«Köche sind keine Unternehmer. Dennoch gründen sie Restaurants und das ist gut so», meint Markus Schneider, der selbst gelernter Koch ist. «Denn sie wagen es wenigstens», ergänzt er und zeigt erstmals sein typisches Lächeln, bei dem man bis zu den Stockzähnen sehen kann, also genau dorthin, wo die Gaumenfreude ihren Höhepunkt erreicht. Köche starten enthusiastisch, müssen sich dann durchbeissen wie bei einem zähen Stück Fleisch und schnell dazulernen, damit die Schwierigkeiten nicht wie ein Wassertopf überkochen.
Eine Prise zuviel
Und das beste Beispiel liefert er gleich selbst. Nach seiner soliden Ausbildung im Hotel National und den Wanderjahren im Bären Ostermundigen, in Schweden und in Österreich übernahm er mit zarten 24 Jahren zusammen mit Marc Pfeuti das Spiegel Pintli. «Das lief wie verrückt. Wir haben bis zu 250 Essen am Tag zubereitet, da galt es aufzupassen, um nicht die Lust daran zu verlieren», erinnert er sich zurück. Im Stillen aber träumte der talentierte Koch bereits von seiner Selbstständigkeit. Ein erster Schritt folgte mit 28 Jahren, als er zusammen mit Beat Beyeler das Restaurant Spycher in Kirchdorf eröffnete. Und wie. Nach drei Monaten erhielten sie bereits 16 Gault-Millau-Punkte und waren unter den besten 70 Restaurants der Schweiz. «Wir waren frech und mutig unterwegs», kommentiert er dieses Lebenskapitel. Bioprodukte aus der Region wurden quasi vom Feld bis auf den Teller allesamt selbst verarbeitet. «Daraus entstand ein enormer Druck», betont er und auf seinem Gesicht glätten sich die Lachfalten wieder. Schneider erkannte, dass weder Gault Millau Punkte noch maximale Anzahl an Gerichten wesentlich sind; vielmehr sind es liebevoll zubereitete Speisen, verbunden mit einem fröhlichen Moment, bei dem man Sorgen, Gestern und Heute vergessen kann.
Vom Schuppen zum Tempel
Das Restaurant Spycher wurde fortan von Beyeler und seiner Gattin weitergeführt und für ihn gab es Zeit, seine Erkenntnisse und seinen Wunsch nach Selbstständigkeit zu vereinen. «Eigentlich wollte ich mir dafür ein halbes Jahr Zeit nehmen, aber dann kam die ‹Haberbüni›», beginnt er wieder zu lachen. Nun folgen sie, all die Anekdoten aus den Anfangszeiten, die spartanisch eingerichtete Küche, der Umbau vom Fachgeschäft für Wohnaccessoires zum Restaurant und die Startphase: «Mein Vorteil war, dass man mich als Küchenchef kannte, vor allem im Grossraum Bern. Ich bin also zu meinen Gästen gezügelt.» Das erste Jahr sollte genug Geld einbringen, um das Restaurant und vor allem die Küche umzubauen, «aber so schnell ging es dann auch wieder nicht», sagt Schneider. Ohne «Gault Millau», dafür mit umso mehr Enthusiasmus kochten und bedienten sich Schneider und sein Team in die Herzen der Gäste. «So spartanisch und hektisch es anfänglich noch war, so schwärmerisch sind heute die Erinnerungen. Von mir und jenen Leuten, die damals mit mir begonnen haben», sprudelt es dankbar aus ihm heraus.
Empathie auf dem Teller
Und das sollte zum Markenzeichen der «Haberbühni» werden. Liebe als Gewürz im Teller und am Tisch. In der «Haberbüni» isst man nicht nur gut, man fühlt sich gut. Gibt es dazu eine Anekdote? «Klar», lacht Schneider und beginnt zu erzählen: «Vor etlichen Jahren waren einer meiner jungen Köche und eine Lernende ein Pärchen. Die junge Frau strahlte und die Gäste taten es ihr alsbald gleich. Kaum ging diese Freundschaft in die Brüche, fehlte die Ausstrahlung und mit ihr die Freude, welche sie an den Tisch trug. Kurz darauf suchte ich mit ihr das Gespräch und sagte: ‹So wie du an den Tisch kommst, so kommt es zurück›.» Wenig später kehrte auch die Freude am Beruf und an den Menschen wieder zurück und die Lernende strahlte wieder. Das Beispiel zeigt, «dass man in unserer Branche ein Menschenfreund sein muss. Wenn ein Koch also daran denkt, sich selbstständig zu machen, muss er sich auch fragen, ob er diese Freude und Offenheit mitbringen kann. Denn ohne diese Fähigkeit wird es schwer», fasst er zusammen.
Glücklicherweise gilt das nicht für seine Nachfolger in der «Haberbüni». Die sind sozusagen das Filet Rossini neben den Beilagen, denn sie tragen diese Werte des Gründers weiter und das schmeckt man. Doch auch sie werden einige Momente erleben, wie sie zuvor Markus Schneider meistern musste. «Sie schaffen das und es wird sie zusammenschweissen», ist er sich sicher. Und hängt nun seine Schürze am berühmten Nagel? Nicht ganz. Freunde zu bekochen ist und bleibt eine seiner grössten Freuden. Das Ziel sei dabei dasselbe wie in all den Jahren in der «Haberbüni»: «Die Gäste sollen glücklich kommen und noch glücklicher gehen.»