Mutig ist es. Im Gemeinderat warten Berge von Arbeit auf die Kandidierenden und noch dazu die Unsicherheit, ob es in einem Jahr bei den Gesamterneuerungswahlen weitergehen wird. Dennoch wagen drei gestandene Persönlichkeiten den Schritt und bescheren der Könizer Bevölkerung optimale Wahlmöglichkeiten. Die GLP schickt für ihre Nachfolge den 52-jährigen Leiter Umwelt und Verkehr im Kader der Gemeinde Muri sowie ehemaligen Präsidenten der Könizer Bibliotheken Thomas Marti ins Rennen. Aus der Mitte-Fraktion nominiert die EVP die 39-jährige Parlamentarierin und ehemalige Parlamentspräsidentin sowie Grossrätin Katja Streiff, die als Fachberaterin in der Krebsliga Schweiz arbeitet. Die SP tritt mit Géraldine Mercedes Boesch an. Die 36-Jährige arbeitet als Leiterin des Fachbereichs Kultur bei der Regionalkonferenz Bern-Mittelland und ist Co-Fraktionspräsidentin ihrer Partei im Könizer Parlament.
Bugwelle brechen
Also ab in die Gemeindegeschäfte. Wie würden Streiff, Marti und Boesch wichtige Herausforderungen für Köniz bewältigen? Etwa die vielen anstehenden und kostenintensiven Investitionen? «Es geht nur mit einer harten Priorisierung. Projekte müssen auf ein vertretbares Minimum redimensioniert werden und Aufwärtskompatibilität gewährleisten. Investitionskosten sind das eine, die Betriebskosten und die Abscheibungen darf man nicht vergessen. Diese sind noch fast wichtiger», betont Thomas Marti. Géraldine Mercedes Boesch ergänzt: «Wenn wir priorisieren, dann müssen wir uns nach den Bedürfnissen der Menschen richten. Von diesen Projekten sollten wir so viel, wie im Kostenrahmen möglich ist, umsetzen, aber mit klar nachhaltiger Ausrichtung.» Katja Streiff verbindet diese Punkte und meint: «Es braucht eine direktionsübergreifende und gesamthafte Planung. In den IAFP (integrierter Aufgaben- und Finanzplan) muss dies laufend einfliessen und als rollende Planung mehrmals jährlich angepasst werden.»
Schulraum «first»
Eine mögliche Priorisierung könnte beim Schulraum liegen. Hier platzen teilweise schon neue Gebäude wieder aus allen Nähten, weil das Wachstum der Gemeinde ungebrochen anhält. «Da kommt ein grosses Problem und ein zentrales Thema auf uns zu. Die Schulraumplanung muss über die gesamte Gemeinde hinweg erfolgen. Im Moment hinken wir zwei Schritte hinterher. In Oberwangen steht schon der erste Container als Provisorium. Der Gemeinderat ist gut beraten, wenn er sich viel mehr mit den Schulleitungen austauscht und ein Gesamtkonzept entwickelt. Schulraum ist also klar zu priorisieren, wenn wir teure Provisorien verhindern wollen», zeigt Katja Streiff klar auf. «Das sehe ich ähnlich. Wir kommen nicht darum herum, mehr Schulraum zu bauen, deshalb muss man in anderen Bereichen zurückhaltender sein. Inwiefern Wachstum in diesem Rahmen noch zeitgemäss ist, muss ebenfalls diskutiert werden», gibt Thomas Marti zu bedenken. «Es braucht mehr Investitionen in den Schulraum und auch eine weitsichtige Planung. Bildung ist unser grösstes Kapital und da dürfen wir nicht sparen. Zudem appelliere ich zu mehr Zusammenarbeit, auch damit lassen sich Kosten senken und Projekte realisieren, die ökologisch und sozial verträglich sind», fügt Géraldine Mercedes Boesch an.
Angespannte oder entspannte Finanzen?
