Politik hat ferner mit gewissen Gesetzmässigkeiten zu tun. Eine davon besagt, dass bisherige Personen aus einem Exekutivamt, die erneut zur Wahl antreten, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wiedergewählt werden. Genau dieser Umstand macht die Ausgangslage bei den Regierungsratswahlen so spannend. Die Bürgerlichen stellen mit Pierre Alain Schnegg (SVP), Christoph Neuhaus (SVP) und Philipppe Müller (FDP) drei Kandidierende, die wieder antreten. Die Linken mit Evi Allemann (SP), Christoph Ammann (SP) und Christine Häsler (Grüne) ebenfalls. Den freiwerdenden siebten Sitz hielt bis dato die Mitte inne. Am 27. März stellt sich also die Frage, ob nun der Regierungsrat mehrheitlich in bürgerlicher oder linker Hand sein wird?
Bürgerlich gemittet?
Beide Lager beanspruchen nämlich die Mehrheit für sich und möchten vier der sieben Sitze ergattern. Entsprechend gehen beide Seiten mit einem Viererticket ins Rennen. Bei den Bürgerlichen ergänzt die bestehenden Schnegg, Neuhaus und Müller die Kandidatin aus der Mitte-Partei: Astrid Bärtschi-Mosimann. Sie wäre somit die parteiinterne Nachfolge für die abtretende Finanzdirektorin Simon und auch noch eine Frau, damit man den Bürgerlichen keinen Vorwurf machen kann, sie hätten keine weibliche Kandidatur berücksichtigt. Weshalb bekennt sich eine Partei mit dem Namen «die Mitte» als eher rechtsstehend statt gemittet? Weil dies in der DNA des neuen Parteikonglomerats der ehemaligen CVP und BDP liegt. Gerade im Kanton Bern ist der BDP-Teil stärker als jener der CVP, ganz im Gegensatz zu den gänzlich ländlichen Kantonen wie Nidwalden, Obwalden oder Wallis als ehemalige CVP-Hochburgen. Bärtschi-Mosimann selbst war ehemals BDP-Generalsekretärin und der Zusammenschluss mit SVP und FDP auf den ersten Blick naheliegend. Ein weiterer Grund dürften die Erfolgschancen sein. Es ist nicht einfach, wenn man einen Sitz verteidigen will, der Parteiname sich jedoch ändert. Dann noch ohne festen Platz auf einem der beiden Tickets anzutreten, wäre schwieriger geworden, zumal dann die FDP und die SVP sicherlich einen anderen Namen nachgeschoben hätten. Genau in der Mitte liegt «die Mitte» damit aber nicht.
Mehr rot als grün?
Auf der linken Seite erhebt die SP den Anspruch auf den siebten Sitz. Das linke Viererticket ergänzt deshalb neben Allemann, Amman und Häsler der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr. Eine Persönlichkeit, die sich mitunter auch schon mal etwas liberaler gibt. Gewollt? Tendieren die Sozialdemokraten damit, genau gleich wie die Bürgerlichen Richtung Mitte wählbar zu sein? Vielleicht ein wenig Strategie, zumal die SP mit dieser Kandidatur gleich drei der sieben Sitze beansprucht. Von Fehr bis Häsler, das seien «die kompetenten Vier» heisst der Slogan der politischen Linken. Inwiefern dieses Ticket durch die grüne Welle getragen wird, lässt sich kaum vorausahnen. Zum einen sind die Politologen geteilter Meinung, was den Fortbestand nach oder während der Coronakrise angeht, zum anderen profitierte von dieser Welle bisher eher die Grüne Partei, mitunter auf Kosten der SP. Da es aber neben Christine Häsler keine weitere grüne Kandidatin gibt, haben die Grünen wenig Alternativen; sie werden mehrheitlich diesem Ticket folgen. Die Schwerpunkte setzt das Quartett schon mal breit und begründet darin die Notwendigkeit einer linken Mehrheit: Chancengleichheit beim Zugang zur Bildung, Innovationspolitik, Kreislaufwirtschaft oder der Ausbau erneuerbarer Energien lauten die Schlagwörter.
