Eine Ersatzwahl wird zur Wegkreuzung

Eine Ersatzwahl wird zur Wegkreuzung

Was hat das Parlament mit der Wahl des Gemeinderats zu tun? Auf den ersten Blick herzlich wenig. Das Volk wählt ja schliesslich die Regierung. Doch die drei Kandidierenden sind der Spiegel eines Problems. Dem eines Zwists zwischen Gemeinderat und Parlament.

Im Parlament geht das jeweils stracks durch die Sitzung. Eine Person scheidet aus, die Partei stellt die neue Person vor und diese wird wiedergewählt. In der Regierung oder dem Gemeinderat ist das anders. Hier entscheidet das Volk. Die Parteien schlagen geeignete Kandidierende vor. So kommt es, dass nun die GLP selbstverständlich einen Nachfolger ins Rennen schickt in der Person von Thomas Marti. Und es gibt sogar aus der Mitte-Fraktion eine Auswahl, denn neben Marti stellt sich auch Katja Streiff (EVP) zur Wahl. Als Grossrätin, ehemalige Parlamentspräsidentin und Parlamentarierin in Köniz dürfte sie den meisten ein Begriff sein. Jetzt sehen sich die Mitte-Parteien aber herausgefordert, denn ihr Sitz wird ihnen von der SP streitig gemacht. Die Sozialdemokraten als stärkste Partei in Köniz wollen wieder zwei von fünf Sitzen und schicken deshalb Géraldine Boesch ins Rennen. Ein Jahr vor den Gesamterneuerungswahlen kommt es zu einer schicksalshaften Vorentscheidung.

Was bisher geschah
Gemeinderat Thomas Brönnimann (GLP) tritt per Ende Jahr zurück. Vorzeitig. Das hätte die GLP natürlich lieber anders gesehen. Die Lücke, welche der Direktionsvorsteher für Sicherheit und Liegenschaften aufreisst, wird nun zum politischen Spielball von weitaus grösserer Tragweite. Derzeit haben im Gemeinderat von Köniz fünf Parteien fünf Sitze. Eine Art Könizer Zauberformel, weil die Bürgerlichen sowie die Mitte und die Linke gleichermassen vertreten sind; im Parlament sind es übrigens neun Parteien mit zwei Jungparteien. Gewinnt die SP die Ersatzwahl mit Géraldine Boesch, kippt das Verhältnis hin zu einer linken Mehrheit. War bis dato die GLP das Zünglein an der Wage zwischen Bürgerlich und Links, so gäbe es zukünftig eine linke Mehrheit. Nun darf man natürlich argumentieren, dass Parteien im Gemeinderat eine untergeordnete Rolle spielen, weil es ja schliesslich um Sachpolitik geht. Völlig richtig und Köniz darf auch gleich als gutes Beispiel herhalten. Doch quert man die Aare, bekommt man eine andere Tendenz zu Gesicht. In der Stadt Bern haben bürgerliche Themen, wie etwa KMU-Freundlichkeit oder restriktive Finanzpolitik deutlich an Einfluss verloren. Andere Themen wie Klimapolitik sind dafür verstärkt hinzugekommen.

