Fast hätten sie dabei unfreiwillig noch etwas länger Zeit gehabt. Ein Polizeifahrzeug vor dem Oberstufenzentrum kündigte an, dass etwas noch nicht stimmte. Eine verwirrte Frau besetzte die Aula, so dass sich die Parlamentspräsidentin gezwungen sah, die Polizei zu rufen. Unaufgeregt entfernte diese die Besetzerin und einer langen Debatte stand nichts mehr im Weg.
Plan B
Der Gemeinderat präsentiert ein ausgeglichenes Budget für das Jahr 2022. Es fusst allerdings auf einer Steuererhöhung von 1,49 auf 1,60. Wenn sich das Parlament dazu durchringt, kommt diese Vorlage vors Volk. Als beratendes Gremium gab zu Beginn die Finanzkommission ihre Empfehlungen ab. Präsident Dominic Amacher (FDP) gab zwar im Namen der FiKo grünes Licht, machte aber keinen Hehl daraus, dass die interne Abstimmung knapp ausfiel. Als Vertreter der FDP war er einer der Gegner. «Wir lehnen eine solche Erhöhung einstimmig ab. Dem Gemeinderat fehlt zudem ein Szenario, falls die Steuererhöhung beim Volk nicht durchkommt.» Einen solchen Plan B forderten einigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier. «Wir haben durchaus einen Plan ‹Berlinger, Brönnimann, Burren, Bestalozzi und Hans-Beter Kohler›», wehrte sich die Präsidentin Annemarie Berlinger-Staub mit einer Prise Humor. «Wir haben die Liste mit den freiwilligen Leistungen. Sie wird zusammengestrichen.» «Diese Leistungen als freiwillig zu bezeichnen ist irreführend», ermahnte Tanja Bauer (SP) ihre Ratskollegen. «Es sind Leistungen, die zwar nicht vorgeschrieben sind, aber in der Kompetenz der Gemeinde liegen, damit sie für mehr Lebensqualität und Chancengleichheit sorgen kann.» Die SP steht als einzige Partei von Anfang an hinter dem Budget, verbunden mit der Steuererhöhung auf 1,60.
Theoretisch dafür
Das tut grundsätzlich auch die EVP-glp-Mitte-Fraktion. «Wir stehen unerschüttert zu dieser Lösung», meinte etwa Matthias Müller (EVP). Aber viel lieber hätten sie einen Rückweisungsantrag durchgebracht, weil «die Abstimmungsbotschaft nicht überzeugt und so vor dem Volk keine Chancen hat, zumal die Konsequenzen einer Ablehnung nicht aufgelistet sind.» Das wollten die Antragssteller korrigieren und fanden von links bis rechts Sympathisanten. Beim Gemeinderat kam das gar nicht gut an. So sehr, dass – entgegen der Gepflogenheiten – nicht nur die Direktionsvorsteherin der Finanzen auf die Voten reagierte, sondern auch zwei ihrer Kollegen. «Das Parlament würde damit schon im August einen budgetlosen Zustand beschliessen», äusserte sich Thomas Brönnimann (GLP) besorgt. Gar schon etwas echauffiert klang der sonst so ruhige Christian Burren (SVP): «Ich höre nur immer, dass man eine Steuererhöhung vor dem Volk verliert. Ihr kapituliert schon vor der Abstimmung. Dieses Verhalten ist eine Bankrotterklärung der Könizer Politik.» Die Schelte schien ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Eigentlich hätten die Befürworter im Parlament eine Mehrheit, wäre da nicht dieser Rückweisungsantrag, der die Parteien vor eine schwierige Entscheidung stellte. Ein Sitzungsunterbruch sollte den Fraktionen Zeit geben, sich neu zu beraten.
Botschaft fit gemacht
«Warten wir mal ab, was der Gemeinderat sagt», äusserte sich David Burren für die SVP vor dem Unterbruch, unterstrich jedoch deren Unmut über die Höhe des neuen Steuerfusses. Nach der Schelte meinte er: «Wir lehnen das Budget ab, sonst sind wir nicht glaubwürdig. Aber wir haben auch festgestellt, dass eine Rückweisung nicht zielführend ist.» Ganz ähnlich klang es bei den Grünen. David Müller skizzierte eine neue Lösungsvariante: «Wir beantragen statt der Rückweisung, folgende Änderungen in der Abstimmungsbotschaft: eine Begründung anzugeben, weshalb der Steuerfuss 1,60 und nicht 1,54 lautet, die konkreten Konsequenzen bei Ablehnung anhand der Liste der freiwilligen Leistungen aufzuzeigen sowie den integrierten Aufgaben- und Finanzplan und die Liste der freiwilligen Leistungen der Abstimmungsbotschaft beizulegen.» Zusammen mit den Änderungen der FiKo, der SVP und den Grünen machte das Parlament die Botschaft fit fürs Volk. Die Rückweisung war damit nicht mehr mehrheitsfähig, das Budget mitsamt Steuererhöhung umso mehr. Mit 22 Ja-Stimmen und 13-Nein bei 3 Enthaltungen, nahm das Parlament das Budget an. Damit geht die Vorlage über die neue befristete Steueranlage von 1,60 am
28. November vors Volk.
Mit Blick auf die verlorene Abstimmung zur Steuererhöhung auf 1,54 vor wenigen Jahren wartet noch viel Überzeugungsarbeit auf die Befürworter; ganz gleich wie verständlich nun die Botschaft ausfällt. «Die Fakten sind bekannt, steigende Zahlungen an den Kanton, steigende Abschreibungen und keine Reserven mehr, wir müssen diesen Schritt nun tun», äussert sich die Gemeindepräsidentin Annemarie Berlinger-Staub. «Wer das ablehnt, muss mehrheitsfähige und relevante Sparvorschläge bringen», mahnte Matthias Müller (EVP). «Die Vorschläge der FDP waren bisher kümmerlich», revanchierte er sich bei den Liberalen. Diese hatten die Mitte-Fraktion vorgängig aufgrund ihrer befürwortenden Haltung zur Steuererhöhung als «orientierungslos» bezeichnet. Die FDP steht dazu: Sie will keine Steuererhöhung, dafür noch mehr Einsparungen sowie eine Wirtschaftsförderung. Deshalb ruft sie nach Szenarien, Szenarien für Skeptiker. Für jene, die davon ausgehen, dass man 8 Mio. Franken einsparen kann oder die Lage noch nicht so bedrohlich ist und mit ein paar Liegenschaftsverkäufen Zeit zu gewinnen ist, alles wieder ins Lot zu bringen. Eine Mehrheit im Parlament sieht das aber anders. Sie wollen keine Szenarien mehr, sie erachten die Steuererhöhung als unumgänglich.


