Folgen eines Hausverkaufes im Alter an die Kinder

Folgen eines Hausverkaufes im Alter an die Kinder

In Zeiten ständig steigender Immobilienpreise und zurückgehendem Angebot an freien Immobilien überlegen sich viele Eltern ihr Haus bereits zu Lebzeiten an ihre Kinder zu übertragen. Neben den erb- und steuerrechtlichen Folgen einer Abtretung bzw. Schenkung, bietet insbesondere die seit dem 01.01.2021 in Kraft getretene Reform der Ergänzungsleistungen ungeahnte Fallstricke. Bei der Findung von Lösungen sind deshalb nicht nur stets die erb- und steuerrechtlichen Folgen der Übertragung, sondern auch die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen umfassend zu prüfen.

Neuerungen bei den Ergänzungsleistungen ab dem 01.01.2021
Beim Bezug von Ergänzungsleistungen haben neu die Erben die seit dem 01.01.2021 rechtmässig bezogenen Ergänzungsleistungen zurückzuerstatten, sofern der Nachlass CHF 40‘000.00 übersteigt. Bei Ehepaaren entsteht eine Rückerstattungspflicht erst aus dem Nachlass des Zweitverstorbenen. Durch die Rückerstattungspflicht gilt es neu für die Erben abzuwägen, ob sich die Annahme einer Erbschaft lohnt, oder ob in Tat und Wahrheit Schulden übernommen werden. Die Ergänzungsleistungen sind damit zu rückzahlungspflichten Vorschüssen auf das Erbe mutiert. Neben der Rückzahlungspflicht wurde zudem eine Vermögensschwelle eingeführt. Alleinstehende Personen mit einem Vermögen von mehr als CHF 100‘000.00 und Ehepaare mit einem Vermögen von mehr als CHF 200‘000.00 haben keinen Anspruch mehr auf Ergänzungsleistungen. Zum Reinvermögen gehört auch das Vermögen, auf welches verzichtet wurde; dieses wird bei der Ermittlung der Vermögensschwelle berücksichtigt. Hingegen fällt der Wert selbstbewohnter Liegenschaften bei der Ermittlung der Eintrittsschwelle ausser Acht.
Bei der Abtretung der Liegenschaft an ein Kind ist stets im Auge zu behalten, dass die Abtretung bei der Berechnung eines allfälligen Anspruchs auf Ergänzungsleistungen im Umfang der Schenkung als Vermögensverzicht gewertet wird. Wann und zu welchen Konditionen eine Abtretung der Liegenschaft Sinn macht, ist folglich durch eine notarielle Beratung genau abzuklären. Als Grundsatz gilt: Je früher eine Abtretung der Liegenschaft an die Kinder erfolgt, desto tiefer ist ein allfälliger Vermögensverzicht bei der Berechnung eines Anspruchs auf Ergänzungsleistungen.

Verwandtenunterstützungspflicht
Kommt es zum Fall, dass das Vermögen vor dem Heimeintritt aufgebraucht wurde und infolge Vermögensverzichts kein Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht, stellt sich für die Eltern die Frage der Sozialhilfe. Zuvor sind jedoch die eheliche Unterstützungspflicht und die Verwandtenunterstützungspflicht zu prüfen, denn die Sozialhilfe ist dazu subsidiär. Zur Verwandtenunterstützungspflicht ist jedes Kind verpflichtet, welches in günstigen Verhältnissen lebt. Die stark einzelfallbezogene bundesgerichtliche Praxis geht grundsätzlich von einer Unterstützungspflicht ab einem jährlichen Einkommen von CHF 114‘000.00 bzw.
CHF 120‘000.00 aus.

Einbezug aller Kinder
Neben einem allfälligen späteren Bezug von Ergänzungsleistungen sind bei der Abtretung der Liegenschaft an ein Kind immer auch die Ansprüche der anderen Kinder mit zu berücksichtigen. Für die Vermeidung von erbitterten Erbstreitigkeiten empfiehlt es sich deshalb, den Verkehrswert der Liegenschaft sowie die Ausgleichspflicht der Geschwister im späteren Nachlass festzulegen. Gleichzeitig ist, wenn immer möglich, der Abtretungsvertrag mit allen künftigen Erben abzuschliessen. Dadurch kann verhindert werden, dass sich ein Kind benachteiligt fühlt und gegen die erfolgte Übertragung der Liegenschaft gerichtlich vorgeht.
Vor der Abtretung der Liegenschaft ist somit eine umfassende notarielle Beratung zu empfehlen, bei welcher die erb-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen aufgezeigt und durch die Notarin in den individuellen Lösungsvorschlag miteingearbeitet werden.

Samantha Estoppey,
Rechtsanwältin und Notarin des Kantons Bern

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