Wenn sich am 11. Juni 2017 frühmorgens die Tore zum Gurten öffnen und die ersten Zuschauer auf den Berner Hausberg pilgern, kann Urs Binggeli erstmals aufatmen und sich eine kurze Pause gönnen. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg mit einigen steinigen Abschnitten. Zuschauertribühnen, Schwingarena und Festzelte bauen sich nicht von alleine auf. Bereits zwei Wochen vor dem Mittelländischen Schwingfest verwandelt sich der Gurten in einen Ameisenhügel. Schwer beladene Lastwagen werden unermüdlich Material anliefern und fleissige Helfer Gerüste, Zelte und Bänke zusammenbauen. «Ich rechne mit zirka 150 Tonnen Material», schätzt Binggeli. Das sei weniger als vor vier Jahren, ergänzt er. Damals war Binggeli, seit knapp zwanzig Jahren für die GLB tätig, verantwortlich für Bau und Logistik am kantonalen Schwingfest in Niederscherli. «Es war ein riesiger Aufwand», erinnert sich der Bauleiter. Für das «Mittelländische» dieses Jahr hat er nun ein neues Rezept: «Wir wollen zurück zu den Wurzeln.» Wer sich auf ein Cüpli im VIP-Zelt und auf eine gedeckte Schlechtwettertribüne gefreut hat, wird auf dem Gurten nicht fündig. «Alle Zuschauer sind gleich, bei uns gibt es keine Zweiklassengesellschaft», betont Binggeli. Der Schwingsport selbst soll im Zentrum stehen. Von drei ungedeckten Tribünen und einer Naturtribüne aus – Binggeli will das natürliche Gefälle auf dem Gurten nutzen und Bänke am Hang montieren – können die rund 4500 erwarteten Zuschauerinnen und Zuschauer das Geschehen im Sägemehl verfolgen. Doch auch sonst ist der Gurten ein ganz anderes Terrain als Niederscherli, die Zugänglichkeit stellt eine grosse Herausforderung dar. «Logistisch gesehen ist der Gurten tatsächlich ein Berg», schmunzelt Binggeli. Für jede Fahrt ist eine Bewilligung nötig. Privatfahrzeuge sind nicht gestattet – also auch bei den Mitarbeitenden keine Zweiklassengesellschaft: Alle Helfer müssen mit der Bahn hochfahren.
Die Aufgabe, die anderen schlaflose Nächte bereiten würde, bringt Binggeli nicht aus der Ruhe. Die Erfahrung ist da, die Motivation ebenfalls und zum guten Glück auch grosse Unterstützung. Im Vorfeld hält ihm sein Arbeitgeber den Rücken frei, einen grossen Teil der Vorbereitung kann der Bauleiter dadurch bereits im Büro erledigen. Und während dem Schwingfest selbst kann Binggeli auf seine Familie zählen. «Ohne Unterstützung meiner Frau wäre es nicht möglich», weiss er. Seine Familie wird eine von hoffentlich vielen sein, die dem «Mittelländischen» einen Besuch abstatten werden. Denn schliesslich hat der Familienvater bei seiner Planung auch an die kleinen Gäste gedacht: Es gibt spezielle Familienbänke, die gebucht werden können und falls der Schwingsport die Kleinen nicht mehr zu fesseln vermag, bieten eine Hüpfburg und andere Angebote eine willkommene Ablenkung. Binggeli selbst freut sich sehr auf die Zuschauer, die am frühen Sonntagmorgen den Weg auf den Gurten finden. Und natürlich auf die Schwinger selbst. Obwohl es lange her ist, seit er als Junge selber im Sägemehl stand, ist Binggeli nach wie vor fasziniert vom Schwingsport. Damit steht er bei weitem nicht alleine da. Die Nachfrage nach dem urtümlichen Sport ist in den letzten Jahren gestiegen. «Die Leute suchen das Urchige, die Tradition», meint der 40-Jährige, «die Kombination dieser Werte mit dem Sport finde ich sehr spannend.» Zeit, um die Kämpfe zu verfolgen, wird sich Binggeli bestimmt nehmen. «Sobald alles läuft, kann ich etwas zurücklehnen und geniessen», freut er sich. Solange, bis es losgeht mit dem Abbau. Was vor dem Fest in zwei Wochen hintransportiert, aufgebaut und montiert wird, muss in kürzester Zeit wieder abgebaut werden. Schon eine Woche später soll der Gurten wieder sein übliches Gesicht zeigen. Unmöglich, möchte man meinen. Doch wer Binggeli zuhört und sieht, mit welcher Vorfreude, Energie und der nötigen Portion Gelassenheit er seine Aufgabe anpackt, weiss: Das ist zu schaffen.