Er gibt den Takt an, gemeinsam tönt die Musik

Er gibt den Takt an, gemeinsam tönt die Musik

Enge Kostenverhältnisse, digitale Herausforderungen, wenig Fachkräfte: Ein Alters- und Pflegezentrum zu leiten ist in den letzten Jahren zu einer Herkulesaufgabe mutiert. Hühnenhaft ist Roger Schmid keinesfalls, sehr wohl aber besitzt er den tollkühnen Mut, um in einem schwierigen Umfeld zu bestehen.

Wenn Menschen begeistert klatschen und die Musikgruppe durch ein Lied tragen, dann gibt einer den Takt an: der Schlagzeuger. Wenn 100 Bewohnende im Betagtenzentrum Laupen (BZL) zu versorgen, verwöhnen und verpflegen sind, dann muss ebenfalls jemand den Takt angeben, das ganze orchestrieren, ja gar dirigieren. Gut, dass Roger Schmid in seiner Freizeit in der Tat ein talentierter Schlagzeuger ist. Bringt er damit das nötige Taktgefühl mit, um einen der herausforderndsten Jobs der Neuzeit zu bewältigen?

Ähnlich, aber doch ganz anders

Der Leiter lacht und gibt dann zu: «Ich habe sicherlich schon vieles gemacht vorher, aber die Idee, mich für diese Aufgabe zu bewerben kam von meiner Frau. Sie hat mich überzeugt.» Diese arbeitet seit vielen Jahren als Pflegerin im BZL. «Ich hingegen war noch nie in diesem Segment tätig», gibt er zu. Muss er auch gar nicht, denn der Betriebsökonom hat grosse Projekte für Konzerne geleitet und war zuletzt als selbstständiger Berater für namhafte Firmen gefragt. Das Rüstzeug, um einen grossen Betrieb in einem schwierigen Umfeld zu leiten, bringt er zweifelsohne mit. Bevor er aber in «media res» geht, kommen dem neuen Leiter noch einige frühere Berührungspunkte mit dem Alterssegment in den Sinn: «Als Schlagzeuger im Militär wird man zusätzlich auch als Hilfssanitäter ausgebildet. Ich wüsste also theoretisch noch, wie man eine Spritze setzt. Zutrauen würde ich es mir aber nicht mehr, dafür haben wir ausgebildete Fachkräfte. Ich muss einfach auf die Pflegeaufgaben sensibilisiert sein.» Zudem hatte Schmid die Krebsliga Schweiz im Mandat begleitet und viele Gespräche mit seiner Frau geführt, in denen es primär um das Wohlergehen der älteren Bewohnerschaft ging. Schmid ist also ein Ökonom mit genug Erfahrung, um von anderen Bereichen wichtige Erkenntnisse in das Alterssegment zu übertragen. Analog, also irgendwie ähnlich, aber doch ganz anders. Und mit Taktgefühl, versteht sich.

Wie im Hotel

Wie kann man sich das konkret vorstellen? Ehe der Leiter antworten kann, muss er das Gespräch für einen kurzen Moment unterbrechen. In einem Haus mit 100 Betten ist eben immer etwas los. Dann aber beweist er alsbald, wie er die Analogien anzuwenden versteht: «Wir sind ein Hotel mit Pflegeservice.» Von der Restauration, dem technischen Dienst bis zum Unterhaltungsprogramm und dem kleinen Coiffeur-Salon, es erinnert in der Tat vieles an ein Hotel. Einzig die Pflege der einzelnen Gäste dürfte in diesem Haus etwas intensiver ausfallen als im Schweizerhof.

Verwaltungshürden

Zudem nutzt Schmid technologische Fortschritte, um die Strukturen zu professionalisieren. «Hier muss noch einiges gehen», stellt er fest. «Im Moment testet das BZL Sensoren, um das Bewohnerwohl zu steigern und nutzt im weitesten Sinn KI für die Einsatzplanung», nennt er einige Beispiele und ergänzt: «Aber ohne, dass es die Bewohnenden tangiert.» Solche Massnahmen voranzutreiben ist aus zweierlei Sicht wichtig: Zum einen leidet die Branche an einem akuten Fachkräftemangel, zum anderen lassen die Auflagen vom Kanton und den Bildungsinstitutionen kaum Freiräume offen. Die Mittel sind knapp, speziell im Kanton Bern. «Wir haben ein föderalistisches System, in dem die Gesundheitsdirektoren ihre eigenen Spielregeln machen. Zwischen den Kantonen gibt es grosse Unterschiede», erklärt er. In der Tat ist im unmittelbar benachbarten Freiburg die Situation mit den knappen Kosten weitaus entspannter. Das enge Kostenkorsett kommt mit neuen Forderungen aus dem Kanton zusammen, die etwa derzeit verlangen, dass sich teils ganz unterschiedliche Spitex-Organisationen aus verschiedenen Regionen zusammentun müssen. «Das ist unglaublich schwierig», kommentiert er.

Die Herausforderungen meistert Roger Schmid aber nicht mit Hochmut oder eiserner Regentschaft, sondern mit dem besagten Taktgefühl. Schliesslich hat das Schlagzeug nicht nur eine Pauke, sondern auch Becken und Trommeln; schliesslich gibt es nicht nur Stöcke, sondern auch Besen, um auf dem «Snare» die feinen Töne anzuschlagen. Genau die Mischung also, die es braucht, damit 200 Mitarbeitende tagtäglich für das Wohlergehen ihrer Gäste sorgen können. Er gibt zwar den Takt an, «die Musik aber, machen alle  Mitarbeitenden gemeinsam», meint er abschliessend.

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