Dafür dürften selbst die hartnäckigsten Gegner Verständnis aufbringen. Ende Oktober erlitt ihr Mann einen Schlaganfall. Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut und er werde gut betreut. Doch die Situation hat etwas ausgelöst, wie die Bundesrätin erklärt: «Ein solches Ereignis ist ein plötzlicher und unerwarteter Einschnitt, der nachdenklich stimmt und bei dem ich nicht einfach so weitermachen kann.»
Kritiker verstummen
Nationalrat Christian Imark (SVP) und einige andere haben damit ihr «Hobby» des lauthalsen Ausrufens gegen die Umweltministerin verloren. Mit der Botschaft von Sommaruga verhallen die Wortfetzen in den altehrwürdigen Mauern des Bundeshauses. Selbst Imark hat in der Sendung «10 vor 10» bei SRF versöhnlichere Töne angeschlagen. Bisher hat kaum je ein Bundesrat oder eine Bundesrätin aus persönlichen Gründen den Rücktritt bekannt gegeben.
Dennoch erntet die Umweltministerin Verständnis von rechts bis links. In Ihrer Partei gar eine ergreifende Flut an Dankesmeldungen. Auch die Gemeinde Köniz reiht sich ein und schreibt: «Die Gemeinde Köniz dankt ‹ihrer› Bundesrätin Simonetta Sommaruga für ihr langjähriges und engagiertes Wirken. Sie hat sich während zwölf Jahren als Justiz- und Energieministerin mit Überzeugung, Hartnäckigkeit und Freude für die Schweiz und die Menschen in unserem Land eingesetzt.»
Verdienste überwiegen
Nach einem Rücktritt folgt bald einmal der Rückblick. «Sie ist fähig, die Initiative zu ergreifen und auf Menschen zuzugehen. Sie arbeitet hartnäckig, bis sie die Brücke gebaut hat und das Ergebnis steht», lobt etwa SP-Fraktionschef Roger Nordmann. Ihre Teamfähigkeit streichen viele namhafte Politikerinnen und Politiker heraus. Jüngstes Beispiel ist die Einigung zwischen den verschiedenen Interessengruppen rund um die Wasserkraft.
Wenngleich nicht alle Begehren an der Urne erfolgreich waren, einige wichtige Dossiers hat sie dennoch ins Ziel gebracht; sie selbst erwähnt unter anderem das beschleunigte Asylverfahren, die Modernisierung des Zivil- und Familienrechts und nicht zuletzt die Entschuldigung der Landesregierung bei den Verdingkindern. Bundesräte, welche die Schweiz geprägt haben, bleiben zudem oft wegen eines prägenden Satzes beim Volk in Erinnerung. Unvergessen Adolf Ogis «Freude herrscht». Und Sommaruga? «Jetzt muss ein Ruck durch das Land gehen.»
Verdienste überwiegen
Die einschlägigen Medien fokussierten sich unverzüglich auf die mögliche Nachfolge der Bundesrätin. Klar, denn der SP bleibt wenig Zeit, bis am 7. Dezember die Wahlen in Bundesbern stattfinden. «Die Nachfolge soll wieder eine Frau antreten», meinte SP-Co-Präsidentin Mattea Meier schon wenige Stunden nach der Bekanntgabe des Rücktritts. Der Logik der Sozialdemokraten folgend leuchtet das ein, denn mit Alain Berset haben sie bereits einen Mann im Bundesrat und der Gleichstellung gehorchend soll der zweite Sitz von einer Frau besetzt sein.
Dennoch erntet diese Haltung auch parteiinterne Kritik. Der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch erachtet das Vorgehen als rechtlich fragwürdig. Er selbst stellt sich nun zur Wahl. Erinnerungen werden wach. Als Christian Roth vor gut einem Jahr nach 13 Jahren im Amt aus dem Könizer Parlament ausschied und meinte: «Ich weiss, dass ich als Mann in der SP vielleicht einen kleinen Nachteil habe.»
Der frei werdende Bundesratssitz beschäftigt in diesen Tagen die Parteien. Auch, ob jemand den zweiten SP-Sitz angreift? Die Grünen wollen der SP den zweiten Sitz offenbar nicht streitig machen. Wenn nicht jetzt, wann dann, fragen sich aber einige Vertreter an der Basis und aus dem Verteilgebiet dieser Zeitung. Und eine Könizer Nachfolgerin? Das ist wenig wahrscheinlich. Eine Neo-Könizerin hat es sich einen kurzen Moment überlegt und dann verzichtet: Pascale Bruderer. Sie war zwar Stände- und Nationalrätin aus dem Aargau, aber aufgrund ihres Privatlebens ist sie mittlerweile auch ein wenig eine Könizerin. Antreten will aber die Berner Regierungsrätin Evi Allemann.
Doch das ist Zukunftsmusik. Die harmonischen Klänge gehören zum Schluss sicherlich nochmals der Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Eine prägende Gestalt, die aus der Könizer Politik bis in den Bundesrat gelangt ist. Auch ein mögliches Szenario für Tanja Bauer? Das weiss niemand, aber Sommaruga ist ein schönes Beispiel, wie lebendig und ambitioniert in Köniz politisiert wird. Noch viel mehr aber ist es ein Moment einer Frau Danke zu sagen, die selbst beim Rücktritt Strahlkraft bewies. Als Brückenbauerin, als rücksichtsvoller Mensch, als mutige Person. Auch dafür steht ihr Rücktritt aus Rücksicht.