Es ist ein bewölkter, zeitweise verregneter Tag. Dennoch treffen am Nachmittag in der Stadtmatte-Siedlung die ersten Leute zur Einweihung des Projekts ein. «Wir haben riesige Freude», beginnt Markus Graf seine Rede und bedankt sich für die grosszügige Unterstützung aller Anwesenden. Zusammen mit Monique Aeschbacher, die Initiantin, Christoph Keller, Simon Vogelsanger und Evelyne Wernli ist er Mitglied der «Arbeitsgruppe Biodiversität» in der Stadtmatte.
Anfängliche Stolpersteine
Mit dem Bau der Stadtmatte-Siedlung, die es seit 2008 gibt, ging auch ein Begrünungskonzept einher. Dieses erfüllte die Anforderungen an die Biodiversität kaum. Deshalb riefen die Mieteigentümerinnen und -eigentümer ein neues Projekt ins Leben: Die Gestaltung neuer Lebensräume. Geplant waren eine Naturhecke sowie ein Weiher, der an der Hauptversammlung der Gemeinde jedoch abgelehnt wurde. «Wir wollten einen neuen Lebensraum und bewusst keinen innerhalb des Bestehenden erschaffen. So kann die Biodiversität gewährleistet werden», meint Monique Aeschbacher. Als sich der Besitzer des angrenzenden Landes schliesslich ebenfalls begeistert zeigte und genügend Sponsoren mit im Boot waren, stand der Umsetzung nicht mehr viel im Weg. Eigentlich. Denn schon bald tauchten Fragen und Grenzen auf. Wie gewinnt man die Mehrheit der Leute für die Abstimmung? Wie baut man eine Hecke? «Es gab einige Stolpersteine. Die restlichen Eigentümer waren natürlich anfangs kritisch und hatten verschiedene Sorgen, die es zu verstehen galt; etwa bezüglich des Aussehens der Hecke und der anfallenden Kosten. Da war es für uns wichtig, Klarheit über den Nutzen und Zweck des Projekts zu schaffen», blickt Aeschbacher zurück. Die Mehrheit der Leute zu überzeugen, sei ein grosser Aufwand gewesen, fügt sie an. Einer, der sich anscheinend gelohnt hat: Mittlerweile steht die Naturhecke, die mit Hilfe von Freiwilligen und Fachleuten gebaut und bepflanzt werden konnte.
600 Quadratmeter
Die Hecke, für einige auf den ersten Blick vermeintlich nur ein paar Hölzer und Steinhaufen, liegt auf einer 600 Quadratmeter grossen Fläche und besteht aus 200 einheimischen Sträuchern und Bäumen. Eine Strauchschicht bietet Lebensraum für Kleinsäuger, Käfer und verschiedene Vögel, wie etwa die Amsel oder das Rotkehlchen. Die Kleinstrukturen hingegen, die aus Steinhaufen, Baumstrünken oder Sand und Kies bestehen, dienen vielen Tieren wie Igeln, Schmetterlingen, Bienen und Eidechsen als Nistplätze, Verstecke oder Überwinterungsmöglichkeiten. Die Hecke stellt aber nicht nur Wohnraum, sondern zugleich auch eine wertvolle Nahrungsquelle dar: Etwa von den Beeren und Samen des schwarzen Holunders können sich 62 Vogelarten ernähren. Spätestens auf den zweiten Blick wird also klar: Hecken sind vielfältiger, als sie auf den ersten Blick scheinen. Sie bieten Unterschlupf und Lebensgrundlage für zahlreiche Pflanzen und Tiere. Dabei haben sie einen besonders hohen ökologischen Wert, wenn sie aus einheimischen Pflanzen bestehen, da sie ganzjährig Nahrung bieten. Christoph Keller schmunzelt: «Die Igel werden jetzt schönere Wohnungen haben als bis anhin.»
Es braucht Zeit
Was es nun braucht ist Geduld. Bis die Pflanzen eine zusammenhängende Hecke bilden und die Tiere den Raum besiedelt haben, gehe es zwei Jahre, weiss Aeschbacher. «Wir hoffen, dass die Tiere kommen», bemerkt Keller. Zumindest einen Bewohner hat die Hecke jetzt schon: einen brütenden Star. Als sich die Einweihung dem Ende entgegen neigt, das Apéro eröffnet wird und sich alle Anwesenden zufrieden über die gelungene Arbeit unterhalten, zeigt sich plötzlich und unerwartet die Sonne. Fast so, als ob sich die Natur auch noch bedanken will.
Nadia Berger