Im Laufe der Zeit wurden so mancher Denkerin und manchem Philosophen launige Aussprüche und Weisheiten in den Mund gelegt. So soll Sokrates vor über zweitausend Jahren behauptet haben, die Jugend liebe den Luxus, habe schlechte Manieren und verachte das Alter und die Autorität, widerspreche den Eltern und lege die Beine hoch. Ob der Grieche das tatsächlich so geäussert hat, spielt keine Rolle. Die Worte zieren in hübschem Layout längst die Wände von zahlreichen Pausenräumen und erinnern überarbeitete Lehrkräfte daran, dass sich die heutige Jugend gar nicht so schlecht benimmt, wie immer wieder angenommen. Dass im Kanton Bern letzten September darüber abgestimmt wurde, ob 16-Jährige an der Urne eine politische Stimme erhalten sollen, zeigt aber sehr gut, was immer wieder übersehen wird: Es gibt sehr viele engagierte, interessierte und aktive junge Menschen, die in der Gesellschaft mitreden, anpacken und gestalten wollen.
Alle dürfen mitdiskutieren
In der Schweiz gibt es rund 80 kommunale, regionale und kantonale Jugendparlamente mit über 1500 motivierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Alle Jugendparlamente sind bunt gemischt, Alter und Geschlecht, Herkunft und politische Ausrichtung spielen keine Rolle: Wer mitdiskutieren will, soll das dürfen. Dabei zeigt sich, dass die politische Ausrichtung in den Jugendparlamenten sehr divers ist und das gesamte politische Spektrum abgebildet wird, wie der Dachverband Schweizer Jugendparlamente DSJ auf seiner Webseite schreibt. Auch im Kanton Bern gibt es ein Jugendparlament. Letzten Oktober kamen rund sechzig junge Menschen im Alter zwischen 11 und 25 Jahren zusammen, um gemeinsame Wünsche und Bedürfnisse zu besprechen und in die passenden politischen Gefässe zu tragen.
«Aus der Bubble raus»
Wie es scheint, könnten sich einige gestandene Politgrössen von ihren jungen Kolleginnen und Kollegen einiges abgucken. Einander die Parteizugehörigkeit vorwerfen? Fehlanzeige. Das erleben auch Rafael Beetschen und Noa Rieder aus Köniz so. «Der Umgang ist sehr respektvoll. Es kommen verschiedene Meinungen zusammen, dadurch entstehen aber auch viele Ideen», erklärt Noa Rieder und Rafael Beetschen bestätigt: «Man kommt aus der eigenen Bubble raus, es geht nicht nur um politische Meinung, sondern um das Ziel und den Zweck.» Manchmal entdecke man so unerwartet Gemeinsamkeiten, auch wenn man Vieles anders sehe. Die beiden jungen Erwachsenen aus Köniz sind in der Gemeinde und im Kanton Bern im Jugendparlament engagiert.
Sprung vom Jugendparlament in den Nationalrat?
Rafael Beetschen ist durch Zufall in das Jugendparlament gerutscht. Er besuchte einen Anlass, der vom Jugendparlament Köniz organisiert war, und ist seither selber aktiv. «Ich schätze den Austausch mit Gleichaltrigen», erzählt der Jungpolitiker und schwärmt: «Man kann sich bei allem engagieren, in Projektgruppen, im Vorstand, in Ämtern. Es ist wertvoll, dass viele im Jugendparlament erste Erfahrungen sammeln und Verantwortung übernehmen können.» Aktuell ist der Könizer noch in Ausbildung, er kann sich aber gut vorstellen, intensiver in die Politik einzusteigen. Schliesslich habe man irgendwann auch Ziele, die man weiterverfolgen möchte. Einen ersten Schritt wagt Beetschen dieses Jahr mit seiner Kandidatur für den Nationalrat. «Ich möchte mich als junger Politiker für die Sicht der Jugend einsetzen», erklärt er seine Motivation.
«Politik ist nicht langweilig»
Auch Noa Rieder kann sich intensiveres politisches Engagement vorstellen. Schliesslich habe sie sich schon immer für Politik interessiert und hat im Jugendparlament Köniz das Vizepräsidium inne. «Ich wollte mitwirken im Ort. Im Jugendparlament Kanton Bern lässt sich noch mehr bewegen», berichtet sie. Besonders treiben sie Themen wie das Stimmrechtsalter 16 und Klimapolitik an und dass Jugendliche gehört werden mit ihren Anliegen. «Es ist toll, dass es einen Ort gibt, um auch in unserem Alter über Politik zu reden und den Jugendlichen zu zeigen, dass Politik wichtig ist und wir viel bewirken können, wenn wir wollen», erklärt die Gymnasiastin, «Politik ist nicht so langweilig, wie oft angenommen.»
Bei so viel Engagement hätte wohl selbst Sokrates nichts zu bemängeln.