Die Variable
Was ist mit den anderen 16 Kandidierenden? Zwei bekannte Namen tauchen dabei auf: Der GLP-Kantonspräsident und Grossrat Casimir von Arx sowie die EVP-Grossrätin Christine Grogg-Meyer. Beide betonen, wie wichtig es sei, nicht zu polarisieren und in der Mitte eine verbindende Kraft zu haben, damit der Regierungsrat tragfähige Lösungen einbringen könne. Es erstaunt daher wenig, dass die beiden gemeinsam ein Ticket bilden. Eine Chance im Duell der beiden grossen Blöcke haben beide. Mal angenommen, jemand unterstützt den einen der beiden Blöcke, möchte aber die verbleibenden Listenplätze ebenfalls füllen und nicht drei Plätze einfach leer lassen, dann tendieren diese Wählerinnen und Wähler wohl eher dahin, diese Mitte-Option zu wählen als das andere «Extrem». Je mehr Menschen alle sieben Listenplätze füllen, statt nur eines der Vierertickets zu nutzen, desto höher sind die Chancen von Grogg und von Arx.
Die Aussenseiter
Die verbleibenden 14 Kandidierenden haben in Anbetracht der Strategie der Grossen lediglich Aussenseiterchancen. Auch das eine Gesetzmässigkeit, gepaart mit der Strategie der Regierungsparteien eben nur vier Namen auf ihre Tickets zu setzen und nicht sieben, die sich dann gegenseitig konkurrenzieren und damit schwächen müssten. Für Alternativen hegen jedoch viele Menschen gewisse Sympathien. Zur Auswahl stehen etwa der Präsident und der Vizepräsident der Piraten Bern, Ananiadis Jorgo und Pascal Fouquet. Die neue schweizweite Bewegung «Aufrecht» stellt auch im Kanton Bern für die Gesamterneuerungswahlen sowohl für den Grossen Rat als auch für den Regierungsrat Kandidierende. Joshua Baumann und Mark Steiner stellen sich zur Wahl als Regierungsratskandidierende. Die Politikverdrossenen suchen vielleicht eher jemand ohne Partei, Paolo Tramacere Dalyan und Verena Lobsiger-Schmid stellen sich als Parteilose zur Verfügung. Blieben noch Peter Gasser des «Ensemble socialiste» und Bruno Moser von der «menschen:partei».
Smartvote
Einen Sympathiebonus haben all jene Kandidierenden, die neu sind: Sie alle stellen ihr Profil auf der Wahlhilfe-Plattform «Smartvote» zur Verfügung. Der gesamte amtierende Regierungsrat fehlt. Man wolle das Kollegialitätsprinzip nicht verletzen, heisst es seitens der Exekutive. Klingt plausibel. Darf man aber auch ein wenig hinterfragen, wenn die meistgenutzte Wahlhilfe aufgrund des Kollegialitätsprinzips einfach unbeachtet bleibt, respektive der Wahlkampf nicht stattfindet. Entscheiden Sie selbst, ob das nun nachvollziehbar oder bedauerlich ist.
Trotz Strategie und Gesetzmässigkeiten, Politik wird nie eine exakte Wissenschaft sein. Ob nun die Bürgerlichen die Mehrheit verteidigen oder die Linken den vierten Sitz holen, ist letztendlich auch eine Frage des Mobilisierens. Tendenziell erhöhen sich die Chancen der Bürgerlichen, je mehr Menschen auf dem Land abstimmen. Für die Linken ist es genau umgekehrt: Je mehr die Städte und Agglomerationen mobilisieren können, vor allen Dingen natürlich Bern, desto wahrscheinlicher wird es, dass sie die Mehrheit erlangen. Und die beiden Mitte-Vertreter? Sie müssen darauf hoffen, dass viele Wähler alle Listenplätze auffüllen, dann könnten sie zu den lachenden Dritten werden. Im Rennen um diesen Sitz heisst es wahrlich: Alle auf einen.