Ziel ist man jedoch noch weit entfernt. Der Kanton Freiburg hat inzwischen 3,3% der Flächen zu Waldreservaten verwandeln können, im Kanton Bern sind es 2,5%. Schweizweit ist eine Fläche von rund 1070 Quadratkilometern Wald als Reservat deklariert. Das entspricht 6,3% der gesamten Waldfläche der Schweiz. Schweizweiter Spitzenreiter ist der Kanton Wallis, der fast 20% seiner Waldfläche geschützt hat.
Die Biodiversität kann nicht in jedem Fall über 50 Jahre gefördert werden. Hierfür können Minireservate, sogennante «Altholzinseln» mit dem Kanton vereinbart werden. Oder noch etwas kleiner: Ökologisch bedeutsame Bäume können ebenfalls freiwillig geschützt werden. Im Kanton Freiburg stehen über 800 solcher sogenannter Habitatbäume. «Etwa 30 davon sind regelrechte Metusalems, mehrere 100 Jahre alt, manche mit über 5 Metern Durchmesser im Stamm, allesamt auf der Webseite des Kantons Freiburg erfasst», verrät Aebischer. Ein Ausflug zu den geschützten Metusalems, diesen wuchtigen, knorrigen und für die Natur so wertvollen Zeitzeugen, lohnt sich allemal.