Lebende Kunst – Bonsai für alle

Lebende Kunst – Bonsai für alle

Zwitschernde Vögel, ein kleiner Garten mit dutzenden Miniaturbäumen – in Oberwangen lebt der Bonsai-Europameister 2024. Saimon Reddy, 35 Jahre alt, hat sich mit Geduld, Youtube-Videos und viel Leidenschaft an die Spitze der europäischen Bonsai-Kunst gearbeitet.

«Ich wünschte, ich hätte bereits mit 16 Jahren mit Bonsais angefangen», sagt Reddy rückblickend. Bonsai ist eine über tausend Jahre alte Kunstform, bei der Bäume so zurechtgeschnitten und gestaltet werden, dass sie wie ein Miniaturabbild eines ausgewachsenen Baumes aussehen.

Bonsai zur Entspannung

Als Jugendlicher spielte Reddy jedoch lieber Fussball und stundenlang Videospiele. Nach der neunten Klasse absolvierte er die Lehre im KV und danach hatte er verschiedene Jobs, bis er im Finanzsektor durchstartete. In einem Start-up arbeitete er fast Tag und Nacht und verdiente «gutes Geld». Zur Entspannung schaute er sich gelegentlich Bonsai-Videos auf YouTube an. Auch selbst besass er zu dieser Zeit bereits einen Bonsai, den er sich nach einer Japanreise bei Ikea gekauft hatte. Mit der Coronapandemie und dem Beginn des Ukraine-Kriegs stagnierte das Finanzgeschäft und er entschied sich, zu einem geregelteren Arbeitsverhältnis bei der Bundesverwaltung zurückzukehren.

Schicksalhafte Ausstellung

Dadurch hatte Reddy plötzlich mehr Zeit und setzte sich intensiver mit der japanischen Kunstform auseinander. «Als wäre es Schicksal, veranstaltete der Bon-sai-Klub Bern genau zu dieser Zeit eine Ausstellung in Oberwangen», da habe es ihm «den Ärmel so richtig reingezogen», sagt Reddy mit einem Lächeln. Er kaufte sich mehrere Bonsais und begann sich mithilfe von Videos im Internet selbst zum Bonsai-Künstler auszubilden. «Wir leben im goldenen Zeitalter, alle Infos finden wir im Internet, ich konnte alles online lernen», klingt er begeistert.

Training mit 100 Büschen

Die Bonsai-Kunst bleibt aber nicht blosses Hobby des von Natur aus kompetitiven 35-jährigen. Als ihn ein guter Freund zur Teilnahme am Swiss New Talent Contest ermunterte, meldete er sich an – und gewann. Daraufhin folgte die Europameisterschaft in Spanien. Schmunzelnd erzählt Reddy: «Dabei gab es noch ein Missverständnis, ich kam fünf Minuten zu spät». Trotzdem war er schneller als seine Konkurrenten und zufrieden mit seinem Ergebnis – zurecht, denn er wurde mit dem 1. Platz ausgezeichnet. Bei solchen Wettbewerben gilt es, einen kleinen, wild wachsenden Busch innerhalb von vier Stunden so zu gestalten, dass er wie ein ausgewachsener Baum im Miniaturformat aussieht. Als Vorbereitung hatte Reddy über 100 solcher Büsche gestaltet. So gelang ihm der Sieg trotz fünf Minuten Verspätung.

Freude und Wissen weitergeben

Doch bereits vor diesen Erfolgen hatte Saimon vor allem ein Ziel: Bonsai für alle zugänglich machen. Seit Saimon aktiv mit der Bonsaikunst angefangen hat, ist er glücklicher und entspannter – diese Freude möchte er an seine Community weitergeben. Und diese wird stetig grösser. Vom 14-jährigen Schüler bis zur 80-jährigen Pensionierten sei alles dabei. Reddy ist innerhalb der Bonsai-Gemeinschaft eine Art «Star» geworden. Auf Instagram folgen ihm mittlerweile über 23000 Menschen. Er postet die Bonsaipflege und Gestaltung genauso wie die Pflege seines Gartens ganz allgemein.

Ein weiteres Ziel des Oberwangener Bonsai-Talents ist die Errichtung einer eigenen Bonsai-Permakultur auf einem Bauernhof, den er von seiner Mutter pachtet. Das Bauernhaus renoviert er zurzeit grösstenteils selbst, in den Ferien oder nach Feierabend. Die Leidenschaft für die naturnahe Kunstform ist spürbar. Auf seiner Website verkauft er alles, was es für die Bonsaipflege braucht und auch Bonsais selbst. Ob er bereits davon leben kann? Nein, der Schweizer Markt ist schlicht noch nicht gross genug. Zudem möchte er die Bonsaikunst zugänglicher machen, sprich er verkauft die Minibäume unter ihrem eigentlichen Marktpreis. Eine Hainbuche, deren Wert laut Reddy bei rund 2000 Franken liegt, bietet er für «nur» 790 Franken an. Durch seine Hände gingen bereits über 1500 Bonsai und, wenn er eines Tages davon leben könnte, würde er die Bonsaikunst zu seinem Hauptberuf machen. Bis jetzt reinvestiert er die Einnahmen direkt wieder in neue Bäume, den Bauernhof oder neues Material. So zeitaufwendig muss Bonsai aber nicht sein, betont Reddy immer wieder. Ist der Miniaturbaum einmal in der gewünschten Form, reicht oftmals gelegentliches Nachschneiden und Wasser geben. Bonsai könne mit minimalem Aufwand betrieben werden oder zu einem Lebenswerk heranwachsen. «Bonsai ist für alle.», sagt Reddy überzeugt.

Sein nächstes Ziel: Japan. Im Januar 2026 wird Saimon dort einen Monat lang bei renommierten Bonsai-Meistern lernen, der nächste Schritt auf dem Weg zu seinem Traum: Bonsai für alle.

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