Illegale Kunst und legales Ärgernis

Illegale Kunst und legales Ärgernis

Für die einen ist es Street-Art, für die anderen Sachbeschädigung. Graffiti im öffentlichen Raum sind ein sensibles Thema. Ein Vandalismus-Opfer ruft nach Massnahmen, die Gemeinde Köniz setzt auf Prävention.

Fritz Gfeller ist sauer. Er führt in vierter Generation den Schreinerbetrieb an der Hauptstrasse in Niederscherli. Seit etwa fünf Jahren ist er Opfer von illegalen Sprayereien. Anfang Juni hatte er die Aussenwand seiner Garage und die Stützmauer an der Strasse neu streichen lassen, weil ihn die Schriftzüge darauf störten. Zwei Wochen später prangt auf der Mauer wieder das gleiche Graffiti, dazu die Tags «Beny», «Leguca» und der Spruch «You can’t buff us», was man etwa übersetzen könnte mit: «Du kannst uns nicht entfernen.» Gfeller sagt: «Ich erachte diesen Spruch als Provokation und persönlichen Angriff auf mich und meine Familie.» Auch die Holzfassade dahinter hat etwas abbekommen, was ihn besonders ärgert: «Das ist hundertjähriges Holz – die Farbe darauf lässt sich nicht so einfach wieder entfernen.»

Gfeller ist bei der Polizei mit einer Namensliste vorstellig geworden und hat Anzeige erstattet: «Ich habe mich bei Kollegen erkundigt. Diese haben mir Personen aus Niederscherli, Oberscherli und Mittelhäusern genannt, die sich hinter den Tags verbergen. Die Namen der Sprayer waren auch der Polizei schon bekannt.» Die Beamten seien bei den Verdächtigen vorbeigegangen. Dennoch scheint es schwierig zu sein, sie zu belangen, wenn sie von den Eltern gedeckt und nicht in flagranti erwischt werden. Laut Mediensprecherin Lena Zurbuchen von der Kantonspolizei Bern sind die Ermittlungen und Abklärungen noch im Gange: «Können Anhaltspunkte zur Täterschaft ermittelt werden, wird dies an die Staatsanwaltschaft bzw. an die Jugendanwaltschaft rapportiert. Es ist letztlich Sache der Justiz, einen rapportierten Sachverhalt rechtlich zu würdigen und über das Strafmass zu entscheiden.»

Für Gfeller hat die Geschichte eine grössere Dimension: «Es betrifft nicht nur mich persönlich. Im Dorf gibt es kaum noch ein Verkehrsschild, das nicht versprayt ist.» Die Vandalen scheinen vor nichts Halt zu machen: Brückengeländer, Ortsvereinsbänke, Spielplätze und sensible Mauern von geschützten, alten Gebäuden werden hemmungslos zugeschmiert. «Diese Missstände zu entfernen, zu putzen oder zu reparieren kostet uns Steuerzahler viel Geld», klagt Gfeller. Er selbst musste bei der Gebäudeversicherung eine Zusatzversicherung abschliessen, damit die rund 4000 Franken für die Sanierung auf seinem Areal übernommen wurden. Von der Unterstützung durch die Behörden ist Gfeller enttäuscht: «Ich habe dem Gemeinderat eine Mail geschrieben. Er hat mir geantwortet, er habe es an die Polizei weitergeleitet. Ich musste dann beim Inspektorat in Köniz vorbeigehen und eine Anzeige aufgeben. Sonst passiert aber nichts.»

Laut Thomas Brönnimann, Direktionsvorsteher Sicherheit und Liegenschaften, gibt es ein Budget für die Entfernung von Graffitis im Bereich Unterhalt: «In der Regel entfernen wir Graffitis bei Schulhäusern relativ rasch, was präventiv wirkt.» Seines Wissens werde Vandalismus im Schulbereich konsequent zur Anzeige gebracht. Sonst setzt die Gemeinde hauptsächlich auf Prävention: «Beim Schulhaus in Mittelhäusern gab es die erste legale Spraywand von Köniz. Diese wird intensiv genutzt und war damals eine Reaktion auf illegale Schmierereien in Mittelhäusern sowie Niederscherli. Das hat gewirkt.» Im Liebefeld arbeitet der Jugendarbeiter Reto Käser kreativ mit Jugendlichen und Spraykünstlern zusammen.

Das neuste legale Projekt in der Gemeinde ist die Gestaltung des alten Swisscom-Gebäudes in Niederwangen, wie Geraldine Rösti von der Jugendarbeit Wangental berichtet: «Ich werde demnächst mit den Sprayern des Vereins Farbtubä zusammensitzen und einen Vorschlag erarbeiten. Diesen wollen wir Andrea Tanner und Istvan Jakab vom Verein Sportbörse (den Besitzern des Gebäudes) unterbreiten. Wenn sie den Vorschlag annehmen, dürfen junge Künstlerinnen und Künstler die Fassade legal gestalten.» Parallel dazu erhoffe er sich etwas Aufmerksamkeit bei anderen Sprayern. Die Kinder- und Jugendarbeit Köniz hat bereits in anderen Gebieten legale Wände geschaffen und trage dazu bei, dass Schmierereien in diesen Ortsteilen thematisiert wurden und zurückgegangen sind. «Ein Beispiel dafür sind die legalen Wände beim Schulhaus Mittelhäusern. Ich habe letzten Herbst den Versuch unternommen, ähnliche Wände im Wangental zu realisieren. Leider war die Motivation der Jugendlichen nicht sehr gross. Dies könnte sich mit dem Projekt an der Fassade des Swisscom-Gebäudes ändern», so Rösti.

Allen legalen Möglichkeiten zum Trotz ist sich auch Thomas Brönnimann bewusst: «Es gibt halt Sprayer, denen der illegale Kick offenbar wichtiger ist als ein legaler Ort.» Seine Haltung zu den Vorkommnissen ist klar: «Wenn Sprayereien auf privatem Boden gemacht werden, sind sie eine Sachbeschädigung. Hier stehe ich voll hinter Herrn Gfeller. Generell stellen wir aber nicht fest, dass wir mehr Sprayereien als früher haben. Vor zehn Jahren gab es viele Probleme, vor allem in der oberen Gemeinde. Dazu habe ich leider keine Statistik, aber ich beobachte dies als Anwohner.»
Für Fritz Gfeller hingegen passiert immer noch zu viel: «Ich wünsche mir, dass die Öffentlichkeit begreift, dass uns diese Sprayereien viel Geld, Nerven und Zeit kosten. Es wäre wünschenswert, wenn sich mehr Menschen dagegen wehren und solche Taten zur Anzeige bringen.» In der Pflicht sieht er auch die Eltern der Vandalen: «Ich finde es traurig, dass sich 14- oder 15-jährige Jugendliche in der Nacht rumtreiben und es den Eltern egal ist.» Was ihn besonders nervt, ist die Sinnlosigkeit solcher Aktionen: «Meine Frau und ich sind viel gereist, oft in ärmeren Ländern. Dort käme niemandem in den Sinn, aus Langweile etwas zu zerstören – das ist ein Problem der Wohlstandsverwahrlosung.» Gfeller hat nun auf seinem Areal eine Videoüberwachung installiert. Und die Stützmauer wird er auf Kosten der Gebäudeversicherung wieder streichen lassen.

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