In Niederscherli aufgewachsen ging sie in der damaligen Könizer Bibliothek an der Hessstrasse bei Herrn Dätwyler mit Bergen von Büchern ein und aus. Diese Bibliothek gibt es nicht mehr, doch Ann-Brita Dählers Leidenschaft für Bücher begleitet sie seither durch ihr Leben. Die Berufswahl war daher naheliegend. Ihre Ausbildung zur Diplombibliothekarin absolvierte sie in der heutigen Universitätsbibliothek an der Münstergasse. Unmittelbar danach packte, Dähler bereits die erste grosse Herausforderung. «Ich war in einem Klassenzimmer der Gewerbeschule einquartiert, es gab ein Büchergestell an der Wand mit zwei, drei Klassensätzen, mehr nicht. Ich wurde angestellt, um ein Bibliotheksnetz aufzubauen.» In einem neueröffneten Standort der Gewerbeschule fand sie den Platz, den sie benötigte, um die Infrastruktur der Bibliothek aufzubauen. Vom Bibliothekssystem bis zur Klassifizierung konnte Dähler im Alleingang die erste Bibliothek für die Gewerblich-Industrielle Berufsschule Bern (GIBB) aufgleisen. Ein paar Jahre später eröffnete sie sich erneut eine Chance. Im Ausbildungszentrum des Inselspitals fusionierte sie mehrere Schulbibliotheken der medizinischen Berufe zu einer grossen Bibliothek. Dähler wuchs mit jedem neuen Projekt und mit dreissig Jahren stieg sie bereits in die höchste Berufsform auf, die es damals als Diplombibliothekarin gegeben hatte. So nahm sie die nächste Gelegenheit wahr und arbeitet fortan in der Abteilung Kommunikation der heutigen Insel Gruppe. Stolze zwanzig Jahre lang.
Diese Erfahrungen habe sie geprägt, sie scheue sich deshalb kaum vor Herausforderungen und probiere Verschiedenes aus. Was ihr auch heute bei der Leitung der Könizer Bibliotheken helfe. «Es fühlt sich für mich an wie ein Kreis, der sich nun schliesst. Meine Liebe zu den Büchern hat in Köniz begonnen und hier – man muss mit 56 Jahren etwas realistisch denken», sagt Dähler lachend, «hier wird die letzte Station meines Berufslebens ihren Lauf nehmen; zurück zu den Wurzeln.» Auch wenn sie beinahe nostalgisch von ihrem Werdegang erzählt, sei sie ein Mensch, der Veränderung sucht. Was, anders als man vielleicht denkt, ein Muss als Leiterin einer Bibliothek sei. «Denn die Bibliothek lebt von der Aktualität.» so Dähler.
In der hellen und modernen Bibliothek finden sich auf zwei Stockwerken etliche Nischen zum Verweilen, umhüllt von zahllosen Büchern vom Krimi bis hin zum Kochbuch. Aber auch CDs, DVDs, Hörbücher, Zeitschriften oder Magazine haben hier ihren Platz. Nur für Nostalgiker könnte der Besuch, ausser man ist auf der Suche nach Klassikern, etwas überraschend sein. Denn das Bild der staubigen Bibliothek mit veralteten Büchern sucht man hier vergebens. Im Durchschnitt sind die Bücher nicht älter als zwei bis drei Jahre. Sämtliche Leihgaben sind aktuell und in gutem Zustand. «Wir haben eine goldene Regel, wenn es um Neuanschaffungen geht: So viel wie neu reinkommt, muss auch altes wieder raus», erklärt Dähler.
Auf die Frage, ob es als Bibliothekarin nicht schmerzlich sei, alte Bücher auszusortieren, entgegnet sie: «Bibliothekarinnen und Bibliothekare gelten oft als Bewahrerinnen und Bewahrer, die ihre Bücher schützen und pflegen wollen – sie wachen darüber. Doch müssen wir am Puls der Zeit sein, um attraktiv zu bleiben. Der Schritt zur ‹Open library› war daher gross und wichtig.» Bei der «Open library» ist die Bibliothek auch dann offen, wenn der Schalter nicht bedient ist. So können Kundinnen und Kunden über Mittag selbstständig volle zwei Stunden vom ganzen Angebot profitieren. «Glücklicherweise funktioniert dies ausgezeichnet. »
Doch die Leihgaben sind nicht das einzig Interessante. In der 2020 neu sanierten Bibliothek findet sich viel Raum, um sich ohne Konsumzwang zu treffen. Es handelt sich um einen Ort der Begegnung. «Wir haben mittlerweile viele Stammgäste, die morgens vorbeikommen, um in unserem Bistro einen Kaffee und die aktuellen Zeitungen und Zeitschriften zu geniessen.» Auch Lerngruppen, Bücherclubs oder Nachhilfen finden hier statt, sehr zur Freude von Ann-Brita Dähler. Die durchgeführten Anlässe wie «Gschichtestund», «Värsli Stampfe» oder «Sprachcafé» hatten bisher vor allem Leserinnen und Leser angelockt. Die Türen stehen jedoch allen offen: «Wir sind ein offenes modernes Angebot und freuen uns über jede Kundin und jeden Kunden – ob Leseratte oder nicht.» Sei es, um einen der vielen Computer zu benutzen, um im Aussenbereich zu entspannen oder um sich mit Freunden zu treffen. Dähler versteht die Bibliothek Köniz als einen öffentlichen Ort. «Wir haben Wissen, das wir gerne anbieten. Wir beraten, helfen, stellen PCs und Räumlichkeiten zur Verfügung und das alles gratis.»
Besonders die Leseförderung liegt Dähler am Herzen. Kinder und Jugendliche bis Zwanzig lesen hier nämlich kostenfrei. In Zusammenarbeit mit den Schulen stellen die Filialen auf Anfrage Bücherboxen zu spezifischen Themen zur Verfügung. Von Privatpersonen würde dieses Angebot eher weniger genutzt werden, diese wühlen liebend gerne selbst durch die Leihgaben durch. «Ziel ist es, dass die Räumlichkeiten zukünftig vermehrt als Eventlokal genutzt werden könnten, um die Bibliothek einer breiteren Masse oder der Kulturszene zu eröffnen – doch die Umsetzung diesbezüglich ist noch nicht ausgereift.» An Ideen mangelt es ihr keineswegs. Ein Blick in die Zukunft verrät, dass die Könizer Bibliotheken nach Möglichkeiten suchen, auch für kreative Köpfe Raum zu schaffen – mit den sogenannten «Maker Spaces». Einfache MINT-Experimente für Kinder und Jugendliche. Raum zum Basteln und kreativ sein. So wird es Dähler auch in den Könizer Bibliotheken nicht an Herausforderungen fehlen. «Schön wäre es, wenn alle von Köniz und Umgebung die Bibliothek kennen und besuchen würden – viele sind sich nicht bewusst, was für ein Bijou wir hier haben.»
INFO:
Bibliotheken Köniz, Niederscherli,
Niederwangen und Wabern
Di, Mi, Do, Fr, 9 – 19 Uhr*
Sa, 10 – 17 Uhr
*bedient: 10 – 12 und 14 – 19 Uhr