Die Bugwelle an Investitionen für mehr Schulraum sowie die Betriebskosten und Amortisationen, das alles kostet die Gemeinde Geld. Bedeuten nun die Gewinne der letzten beiden Jahre dank der Steuererhöhung eine Entwarnung oder sind sie eher etwas trügerisch? «Der Gemeinderat hat immer transparent kommuniziert, dass die Entspannung nur aufgrund geringerer Investitionen zu Stande kam. Der Gemeinderat muss das Wohl der Bevölkerung im Kopf haben. und bei den Investitionen nachholen. Wir sollten an die kommenden Generationen denken und uns bei den Ausgaben nicht selbst zurückbinden», betont Géraldine Mercedes Boesch. Katja Streiff indes verwendet erneut einen Begriff, den man schon bei den Investitionen gehört hat: «Auch bei den Ausgaben ist es eine Frage der Priorisierung. Schulraum ist vor Überbauungen zu priorisieren. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir um jeden Preis wachsen wollen. Manchmal darf man auch nein sagen.» Thomas Marti meint zu den Gewinnen der letzten beiden Jahre: «Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Der Druck, auf der Ausgabenseite alles im Griff zu haben, muss hoch bleiben. Ich bin der Meinung, dass eine Schuldenbremse im Sinne einer Ausgabenbremse vonnöten ist. Klar, der Handlungspielraum des Gemeinderats und des Parlaments wird eingeschränkt und das ist nicht immer sehr motivierend. Aber das Volk hat eine Steuererhöhung mit der Erwartung gutgeheissen, dass wir nun die Finanzen im Griff haben.» Géraldine Mercedes Boesch sieht das anders: «Eine Schuldenbremse gibt es schon auf kantonaler Ebene. Wenn wir nun auch noch eine einführen, dann bremsen wir unsere dringend benötigten Investitionen aus. Wir haben den IAFP und dank der Finanzstrategie klare Kennzahlen.» «Die wenig ambitiös sind. Wir wollen doch die Unterhaltskosten in den Griff bekommen und uns verbessern», entgegnet Thomas Marti. Katja Streiff verbindet: «Ich bin überzeugt, dass alle das Beste für Köniz wollen. Aber die vorhandene Finanzstrategie ist vielleicht schon nicht die Patentlösung für alles. Deshalb sollten wir auch bei den finanziellen Herausforderungen vermehrt zusammenarbeiten. Auch zwischen dem Parlament respektive der Finanzkommission und dem Gemeinderat braucht es einen konstruktiveren Austausch als bisher.»
Pioniergemeinde Köniz
Die Probleme dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, das Köniz beliebt ist und auf viele innovative Ideen zurückblicken kann. Eine Gemeinde mit hoher Lebensqualität. Gar eine Pioniergemeinde? «Eine Stärke von Köniz ist, dass sie seit jeher ländliche und urbane Themen verbinden musste. Daraus sind viele gute Lösungen entstanden, aus dem Miteinander und dem Dialog. Ich bin in Köniz geboren und aufgewachsen und erkenne dies schon mein ganzes Leben lang», freut sich Katja Streiff. Ganz ähnlich klingen die Worte von Géraldine Mercedes Boesch: «Köniz hatte und hat ein enormes Potenzial. Gerade in der Kutur und den Vereinen gibt es viel Innovation. Köniz hat Ressourcen für fast alles.» Thomas Marti sieht darin gar eine Art Verpflichtung: «Als 13.-grösste Gemeinde der Schweiz und mit unserer urbanen und ländlichen Ausrichtung sind wir in gewissen Dingen sogar dazu gezwungen, immer wieder innovativ zu sein, um gewisse Fragestellungen zu lösen. Leuchttürme entstehen aber nur dort, wo alle Direktionen zusammenspannen.»
Im Dreiklang plädieren Géraldine Mercedes Boesch, Katja Streiff und Thomas Marti für mehr Zusammenarbeit. Disharmonien gibt es eher, wenn es darum geht, wie man die Finanzen im Griff hat oder den Schulraum sicherstellt und die Investitionen richtig priorisiert. Eine regelrechte Kakaphonie aber bleibt aus. Alle drei Kandidierenden haben im Gespräch bewiesen, dass sie dialogfähig sein wollen und das Gegenüber respektieren können. Diesem Umstand verdankt Köniz die Möglichkeit, eine Ersatzwahl zu tätigen mit dem Prädikat: «Sie sind wunderbar wählbar.»
Wahlprozedere
Die Bevölkerung von Köniz wählt am 22. September den Ersatz für Thomas Brönnimann (GLP) im Gemeinderat. Ein allfälliger zweiter Wahlgang findet am 20. Oktober statt. Für die Wahl zur Gemeinderätin bzw. zum Gemeinderat braucht es im ersten Wahlgang das absolute Mehr (Majorzwahl). Die Ersatzwahl Gemeinderat erfolgt im Mehrheitswahlverfahren (Majorz).