In dieser Ausgabe heisst der Gesprächspartner Max Ungricht. Er ist 74 Jahre alt, liebevoller Grossvater von sechs Grosskindern, Hundebesitzer und seit rund 50 Jahren mit der Familie in Niederscherli. Aber auch darüber hinaus führt er keineswegs ein 08/15-Leben. «Mit 20 bin ich in Holland Autorennen gefahren, aber nach fünf Jahren war damit Schluss, wegen (oder Dank) Familienzuwachs», sagt er.
Flugzeug statt Auto
Nach dem Racing-out fehlte dem eingefleischten «Motörler» aber etwas, deshalb begann er nach einigen Jahren eine Pilotenausbildung. «Geradeaus fliegen von Bern zum Matterhorn und wieder zurück war nicht mein Ding». Die anschliessende Kunstflugausbildung war der fliegerische Kick. Von 2000 bis 2010 war Max Coach der Schweizer Kunstflugnationalmannschaft. Bis 70 flog er auch seine eigene Kunstflugmaschine – dann war Schluss. «Nicht weil ich musste, sondern weil es einfach gut so war». Und: «Kunstflug ist zwar Sport, aber auch Sicherheit. Eigentlich sollte jeder (Berufs-)Pilot diese Ausbildung absolvieren müssen». Nun steht sein ‘altes Hobby’ wieder im Vordergrund: Autorennen. Oli Vetter aus Niederscherli hat ihm einen NSU TT von 1969 neu aufgebaut. Dieses Rennfahrzeug hat keine Strassenzulassung und muss auf dem Anhänger transportiert werden. Zu Oldtimeranlässen, zumeist ohne Zeitmessung und ohne ein Qualifying: «Diese Treffen unter Gleichgesinnten machen riesigen Spass, alle Teilnehmer haben ein Lächeln im Gesicht. Kein lautes Wort, keine Missgunst, das ist echte Lebensqualität.»
Einige Jahre Auslanderfahrung
Der aus Urdorf stammende Neuberner hat in Zürich eine Lehre als Feinmechaniker absolviert. Die folgenden Jahre im Ausland haben ihn geprägt. An seinem ersten Arbeitsplatz in Holland hat er seine zukünftige Frau Mieke kennen gelernt. Zwischenzeitlich sind die Zwei schon über 50 Jahre verheiratet. Nach einem beruflichen Abstecher nach Luxemburg folgte Israel (1973 – 1977) und die Geburt der ersten Tochter. In Niederscherli sind die Ungricht’s dann schon fast zufällig gelandet: «Mir wurde ein interessanter Job in Bern offeriert. Ein Inserat zur Wohnungssuche brachte uns schliesslich nach Scherli – ich hatte zuvor noch nie von diesem Ort gehört» schmunzelt er. Trotz mehr als 40 Jahren Bern ist ihm der Züri-Dialekt geblieben: «Dialekt hin oder her, ich bin glücklich, hier zu sein». Im Jahr 2000 folgte der Sprung in die Selbstständigkeit und er übernahm die Vertretung eines deutschen Flugzeugherstellers. Damit wurde sein Hobby zum Beruf.
Cockpit-Chefredaktor
Als im Fachmagazin «Cockpit» ein fehlerhafter Bericht über die Flugzeuge dieses Herstellers erschien, intervenierte Max beim Verlag. Auf die Frage des Verlagsleiters, ob er denn aus der Fliegerszene einen neuen und geeigneteren Chefredaktor vorschlagen könne, sagt Max ohne zu zögern: «ja, mich». Quintessenz: Er leitete die Redaktion von 2004 bis 2013 und führte daneben noch zwei weitere kleine Firmen (Vertrieb, PR-Agentur).
Das Swiss Air Racing Team entsteht unter Max Ungricht
Der «Hans Dampf in allen Gassen» stellte auch das Swiss Air Racing Team mit dem Piloten Don Vito Wyprächtiger auf die Beine. Vito gewann 2013 als erster Ausländer das prestigeträchtige Rennen in Reno (USA). Und machte damit Max genau an diesem Tag ein unvergessliches Geschenk zu seinem 65. Geburtstag. Bereits im Jahr 2011 startete der Uhrenhersteller Oris mit einem zugekauften Occasions-Flugzeug den Versuch, in Reno Fuss zu fassen. Max begleitete das Team in beratender Funktion. Wenn man beim ersten Einsatz schon Zweiter wird, dann bleibt für die weitere Zielsetzung wenig Raum: Siegen. Max Ungricht wurde angefragt, ein Team aufzubauen und damit die technischen, organisatorischen und finanziellen Belange zu übernehmen. Das war die Geburtsstunde des Swiss Air Racing Teams. Das Team gewann 2013 unter seiner Leitung das Rennen in der Kategorie «Formula One». Bei diesen Rennen starten jeweils über ein Dutzend Rennflugzeuge gleichzeitig, was nicht ungefährlich ist. Bis zu 300’000 Zuschauer sind am Rennwochenende vor Ort.
Nun, wie sinnvoll sind solche Anlässe? «Es ist eine technologische Herausforderung. Nur wer innovativ ist, hat eine Chance. Unser Flugzeug war der Versuchsträger einer neuen Oberflächenstruktur (Riblets). Solche widerstandsvermindernden Oberflächen können in vielen Anwendungsbereichen eingesetzt werden. Zum Beispiel den Energieertrag einer Windanlage um 6 % steigern und gleichzeitig die Lärmemission um 5 % reduzieren. Auch Verkehrsflugzeuge verwenden neu diese Technologie (z.B. die Lufthansa). Damit werde Tausende von Tonnen Treibstoff eingespart».
Max Riesen