Auf dem Platz vor dem Bauernhaus begegnen mir bereits die ersten Hühner. Neugierig schauen sie in meine Richtung, aber es traut sich doch keine Henne näher an mich heran. Es müssen ausgebüchste Hühner sein, denn die anderen sind noch im Stall und werden einerseits wegen der Jahreszeit, aktuell auch wegen der Vogelgrippe, nur in den Wintergarten mit einem Sandbad gelassen. Thomas Sprecher hatte schon als Kind Tiere, um die er sich gerne kümmerte. Der gelernte Metzger und Landwirt zog erst vor zwei Jahren aus dem Kanton Zürich auf den Hof in Rüschegg-Gambach. Dass hier bereits die Anlage für Hühnerhaltung vorhanden war, reizte ihn umso mehr. Neben 18 Rindern umfasst sein Hühnerbestand rund 500 Tiere. Mehr möchte er gar nicht. Da er den Hof allein bewirtschaftet, wäre es praktisch unmöglich. Abgesehen davon zieht eine höhere Menge Tiere wieder weitere Auflagen nach sich. Gefahren für die Hühner lauern hier vor allem von Raubvögeln. Erstaunlicherweise hat noch kein Fuchs ein Huhn gestohlen, obwohl Füchse in der Nähe leben.
Mehraufwand für Labelprodukte
Damit ein Ei nicht nur 20 Rappen einbringt, braucht Thomas Sprecher gute Abnehmer. Mit Coop hat er einen geeigneten Kunden gefunden, doch erst musste er einige Auflagen erfüllen. Der Hühnerstall sowie die Auslaufmöglichkeiten entsprachen bereits den gesetzlichen Vorlagen für artgerechte Tierhaltung. Doch für die einzelnen Label sind noch zusätzliche Vorschriften erforderlich. Diese werden durch die interkantonale Zertifizierungsstelle aus Ersigen überprüft und kostet zum Jahresbeitrag zusätzlich noch Gebühren zwischen 600 bis 700 Franken für die Zertifizierung und Administration.
Coop arbeitet mit verschiedenen Labels, darunter «Naturpark», «Das Beste der Region» und «IP-Suisse». Alle drei Gütesiegel befinden sich auf der Etikette, welche die Freilandeier von Thomas Sprecher auszeichnen. Er erklärt, «das Futter regional zu beschaffen ist nicht möglich, jedoch ist die Mühle von IP-Suisse geprüft und abgenommen.» «IP-Suisse-»Produkte sind gentechfrei und werden weitgehend ohne Einsatz von Fungiziden und Pestiziden hergestellt. Tiere auf IP-Suisse-Bauernhöfen leben artgerecht, genies-
sen viel Auslauf und erhalten gesundes Futter. Um das Label Naturpark zu bekommen, müssen mindestens drei Viertel der Rohstoffe aus dem Naturpark Gantrisch stammen, und die Wertschöpfung wird zu mehr als zwei Dritteln im Park-Perimeter generiert.
Der Naturpark Gantrisch arbeitet eng mit dem Label «Das Beste aus der Region» zusammen. Lebensmittel mit diesem Gütesiegel garantieren, dass alle Zutaten für die Herstellung eines Produktes aus
derselben Region stammen und die Herstellung selbst in der Region erfolgt. «Die Eier stemple und verpacke ich selbst hier auf dem Hof. Auch den Transport in die Verkaufsläden muss ich selbst erledigen», erzählt Thomas Sprecher. Dann zählt er auf, wo die Eier zu kaufen sind: «Ich bringe sie in die Coop-Filialen Plaffeien, Schwarzenburg, Rüschegg-Heubach, Riggisberg, Wattenwil, Uetendorf sowie Toffen. Und jetzt kommt noch der Heimberg-Megastore dazu.» Schlussendlich erhielt Thomas Sprecher für den Mehraufwand ein OIC-Zertifikat (Organisme intercantonal de certification) für die Freilandeier, das gerade mal zwei Jahre gültig ist. Bis zur erneuten Überprüfung will er sich entscheiden, welche Label er noch erfüllen will oder nicht.