Von den rund 20 Grossrätinnen und Grossräten aus dem Verteilgebiet dieser Zeitung erfährt man durchwegs positive Rückmeldungen. Dominique Bühler hat ihr Amt als Präsidentin des Grossen Rates im Griff, wertschätzende Worte und Fallbeispiele gibt es zuhauf. Die Grossrätinnen und Grossräte verwundert das nicht. Solche Komplimente hört Dominique Bühler zwar gerne, aber ihr Fokus liegt auf dem Erreichen der an sie gestellten Aufgaben: «Ich will Lösungen und Gemeinsamkeiten finden.» Das klingt genau nach Dominique Bühler, werden sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus Köniz sagen. Pflichtbewusst und zielstrebig Richtung Entscheide, die Hand und Fuss haben.
Wie das Jahr sie verändert hat
Aber etwas ist anders, sie wirkt gelassener und ruhiger. Täuscht der Eindruck? «In diesem Jahr ist die Einsicht gereift, dass ich mitgestalten will, dass ich etwas bewegen kann und das motiviert, das treibt mich an.» Sie beschreibt damit den Hauptgrund, weshalb sie für den frei werdenden Sitz von Hansueli Pestalozzi (Grüne) im Könizer Gemeinderat kandidiert. «In der Exekutive habe ich einen Gestaltungsraum, den ich nutzen kann», sagt sie und ihre Miene erhellt sich gleichzeitig. Vorfreude schwingt mit; der Wille, vieles aus dem Präsidialjahr mitzunehmen, um die Herausforderungen der Zukunft in Köniz so anzugehen, wie man es von Bühler kennt: vereinen und lösen.
Mit der Präzision einer Wissenschaftlerin
Die Politik muss der Bevölkerung dienen. Interessen, Gesetze und Bedürfnisse prallen oft aufeinander und vermengen sich zu einem komplexen grossen Ganzen. Als dossiersicher gilt dann, wer die Details kennt und die Zusammenhänge ursächlich verstehen kann. Auch das eine Eigenschaft, die auf Bühler passt. Nur hat sich auch hier etwas verändert: «Wenn man Wissenschaftlerin ist, will man immer alles verstehen.» Dann muss sich lachen und ergänzt: «Als ich anfing, hatte ich immer das Gefühl, ich bekomme die komplexen Themen. Heute bin ich froh darüber, denn so lernt man und wächst an seinen Aufgaben.» Es ist durchaus nicht selbstverständlich, dass die Wissenschaftlerin für den Gemeinderat antritt. Sie verlässt damit eine Karriere und einen internationalen Beruf. «Ich muss vor grossen Entscheidungen immer ein paar mal darüber schlafen, dann aber bin ich umso überzeugter und voller Elan dabei.» So war das auch mit der Gemeinderatskandidatur.
Eine Zeit, in der alles zusammenkommt
Spätestens jetzt muss die Frage an die 41-Jährige gestellt werden, wie sie denn alles vereinen könne? Denn es gibt etwas, dass sie von allen anderen Grossratspräsidentinnen zuvor unterscheidet: Dominique Bühler ist Mutter und derzeit schwanger. «Die Familie und mein Mann haben mich bestärkt, diesen Weg zu gehen», lautet die einfache und doch so vielsagende Antwort. Es schwingt etwas Natürliches mit: «Ich bin in einem Alter, in dem alles zusammenkommt. Familie und Karriere. Aber ich bin voller Elan und Energie.» Und wieder muss sie lachen und ergänzt: «Ich kann zumindest sagen, dass ich mich gut organisieren kann, und im Multitasking bin ich auch gut geworden.» Doch die Tatsache hat auch eine ernste Komponente, eine Frage an die Adresse unserer selbst, als Gesellschaft und als Journalistinnen und Journalisten. «Würden wir gleich viel Aufsehen erregen, wenn ein Mann bald Vater würde, den Grossrat präsidiert und kurz darauf für den Gemeinderat kandidiert? Wohl kaum.
Entstauben und erneuern
Dominique Bühler steht sinnbildlich für eine Generation in der Frauen wie selbstverständlich an der Spitze stehen. Ihr Präsidialjahr wird in die Geschichte eingehen als jenes, in dem Nationalrat, Grossrat, Stadt Bern, Gemeinde Köniz allesamt von Frauen präsidiert werden. «Es ist schön, Teil eines neuen Bildes zu sein und so auftreten zu dürfen», betont sie und ergänzt eine Erinnerung, die ihr viel bedeutet: «Ich habe bei all meinen Besuchen von vielen Frauen gehört, dass sie sich darüber freuen, auch solche, die parteipolitisch weit weg von mir stehen.» Ein Frauenteam an der Spitze – es sollte längst selbstverständlich sein und dennoch steht es gleichzeitig für eine Vorbildfunktion, die Bühler einnimmt und die möglichst vielen Frauen Mut machen soll, bis es endlich wirklich selbstverständlich ist und nicht mehr als Sonderheit beschrieben werden muss. «Ich hatte sicherlich einen etwas anderen Auftritt als Grossratspräsidentin. Aber ich glaube, es hat dem Amt nicht geschadet, wenn es etwas aufgefrischt und entstaubt wurde.»
Mission erfüllt. Am 2. Juni übergibt Dominique Bühler das Amt in die Hände von Edith Siegenthaler (SP), einer weiteren Frau, die im exakt gleichen Alter ist und einen wissenschaftlichen Hintergrund mitbringt. Der Beginn einer Ära, welche die Könizerin massgeblich mitgeprägt hat. Jenes der verlässlichen, handfesten Politik. «Wenn ich etwas nicht mag, dann diese geschliffenen Politiker, bei denen man nie weiss, woran man ist», sagt sie zum Schluss. Sie macht es vor, wie man authentisch bleiben kann. Eine Frau, die als Grossratspräsidentin und darüber hinaus vorangeht, vereint und verändert.