Gehet hin und wählet

Gehet hin und wählet

«Land wieder an die Urne» heisst es auf jenem Plakat, das manch grüne Matte oder Bauernhaus nun zusätzlich ziert. Der Aufruf wählen zu gehen, damit die ländlichen Interessen möglichst gut in Bern vertreten sind, ist auch einer, der viel mit dem Resultat der Wahlen zu tun hat.

Bei den letzten nationalen Abstimmungen gelang es den Gegnern einiger Vorlagen, die Landbevölkerung überdurchschnittlich gut zu mobilisieren und damit das Abstimmungsresultat merklich zu beeinflussen. Genau das möchte die SVP, die grösste Partei auf dem Land, nun auch kantonal erreichen.

Ein Aufruf der Dringlichkeit
Das bürgerliche Lager wird auf diesen Teil der Wählerschaft angewiesen sein. Im Regierungsrat müssen sie nicht nur den Status-quo wahren, sondern sich gegen den Angriff der Linken verteidigen. Mit einem Vierer-Ticket avisieren SP und Grüne die Regierungsmehrheit an. Grüne Welle, rot-grüne Städte, das Momentum ist klar auf der linken Seite und damit riskieren die Bürgerlichen, die exekutive Mehrheit zu verlieren. Tendenziell wählt das Land eher rechts, weshalb der Aufruf aus bürgerlicher Sicht geradezu dringlich ist. Zudem verlassen die Linken immer mehr auch die Städte und dringen aufs Land vor. Allen voran die Grünen, die beispielsweise eine ländliche Ortspartei mitten im Gan­trischgebiet gegründet haben, oder die SP mit jahrzehntelangen Erfahrungen als oft einzige Alternative zur bürgerlichen Mehrheit in vielen Gemeinden.

Die Stolpersteine
Wie gut sind die beiden Tickets also? Bei den bürgerlichen sind drei Parteien vertreten: Die Mitte will den Sitz der allseits beliebten Beatrice Simon verteidigen und nominiert Astrid Bärtschi-Mosimann. Sie stellen sich dabei bewusst auf die rechte Seite. Ist das noch mittig genug oder einfach nur dem Umstand geschuldet, dass sie sich mit diesem Ticket mehr Siegchancen ausrechnen? Auf der anderen Seite verzichten die Grünen auf eine zweite Kandidatur neben Christine Häsler, die SP avisiert dafür mit dem Bieler Stadtpräsidenten Erich Fehr den dritten von sieben Regierungsratssitzen. Sind sie damit übervertreten? Städtisch gesehen nicht, ländlich gesehen schon, gesamthaft ist es zumindest eine Ermessenssache. Es war auch schon so, dass die grüne Welle der SP Stimmen stahl und den Grünen zukommen liess. Das einige Wähler beide Tickets nicht optimal finden, darauf hoffen die GLP und die EVP. Sie erinnern mit ihrer Kampagne daran, dass sieben Sitze zu vergeben sind und die Wählerschaft doch auch sieben Namen notieren soll, statt nur die von den Tickets vorgeschlagenen vier. Sie stehen stellvertretend für all jene, die gerne möglichst ausgewogene Kräfteverhältnisse haben wollen. Dass dies bei der Lösungsfindung nicht immer einfach ist, das weiss Köniz aus eigener Erfahrung im Gemeinderat mit fünf Sitzen verteilt auf fünf Parteien.

Die Chance
Wer also eine klar bürgerliche oder klar linke Regierung will, der setzt auf ein Ticket, wer etwas breiter abgestützt sein will, nimmt die GLP und EVP dazu oder aber gibt jenen eine Chance, die in der Regierung bisher noch gar nicht vertreten waren. Im Grossen Rat wiederholt sich die spannende Ausgangslage. Die Listen erlauben vollständig auf eine Partei zu setzen oder halt eben nach Herzenslust zu panachieren oder kombinieren. Das Vorhaben der Parteien bleibt unverändert. Beide Lager wollen eine Mehrheit erlangen und die Mitte hält dagegen. Die Ausgangslage ist nahezu identisch. Und die kleineren Parteien wie EDU, Piraten, Aufrecht Bern? Zumindest letztere hat kürzlich in Nidwalden, als ersten Gradmesser, den Sprung in die Regierung klar verfehlt. Die EDU und die Piraten hingegen, sind schon länger präsent und haben durchaus Chancen den einen oder anderen Sitz mehr zu machen; überall dort, wo es gelungen ist, bekannte Persönlichkeiten zu nominieren. Denn genau das ist es, was die Parteien für mehr Sitze letztendlich brauchen: Fähige und bekannte Persönlichkeiten. Doch auch in dieser Betrachtungsweise gibt es keine klaren Sieger. Von der SVP bis zu den Grünen stehen einige regionale Grössen zur Wahl.

Man kann die Wahlunterlagen drehen und wenden, wie man will. Es dürfte zwischen Links und Rechts eine «enge Kiste» werden. Bei dieser Ausgangslage hat das Land gut erkannt, dass der Aufruf «Land wieder an die Urne» wichtig ist. Demokratisch gesehen gilt das aber genauso für Agglomerationen und Städte, weshalb die Parole etwas allgemeiner gehalten lauten könnte: «Gehet hin und wählet» – denn es kommt bei den Gesamterneuerungswahlen 2022 im Kanton Bern vermutlich auf jede Stimme an.

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