Der Wind senkt sich von den altehrwürdigen Dächern des Schlosses auf den Platz. Kein kalter, kein rauer, nein, ein frischer und kräftiger Wind. Die Flaggen spielen mit dem luftigen Gefährten und künden die feierliche Ankunft der Grossratspräsidentin Dominique Bühler im Schlosshof zu Köniz an. Mit frenetischem Applaus empfangen die Gastgeber und Gäste nun die höchste Bernerin. Aus diesem wird ein tosender Applaus, als Bühler im späteren Verlauf die Bühne betritt, um ihre Rede zu halten. «Ich bin nicht Nemo», hebt sie die Hand und scherzt, damit sich der Freudenjubel legen kann und Stille einkehrt; nun lauschen alle gespannt ihren Worten.
Der Wandlung nächstes Kapitel
«Ich bin stolz, Könizerin zu sein, ich bin stolz, eine Grüne zu sein.» Sowohl die Gemeinde als auch ihre Partei stehen für den Wandel und die Entwicklung. Solches sei nicht immer einfach, Meinungen gehen auseinander, ein Dialog muss stattfinden. «Trotz Gegensätzen, in Köniz hält man zusammen. Die vielen Meinungen sind wichtig. Die Demokratie lebt davon», weiss Bühler. Sie hat im Könizer Parlament miterlebt, wie die 40 Köpfe oft bis spät in die Nacht hinein gearbeitet haben, um Lösungen zu finden. Was sie nicht erwähnt: immer wieder mit wichtigen Lösungsansätzen von ihr selbst. Und das ist typisch für die 41-Jährige. Nicht sie steht gerne im Mittelpunkt, sondern der jeweilige Sachverhalt. Diesen kann sie jedoch klar und unmissverständlich kundtun. Aus gutem Grund meinte sie deshalb zum Schluss ihrer Rede: «Ich bin bereit.»
Lob und Anerkennung
Daran hegt niemand einen Zweifel. Während ab und an ein paar Regentropfen verhindern, dass die Reden allzu staubig würden, trägt der Wind viele Komplimente über Bühlers Art in die Lande. «Humor, Pragmatismus und Bodenständigkeit», attestiert ihr etwa die Könizer Gemeindepräsidentin und Grossrätin Tanja Bauer (SP). «Eine Naturwissenschaftlerin mit viel Fachwissen», weiss Regierungsratspräsidentin Evi Allemann (SP) zu berichten. «Diese Wahl ist eine Anerkennung für die fachliche Kompetenz und ein Vertrauensbeweis», sagt indes der abtretende Grossratspräsident Francesco Rappa (die Mitte).
Älter als Bern
Und das waren nur die Worte am Mikrofon. Unter den Gratulanten sind viele weitere Persönlichkeiten. Manche davon wüssten vielleicht nur wenig über die Grossgemeinde Köniz, denkt sich Gastgeberin Tanja Bauer und beschliesst, die kantonalen Politiker ein wenig aufzuklären. Vor einigen Jahren war an einer Quizsendung beim Fernsehsender SRF die 100‚000-Franken-Frage, welche Gemeinde aus einer Vierer-Auswahl die grösste sei. Köniz war auf den ersten Blick die vermeintlich am wenigsten nach einer Stadt klingenden Wahl. Fazit: Die Kandidatin hat nicht Köniz genannt und verspielte das stattliche Preisgeld. Dennoch hatte sie ein wenig recht. «Fakt ist, wir haben 44‚000 Einwohnerinnen und Einwohner und sind die dreizehntgrösste Gemeinde der Schweiz. Wir sind aber keine Stadt, wir sind so vielfältig wie die Schweiz», beginnt Bauer. Ortsteile wie Niederscherli, Wabern oder Gasel seien die Kantone. Das Schloss war lange Zeit das Machtzentrum, von dem aus die Burgunder regiert haben. Das heutige Gemeindegebiet sei kein Fusionsgebilde, sondern habe seit über 1000 Jahren diese Grösse. «Das einzige, was passiert ist: Auf der anderen Seite der Aare haben ein paar Zähringer Bern gegründet», scherzt Bauer. Köniz ist älter als Bern. Doch zurück in die Gegenwart. Auch Bauer verweist auf die Könizer Politfähigkeiten oder Offenheit. «Schliesslich liegt ja Berns Hausberg, der Gurten, in Köniz. Ja wir teilen ihn mit allen, wir sind so», schliesst sie ab.
Köniz schafft Politik
Dass aus diesen Eigenschaften schon viele gute Politikerinnen und Politiker herangewachsen sind, weiss auch Dominique Bühler. Sie ist nach Karl Geissbühler und Fritz Rohrbach die dritte Person, welche aus Köniz kommend das Grossratspräsidium innehat. Und die erste Frau. Ihr, der die Geschlechtergleichstellung von grosser Wichtigkeit ist, dürfte dieser Umstand besonders wichtig sein. Erst recht im Jahr 2024, in dem mit Arlette Münger (SP) das Könizer Parlament, Tanja Bauer das Gemeindepräsidium, Evi Allemann das Regierungsratspräsidium und nun Dominique Bühler das Grossratspräsidium in Frauenhand liegen. «Es ist bezeichnend, dass man das erwähnen muss. Aber es ist erst das vierte Mal, dass der Kanton Bern zwei Präsidentinnen hat», fasst Evi Allemann zusammen. Und weil sie selbst in Köniz aufgewachsen ist, meint sie: «Aber dass beide Sitze einen Bezug zu Köniz haben, ist schon eine Erwähnung wert.»
Von der Vision zur Selbstverständlichkeit
Damals, als die Herren Geissbühler und Rohrbach präsidierten, waren Frauen noch nicht mal zu den Wahlen zugelassen. «Damals war das noch eine Vision», sagt Bühler. Heute ist das – getreu Allemann – selbstverständlich anders. Vor fünf Jahren präsidierte eine andere Könizerin gar den Bundesrat: Simonetta Sommaruga. Dominique Bühler stellt sich in eine Reihe grosser Politkarrieren. In Köniz treffen sich nicht nur Politikerinnen und Politiker für Klausuren oder für Feierlichkeiten, nein, aus Köniz starten viele grosse Politkarrieren. Auch jene von Evi Allemann, die in dieser Gemeinde aufwuchs. Derzeit wohnen ganze elf Grossrätinnen und Grossräte in Köniz.
Die Gemeinde bekommt Aufmerksamkeit dank Dominique Bühler. Die höchste Bernerin hält sich nicht mit alten Visionen auf, sondern will Neues anpacken, Notwendiges, längst Fälliges, Dringendes und Wichtiges. Sie vereint mit ihrer Person und ihrer Herkunft aus Köniz genau das, was sie sagt: «Es braucht den Mut für Veränderungen.» Auf dem Weg dorthin und während des Präsidialjahrs gibt ihr das Musikerduo «Klang & Horn» einige Tipps, etwa wie man «Janusode» brummen kann, damit man ruhig bleibt, oder wie man immer den richtigen Ton findet. Beides kann Dominique Bühler, das wissen alle Politikerinnen und Politiker, die sie kennen. Deshalb sind sich alle – egal welcher politischen Couleur sie angehören – für einmal grün.