«Man muss tolerant sein und verzeihen können. Nicht nur der Partnerin gegenüber, sondern auch sich selbst», wiederholt der 93-jährige Walter Gilgen, wenn er nach einem Rezept für so viele Ehejahre befragt wird. «Es hat es nicht immer einfach gehabt», sinniert der Ehemann weiter. «Es», so nennt Walter Gilgen seine Ehefrau, sei mit 18 Jahren in die Ehe gekommen, habe auf vieles verzichten müssen. Er habe seine Flegeljahre ausgelebt gehabt, als er mit 25 Jahren geheiratet habe.
Mit 18 Jahren schwanger
Vermutlich war es dazumal tatsächlich für alle Beteiligten nicht ganz einfach, als die 18-jährige Bauerntochter Therese Burren vom Sohn des Nachbarbauernhofes schwanger wurde. «Der Walter ist schon recht, aber muss es wirklich jetzt schon sein?» So das Urteil der Mutter.
Abtreiben kam auf keinen Fall in Frage. Obwohl die schwangere Therese Hilfsangebote aus der Verwandtschaft bekam, entschloss sich das Paar dann doch zur Heirat, aus Liebe. Der erste gemeinsame Sohn kam im Februar 1948 zur Welt.
Ein zweiter Sohn verunglückte mit drei Jahren beim Schlitteln tödlich. Ein Schicksalsschlag, den es zu verdauen galt. 1953, 1956 und 1962 wurden noch drei Töchter geboren.
Aufeinander angewiesen
1954 übernahm das Ehepaar Walter und Therese Gilgen den Bauernhof vom Vater des Mannes. 30 Jahre hatten die beiden zusammen den Hof bewirtschaftet. «Beim Bauern ist man aufeinander angewiesen. Als Bauernfrau wurde man gebraucht, bekam aber auch Anerkennung», blickt die agile 88-Jährige zurück. 53 Jahre lang habe sie im Frauenchor mitgemacht, was ihr sehr viel bedeutet habe.
In der Ehe-Beziehung sei sie die Weltoffenere und Wildere gewesen. Walter Gilgen eher der ruhigere und örtlich Bezogene. Als die Kinder dann erwachsen waren, reiste das Paar regelmässig in eine Ferienwohnung in Adelboden, wo es Zeit für sich hatte. «Das hat mir viel bedeutet, ich vermisse Adelboden heute noch manchmal», so Therese Gilgen. Nur einmal hätten sie vier Tage im Ausland verbracht: «Eine Reise mit dem Car durch Oberitalien».
Aufgehoben in der Grossfamilie
1984 übergaben sie den Hof ihrem ältesten Sohn. Inzwischen wirtschaftet bereits der Grosssohn. Auch die Urgrosskinder seien schon um die 20 Jahre, und der Fortbestand des Hofes vermutlich gesichert, stellt Walter Gilgen zufrieden fest.
Es klopft an der Türe und die Gross-Schwiegertochter bringt das Mittagessen. Ja, sie fühlen sich gut aufgehoben mit der Familie des Enkels nebenan und dem Sohn im oberen Stock. Auch die Töchter kümmern sich um sie.
Auf dem Hof mithelfen? Dafür sei er mittlerweile zu schwach, stellt der Altbauer fest. Den grössten Knacks habe es ihm gegeben, als er seinen Führerausweis aus Altersgründen abgeben musste. «Immer auf andere Leute angewiesen sein ist nicht angenehm.»
In der Grossfamilie, mit ihren vier Kindern, acht Grosskindern und drei Urenkeln, fühlt sich das Paar wohl. «Auch mit der Gesundheit sind wir zufrieden».