Das Wahlsystem
Das Volk muss also entscheiden, ob es die Zauberformel sprengen und der SP einen zusätzlichen Sitz geben will. Einen, den die Partei in den letzten beiden Wahlen nur knapp nicht geholt hat. Man darf also spekulieren, dass ein Teil der Bevölkerung gerne zwei SP-Sitze haben würde. Doch es müssen noch zwei weitere Gesichtspunkte in Augenschein genommen werden, um die Bedeutung dieser Ersatzwahl gänzlich auszuleuchten. Der eine betrifft das Wahlsystem. Der freiwerdende Sitz im Gemeinderat wird im Majorzverfahren ermittelt. Doch die Gesamterneuerung im Jahr 2025 erfolgt dann wieder im Proporzsystem. Die Mitte verfügt bei in etwa gleichbleibenden Wähleranteilen wie im Jahr 2021 über genügend Stärke, um erneut einen Sitz zu erreichen. Auf wessen Kosten könnte die SP also einen allfälligen zweiten Gemeinderatssitz im nächsten Jahr bestätigen? Die Antwort überrascht: womöglich auf Kosten der Grünen. Erreicht die SP nämlich mehr als doppelt so viele Stimmen wie die Grünen, wechselt der grüne Sitz zur SP. Die SP wäre dann übervertreten und die Grünen untervertreten. Natürlich kann es genauso gut die FDP oder SVP treffen, das sei an dieser Stelle noch festgestellt. Auf alle Fälle aber verschwindet eine Partei aus der Zauberformel. Die EVP, die Mitte, die Grünliberalen, die FDP und die SVP schreiben in einer gemeinsamen Medienmitteilung: «Wir sind bereit, die politische Vielfalt in der Gemeinde Köniz zu verteidigen.» Die Sozialdemokraten sehen das natürlich gänzlich anders und schreiben: «Mit der Nomination löst die SP ein Versprechen ein, der Stimmbevölkerung bei den Ersatzwahlen eine Auswahl zu bieten.»

Der Zwist auf der Bühne
Was uns zum zweiten Gesichtspunkt bringt. Es knirscht ordentlich im Gebälk der heiligen Parlamentshalle im Rossstall. Die Zusammenarbeit zwischen Gemeinderat und Parlament hat in der jüngeren Vergangenheit gelitten, die Kritik eines guten Teils des Parlaments an die Adresse des Gemeinderats wird lauter. Das präsentierte Budtet war so ein erster Zankapfel, bei dem das Parlament nachgebessert hat. Das Nichtumsetzen der Schuldenbremse ein weiterer. Das Parlament agiert bei dieser Kritik nicht geschlossen, es sind vornehmlich die bürgerlichen Kräfte, die sich echauffieren und kritisieren. Sie nutzen nach und nach die neuen Instrumente, welche dem Parlament seit geraumer Zeit zur Verfügung stehen, wie etwa die parlamentarische Initiative. Insbesondere Casimir von Arx (GLP) hat dafür gesorgt, dass der Legislative mehr Mittel zur Verfügung stehen. Das macht die Arbeit im Gemeinderat nicht unbedingt einfacher. Der Zwist offenbart sich an der letzten Sitzung vor den Sommerferien, als Gemeindepräsidentin Tanja Bauer nach einigen Traktanden plötzlich das Parlament verlässt. Ein Zeichen der Enttäuschung auf beiden Seiten. Bei Parlament und Präsidentin. Und was hat das nun mit den Wahlen zu tun? Mit Géraldine Boesch schickt die SP eine Kandidierende ins Rennen, die dem Gemeinderat und seiner Arbeit wohlgesonnener ist als dies Thomas Marti oder Katja Streiff vermutlich wären. Die beiden sind aus der Mitte-Fraktion und deshalb mit der Arbeit des Gemeinderats nicht in allen Punkten zufrieden. «Vor wenigen Wochen liess die Gemeinderätin der SP verlauten, heute bestehe im Gemeinderat eine sehr ausgewogene Vertretung», zitieren die EVP, GLP, Grünliberalen, FDP und SVP in ihrer Mitteilung. Deshalb verstehen sie nicht, weshalb die SP nun doch einen zweiten Sitz anstrebt. Ihnen ist nun wichtig, dass im Gemeinderat wieder jemand Einsitz nimmt, der dieses austarierte System sicherstellt und gleich noch etwas dazu beitragen kann, dass die Verhältnisse zwischen Parlament und Gemeinderat besser werden. Zwei Sitze der SP würden hingegen den Rücken der Gemeindepräsidentin stärken.

Es ist nur eine Ersatzwahl. Gleichwohl sehen die einen die Zauberformel bedroht, die anderen wollen einen neuen Zauber mit zwei SP-Sitzen. Eine Ersatzwahl als Wegkreuzung.

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