«Ich sollte mich nicht aufregen», sagt der Gründer der Roth Transport AG. «Eigentlich bin ich zu alt dafür. Aber ich finde es falsch, dass wir Fahrer als Arbeiter zweiter Klasse behandelt werden. Dabei helfen wir jeden Tag, dass die Grundversorgung funktioniert.» Die Camionneure haben Parkplatz-Probleme, in Bern, in Köniz und in vielen anderen Zentren. «Unsere Güter dürfen wir nur innerhalb strikter Zeitfenster abladen, während des Umschlags müssen wir warten und verlieren dadurch wertvolle Zeit», erzählt Roth und ergänzt: «Wenn eine Abladestelle besetzt ist, stauen sich die nachfolgenden LKWs auf der Strasse. Ich selbst musste schon mein Fahrzeug illegal auf dem Berner Waisenhausplatz abstellen und die Waren auf einer Palette mit dem Handroller zwei Gassen runterschleppen. Der Chauffeur ist immer der Dumme.» Als Fahrer suche man auf gut Glück einen geeigneten Ort und hoffe, dass man keine Busse erhält. Solche Szenen gebe es je länger je mehr. Aus Roths Sicht wurde mit dem geplanten Polizeizentrum an der Autobahneinfahrt in Niederwangen eine Chance vergeben: «Das Areal wäre ideal gewesen als Umschlagplatz. Die Güter wären von den Lastwagen auf Lieferwagen umgeladen worden, die ihrerseits die Stadt Bern und Umgebung beliefern.» Seiner Meinung nach hätte man auch einen Anhänger zwischenzeitlich stehenlassen und weitere Fahrten machen können. Zusätzlich hätte es Platz für eine Lastwagenwerkstatt, ein Restaurant oder Einkaufsmöglichkeiten gegeben. Ein weiteres Problem ist, dass die Fahrer (viele kommen aus dem Ausland) kaum Möglichkeiten haben, sich anständig zu verpflegen oder eine Dusche zu nehmen.
Fehlende Parkmöglichkeiten
Eine Karte der Stadt Bern weist rund 20 Parkplätze für den Schwerverkehr aus. In der Realität parken viele Chauffeure ihre Anhänger auf der Raststätte Grauholz, machen die Lieferung in Bern und kurven zurück. Der Könizer wettert: «Das sind unsinnige Wege. Zudem werden Stellen geschlossen. Bis September durften zum Beispiel auf dem Mittelstreifen der Hallmattstrasse, in der Nähe vom ‹Bauhaus› in Niederwangen, Anhänger geparkt werden. Dies ist nun untersagt, die Lieferanten sind gezwungen, sie irgendwo an die Strasse zu stellen.» Oder die alte Postgarage, die dem Projekt Weyermannshaus West weichen soll. «Dort sind viele Kleinbetriebe, Car- und Lastwagenunternehmungen ansässig, welche ihre Plätze verlieren. Und auch im Wankdorf hat es kaum mehr Abstellmöglichkeiten. Im Raum Bern scheinen wir nur noch Privatpersonen zu haben, die keine Güter brauchen…», klagt Roth. «Der Lastwagen wird in der Schweiz nur als Verkehrsbehinderung wahrgenommen. Dass wir einen grossen Anteil an der Versorgung der Bevölkerung haben, wird verdrängt.» Die Ironie bei der Sache: Mit den zunehmenden Onlinebestellungen holen sich die Bewohner immer mehr der unerwünschten Lieferanten in die Stadt. Grossverteiler haben regionale Lager, von denen aus sie das Zentrum mit eigenen, kleineren Gefährten beliefern können – das ist aber längst nicht für jede Firma möglich. Roth hatte beispielsweise Aufträge von Basler Unternehmen ohne eigene Fahrzeuge und war in deren Auftrag oft in Skandinavien unterwegs.
Nicht realistisch
Ende 2019 wurde die «Stadt-Logistik» in den Medien heiss diskutiert. Von sogenannten «Hubs» am Stadtrand oder «Mikro-Depots» in den Quartieren sollen die Waren mit Lastenvelos und Elektrofahrzeugen auf der sogenannten «letzten Meile» zum Zielort transportiert werden. «Rikscha Taxi» sind Pioniere in diesem Bereich in Bern, Basel und Zürich. Aber ein konzertiertes Umdenken sieht anders aus. Im Juni 2020 hat die Stadt Bern auf der Basis diverser Workshops mit allen Beteiligten ein (sehr theoretisches) Logistik-Konzept veröffentlicht. Von realistischen Standorten für Umschlagplätze war darin kaum die Rede, eine konkrete Umsetzung scheint in weiter Ferne. Das Thema ist äusserst vielschichtig und kompliziert, mit vielen Stakeholdern, die berücksichtigt werden müssen. Aus Sicht der Lastwagen-Chauffeure bleibt zu hoffen, dass das Papier nicht in einer Schublade verstaubt.