Tierbeheimatung statt Tierhaltung

Tierbeheimatung statt Tierhaltung

Ob Stubentiger oder Muni: «Wer Tiere hält hat Pflichten. Es sind Lebewesen, die ihren natürlichen und sozialen Bedürfnissen nachkommen müssen. Mit der Initiative will das Komitee die Bedingungen für Nutztiere verbessern. Führt der Weg über die Regulierung der Tierbestände zum Ziel?

Ein dutzend Kühe entsenden ihren Glockenklang über die Südhänge Guggisbergs. Die steilabfallenden Wiesen sind markiert von den Trampelpfaden, welche die Paarhufer im Laufe der Jahre in den Hang gezeichnet haben. Verbindungen entlang derselben Höhe, damit der Gang zu frischem Gras etwas angenehmer wird. Weiter oben thront das malerische Bauernhaus mit einem Stall, der einen direkten Auslauf auf die meisten Wiesen ermöglicht. «Früher waren es 13 Kühe», meint der Landwirt und blickt auf den renovierten Teil. Dicke Strohbetten, frische Luft und helles, neues Holz sind für diese Kühe keine Notunterkunft, sondern ein Daheim, täglichen Weidegang mit Aussicht inklusive. Der Umbau des Wohnhauses musste warten. «Zuerst kommen die Tiere», so hat man das gelernt. Nie hätte der Landwirt gedacht, dass aus der gesamten Stalllänge am Schluss gerade mal zwei Zentimeter fehlen, damit eine 13. Kuh – nennen wir sie Olga – hier wohnen dürfte. Ob Olga in diesem Daheim wegen zwei Zentimetern weniger glücklich wäre? Der Blick aus Sicht der der Kuh vermag da Antwort zu geben. Sie sieht eine saftige Weide, genügend Stroh, Kontakt zu Artgenossen, frische Luft und genügend Licht. Die Bewerbungsunterlagen würde sie höchstwahrscheinlich ob mit oder ohne diese Zentimeter einreichen.
Was ändert sich?
Was hat dieses Beispiel mit Massentierhaltung und der Initiative zu tun? Der Fall würde mit oder ohne Annahme dieser Vorlage so ausschauen; und das ist der Punkt: Zurecht monieren die Bürgerlichen und eine Vielzahl an landwirtschaftlichen Interessenverbänden, dass die Schweiz ein besonders strenges Gesetz kennt. Und doch gibt es sie noch: die Meldungen von zu Tode zertrampelten Hühnern, psychisch stark geschädigten und gestressten Tieren, humpelnden Schafen, die sich einen Sommer lang durchschlagen, bis sie dann vom Wolf gefressen werden, solchen, die im Dreck oder auf Metallrosten liegen müssen, statt sich darin zu suhlen, und jenen, denen jeglicher Kontakt mit Artgenossen verwehrt wird. Diese Tiere sind auf Menschen angewiesen, die für sie einstehen. Das tun die Initianten, aber eben nicht nur diese.

Nicht nur Nutztiere
Nun kann man nicht von Ausnahmen auf die Allgemeinheit schliessen und die Landwirte per se verunglimpfen. Das wäre in etwa so, wie wenn man keine Pizza mehr essen würde, weil der eine Pizzaiolo vor 20 Jahren einmal eine verdorbene Sardine auf den Teig geschmissen hatte. Sehr wohl aber scheint das System noch nicht an dem Punkt zu sein, wo die Berücksichtigung der sozialen und natürlichen Bedürfnisse der Tiere vollends erfasst ist. Darf man frisch geborene Kälber in Einzelhaft in Iglus halten? Die Gesellschaft ist im Namen der Tiere gebeten, darüber zu diskutieren und zu befinden. Müssten die Gesetze rund um die Tierhaltung nicht losgelöst von den Nutztieren gemacht werden? Ein Blick in die derzeit prall gefüllten Tierheime genügt und man erkennt, was die «Abteilung Heimtiere» alles vebockt, und da fordert keine Initiative beispielsweise die Auslaufpflicht für Katzen. Wäre aber vielleicht gar keine schlechte Idee oder was meinen Sie?
Heimat statt Haltung
In diesem Sinne kann man die Abstimmung auf eine höhere Ebene stellen, etwa aufs Guggershörnli. Dieser Rundumblick verrät zum einen, dass die meisten Tiere friedlich weiden und deutlich weniger Stress haben als ihre Halter, die Bauern, wenn sie etwa vor dem Gewitter noch das Heu einbringen wollen. Es sind Nutz- und Heimtiere zugleich, die mitunter immer noch leiden. Wieviel also einseitig strengere Massnahmen bringen oder ob es nicht an der Zeit wäre, die Tierhaltung per se endlich konsequent nach den Bedürfnissen der Tiere auszurichten? Entscheiden Sie selbst. Aus Sicht von Stubentiger, Muni und Olga muss noch manche Windböhe über Guggisbergs Südhang fegen, bis die Einsicht in den Köpfen reift, dass Tiere keine «Haltung» brauchen, sondern «Heimat». Tierbeheimatung statt Tierhaltung. Und zwar für alle.

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