Von USA-Offiziellen und Russen-Tussen…

Von USA-Offiziellen und Russen-Tussen…

Für Recherchen in Zusammenhang mit meinem Kriminalroman FEHLSCHUSS (erscheint diesen Herbst) war ich kürzlich in Warschau, weil die Handlung auch in der polnischen Hauptstadt und in Lodz spielt (das sich übrigens als «Woodsch» ausspricht). Und manchmal werde ich das Gefühl nicht los, dass ich Aussergewöhnliches wie ein Magnet anziehe, damit sich daraus wieder eine Realsatire ergibt. So wie diese hier…

Auf dem Flug nach Warschau sitzt ein ungefähr 35-Jähriger neben mir, gegen 175 cm gross, Muskelmann mit Muni-Nacken, sehr kurze Haare. Ich vermute in ihm einen Einheimischen aus Polska. Spontan frage ich ihn. «Nein, ich bin Amerikaner», kommt sec retour, keine weiteren Angaben oder Fragen, woher der Neugierige neben ihm kommt. «Was machen Sie in Polen?» – «Ich arbeite dort.» Aha. Im Gegensatz zu seinen Landsleuten scheint er ein Stiller. «Schon lange?» – «Einige Jahre.» – «Arbeiten Sie dort auf der Botschaft?» – «Nein.» Aha. «Woher kommen Sie aus den USA?» Er nennt mir eine Stadt, die ich selber sehr gut kenne, er bekommt das auch zu hören (welche Stadt genau sei hier nicht verraten, ich will ja nicht, dass der Mann oder ich via NSA Troubles bekommen, ebenso ist seine Beschreibung deshalb leicht verfälscht). Im Normalfall brechen nach einer solchen Feststellung bei allen Amerikanern kommunikativ sämtliche Dämme. Nicht so bei meinem Sitznachbarn, er quittiert lediglich mit einem «Nice.» Spätestens jetzt ist klar: Er hat keine Lust, sich mit mir zu unterhalten. Demonstrativ nimmt er seinen Laptop, den er ebenso demonstrativ von mir wegdreht (als ob mich interessieren würde, was er macht…). Sein Bildschirm ist jedoch derart hell, dass es Spiegelungen im Fenster gibt. Und was ist da – Irrtum vorbehalten – während einiger Sekunden kurz zu sehen, «waseliwas»? Das Logo einer bekannten Institution aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die durch drei Buchstaben bekannt ist.

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Unter uns, und das so nebenbei: Nicht nur die Altstadt Warschaus – im Krieg von den Nazis völlig zerstört und anschliessend originalgetreu wieder aufgebaut – ist eine Reise wert. Unzählige Gebäude stalinistischer «Baukunst» zeugen noch heute davon, dass Polen unfreiwillig während Jahrzehnten unter der Knute der UdSSR stand. Und beim Kauf von bekannten Medikamenten stellen wir mit Ernüchterung fest, wer denn die Kosten für Forschung und Entwicklung dieser Präparate bezahlt, nämlich wir Schweizer für die ganze übrige Welt. Wie sonst ist es zu erklären, dass Produkte bekannter Schweizer Pharmakonzerne in Polen viermal (!) weniger kosten?

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Und jetzt zur Rückreise, respektive zu den Vorkehrungen dazu. Bei der Sicherheitskontrolle steht eine Russin (ich habe ihren Pass gesehen) vor mir, die sämtliche Vorurteile von «Tussen» auf sich vereinigt und bestätigt: Ungefähr 185 gross (wobei die Highheels ihrer bis über die Knie reichenden schwarzen Lederstiefel 16 bis 17 cm ausmachen), extrem schlank, schätzungsweise 35 Jahre alt, schwarze Leserhosen, eine Art Federkleid als Top, das Josephine Baker zu Ehren gereicht hätte, lange blonde Haare, ein Malkasten im Gesicht, affektiertes Getue, das Handy am Ohr. Ein Bündner würde die Dame wohl kurz und bündig als «e Kaatz» bezeichnen. Wie auch immer: Auch die Lady muss ihre Louis-Vuitton-Tasche aufs Förderband legen. Aber nicht lange, denn nach wenigen Augenblicken läuft das Band retour und sehr zur Verwunderung unserer Dame muss sie diese öffnen, worauf ihr der Beamte erklärt, dass verschiedene «Kosmetikgütterli» nicht ins Flugzeug mitgenommen werden dürfen. Was jetzt folgt, ist ganz grosses Kino. Madame ist zutiefst bestürzt, zieht eine Show ab, die jedem Hollywood-Regisseur als Vorlage dienen könnte. Resultat: Nach gefühlten zehn Minuten Showtime und einer immer länger werdenden Kolonne hinter ihr nimmt man sie zur Seite. Keine Ahnung, was dann passiert ist.

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Weil unser Flugzeug eine halbe Stunde Verspätung hat, verziehe ich mich in die Ecke eines Restaurants, um die Warschau/Lodz-Erlebnisse aufzuschreiben. Und wer kommt zehn Minuten später daher, mit «Rollköfferli» und das Handy am Ohr, für alle Anwesenden gut verständlich parlierend, sofern des Russischen kundig? Genau. Blödi Chue. Setzt sich an die Theke und spricht nonstop. Alle Anwesenden amüsieren sich – um es einmal diplomatisch auszudrücken.

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Und nun dürfen Sie nur einmal raten, neben wem ich die Ehre auf dem Rückflug habe. Super, gell? Nonstop schaut sie sich im kleinen Spiegel an, zieht irgendwelche Striche nach, drückt ständig ihre Lippen zusammen. «Was machen Sie in der Schweiz?», will ich als einzig gestellte Frage vom Duftschrank wissen. «Private Relations.» Soso. Schade, kommt in Kloten ihr Koffer als Erster aufs Förderband, sodass sie im grossen Stil vor allen anderen «abhuschen» kann. Zu gerne hätte ich nämlich gewusst, wer sie abholt… Aber äbe.

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