Es ist nicht nötig, sich als besonders offenen und toleranten Menschen zu positionieren, um dem Projekt «Diaspora TV» Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Es reicht durchaus, wenn man ein Mensch mit Verständnis für praktische Angelegenheiten ist. Mark Bamidele Emmanuel ist Gründer, Chefredaktor und Geschäftsleiter des TV-Senders, der seit einem Jahr besteht. Sein Weg nach Köniz war lang. Er führte ihn seinerzeit als Flüchtling aus Nigeria in die Schweiz, nach einer Rückweisung erfolgte später die erneute Einreise und die Anerkennung als Flüchtling. Danach absolvierte er ein Studium an der Fachhochschule und die Ausbildung zum TV-Produzenten. Die Gründung des Senders war für ihn die Fortführung seines Weges. Ohne, dass er dafür seine Umgebung verlassen musste. Die Fragen, was er für die Integration von Migranten und damit für die Gemeinschaft tun kann, konnte er sich in Köniz stellen. Und beantworten. «Ich fragte mich, wie lange ich Ausländer sein will», sagt Mark Emmanuel, «und ich kam zu der Überzeugung, dass der Wille zur Integration entscheidend ist. Nicht die Anzahl Jahre, die man in einer neuen Heimat verbringt.» Er findet, dass in der Schweiz zwar viel für die Integration von Migranten gemacht wird, «manchmal fast zu viel, das zwar gut gemeint ist, sich aber zu wenig an den täglichen Bedürfnissen der Betroffenen orientiert.» Dies war seine Motivation zur Gründung des TV-Senders.
Der Gemeinde etwas zurückgeben
Mark Emmanuel lebt seit fast 20 Jahren in der Schweiz, seit 2005 in Köniz. «Meine Familie und ich fühlen uns hier zu Hause», sagt er und: «Ich will der Gemeinde etwas zurückgeben.» Damit spricht er das unbürokratische Verhalten der Behörden an, als diese seinerzeit den Erhalt der Aufenthaltsbewilligung für ihn vorantrieben. Diese ermöglichte Mark Emmanuel den Bezug von Stipendien zur Finanzierung seines Studiums. Danach gab es für ihn keinen Zweifel: «Wenn ich etwas unternehme für die Allgemeinheit, dann wird es in Köniz sein.» Er organisierte im Jahr 2017 ein Meeting mit mehreren Migranten-Organisationen. Um zu erfahren, welches die alltäglichen Bedürfnisse der unterschiedlichen Gemeinschaften sind. Mark Emmanuel will die Vernetzung möglichst vieler Migranten. Unabhängig von deren kulturellem Hintergrund. «Wir müssen positiv sein», sagt er, «wir müssen auch geben, nicht nur nehmen.» Seine 27 Mitarbeitenden bringen diese positive Überzeugung mit. Sie sind verteilt über die ganze Schweiz und arbeiten unentgeltlich. Zur Produktion der Sendungen kommen sie nach Köniz, die News werden derzeit in 8 Sprachen produziert, präsentiert von jeweiligen Landsleuten. Die Sendungsinhalte sind unterschiedlich, weil abgestimmt auf die jeweilige Gemeinschaft. Weitere 30 Mitarbeitende sind für «Diaspora TV» im Ausland tätig und beliefern den Sender mit Informationen aus den Heimatländern der Migranten.
Werte und Wissenslücken
«Durch die hohe Anzahl an Journalisten unter den Migranten», so Mark Emmanuel, «fällt es uns leichter, Wissenslücken professionell zu füllen. Auch wenn Migranten bestrebt sind, sich rasch zu integrieren: Sie wollen nicht alles wissen über schweizerische Themen. Ihre Bedürfnisse sind einfach anders.» Das Gesundheitswesen ist eines der Beispiele. Viele Migranten seien sich nicht bewusst, was die Franchise bedeutet. Und würden deswegen vielleicht keinen Arztbesuch machen. Wie das System mit den Radio- und Fernsehabgaben funktioniert, sei oft unklar und auch der Ablauf eines Asylverfahrens. «Dabei», führt der TV-Macher aus, «sind unsere Live-Talkshows sehr hilfreich, die wir in loser Folge produzieren.» In diese Sendungen können sich die Zuschauer telefonisch einschalten und Fragen stellen. «Das schafft Vertrauen, somit erreichen wir die Menschen.» Nebst der vermittelnden und beratenden Tätigkeit steht für Mark Emmanuel eine Vision im Vordergrund: «Wir wollen Werte vermitteln. Wie erklären wir beispielsweise den Menschen, dass in der hiesigen Kultur Millionen verwendet werden für den Aufbau der Kathedrale Notre Dame, wo doch ein grosser Teil der Weltbevölkerung unter Hunger leidet?» An Herausforderungen wird es ihm und seinem Team in Zukunft nicht fehlen. Auch was die Wirtschaftlichkeit betrifft. «Diaspora TV» finanziert sich durch Gönnerbeiträge und durch externe Filmaufträge, die er produziert. Eines Tages, so hofft Mark Emmanuel, werde sein Projekt durch Subventionen unterstützt. «Gegenüber Werbung sind wir offen, aber sehr zurückhaltend. Wir wollen dabei auf die verschiedenen Kulturen Rücksicht nehmen und uns klar von jeder politischen oder religiösen Ausrichtung distanzieren.»