Die jährlich stattfindende Lohnrunde ist mittlerweile ein nicht mehr aus der Agenda der Interessengemeinschaft Wangental wegzudenkender Anlass. Rund 40 Mitglieder der IGW waren am Referat von Prof. Dieter Frey, Dozent für Volkswirtschaft an der Berner Fachhochschule, mit dem anschliessenden Apéro und Wagenrad-Fondue zugegen. Im Fokus: die vergangene und die künftige Konjunkturentwicklung. «Es läuft wunderbar gut im Moment», resümierte Frey. Überall nehme das BIP-Wachstum weiter zu. Zwar sei die Entwicklung mit 0,8% nur halb so hoch wie vorausgesagt, aber doch immer noch im positiven Bereich. «Dieses BIP-Wachstum entspricht aber einem Umfang von sechs Mrd. Franken», verdeutlichte Frey den Dezimalwert. Schon fast einem Höhenflug gleicht deshalb die Prognose für das kommende Jahr. «Es werden mit Blick auf den Eurokurs mehr Exporte erwartet», erklärte Dieter Frey. Statt einem Wachstum 2017 von 3% wird bei den Exporten 2018 von einer Zunahme von 4,8% ausgegangen. Die Baubranche dürfte dagegen auf dem heutigen Niveau verharren. Insgesamt soll das BIP-Wachstum um 2,2% zunehmen. An der Lohnrunde 2016 wurde für 2018 noch ein Zuwachs von 1,8% prognostiziert – der nun höhere Prozentsatz ist allerdings auch eine Konsequenz aus dem deutlich tieferen Wachstum in diesem Jahr.
Mehr Lohn in der Industrie
Frey liess an der «Lohnrunde» auch die Ergebnisse der erstmals durchgeführten Umfrage bei den IGW-Mitgliedern einfliessen. Die Wangentaler Unternehmen blicken auf ein insgesamt positives 2017 zurück, das die Erwartungen teilweise deutlich übertraf. Trotzdem gehen die IGW-Mitglieder bei der Umsatzentwicklung von einer nicht ganz so hohen Zunahme aus wie das KOF. Bei der Lohnentwicklung dürfen 2018 vor allem Arbeitnehmer im Sekundärsektor, der Industrie, mehr Geld in der Lohntüte erwarten. Im Tertiärbereich, dem Dienstleistungssektor, zeigen sich die Arbeitgeber dagegen noch etwas verhalten. Die ebenso traditionelle Umfrage bei den an der Lohnrunde teilnehmenden Firmenvertretern bestätigte das Ergebnis des erstmals erhobenen IGW-Konjunktur-Indexes.
Gleichbleibende Arbeitslosenquote
Obwohl das kommende Jahr aus wirtschaftlicher Sicht für alle verheissungsvoll werden könnte, hat das Wachstum kaum Einfluss auf die Arbeitslosenquote. Diese dürfte sich mit den erwarteten 3% gegenüber heute kaum verändern. Allerdings, so Dieter Frey, würden ständig neue Stellen geschaffen. Das Wachstum des Bruttoinlandproduktes entspreche etwa der Jahresbeschäftigung von rund 40’000 Vollzeitstellen, rechnete der Professor vor.
Vollgeld-Initiative
Nächstes Jahr wird das Schweizer Stimmvolk auch über die Vollgeld-Initiative abstimmen. Mit dieser soll vor allem der risikobehafteten Buchgeldschöpfung der Banken ein Riegel vorgeschoben werden, führte Dieter Frey aus. Heute könnten aus einer Bareinlage von 1000 Franken theoretisch bis zu 39’000 Franken Buchgeld geschaffen werden. Dies sei zwar nicht anrüchig, mit Blick auf die Bankendebakel in anderen Ländern wie beispielsweise Griechenland oder Spanien, sei dies aber nicht ohne Risiken. Denn in wirtschaftlichen Krisen wollen die Menschen ihr Geld lieber in bar behalten, und genau dieses Bedürfnis führe bei den Banken letztlich zu Liquiditätsproblemen, welche die Krise wiederum weiter verschärfen und in einem Debakel enden können. Und solche könnten – so die Erfahrung aus der jüngsten Zeit – nur durch staatliche Unterstützung bei den betroffenen Geldinstituten behoben werden.
Vorteile dieser Initiative sieht Frey vor allem in einem stabileren Finanzsystem, in dem konkurssichere Konten geschaffen würden. «Die Geldschöpfung würde ausschliesslich durch die Schweizerische Nationalbank erfolgen», zählte er weiter auf. Zudem bliebe der Gewinn der Geldschöpfung beim Staat, was zu einer Reduktion der Staatsverschuldung führen und tiefere Steuern mit sich bringen könnte. Nachteile wähnt der Wirtschaftsprofessor vor allem für die Konsumenten, die für Transaktionskonten deutlich höhere Bankgebühren zahlen müssten. Auch in der möglichen Zunahme der politischen Einflüsse auf die Nationalbank sieht er keinen Vorteil. Zudem dürfe die Unsicherheit bei der Einführung des neuen Geldsystems nicht unterschätzt werden, mahnte Frey.