Alle wollen mehr Sitze

Alle wollen mehr Sitze

«Ja». So lautet die einhellige Antwort aller Parteien auf die Frage, ob sie im Parlament an Sitzen zulegen wollen. Die 40 Plätze sind heiss begehrt, Kandidierende gibt es reichlich. Stellt sich die Frage, ob Verschiebungen zu erwarten sind?

Was hat sich vor vier Jahren verändert, wie gut hat das aktuelle Parlament gearbeitet, welche grossen Baustellen gibt es und wie hat sich die Könizer Bevölkerung in jüngsten Wahlen und Abstimmungen verhalten? Antworten auf diese Fragen lassen Tendenzen erkennen.

Gute Argumente
Die Listen der Kandidierenden sind in den meisten Fällen länger als noch vor vier Jahren. Die SP tritt mit einer reinen Frauen- und einer Männerliste an, die EVP bringt neu eine junge Liste, gleich wie die Grünen und die jungen Grünen, die aber schon vor vier Jahren angetreten sind und zwei Sitze gewonnen haben. Klare Anzeichen, dass alle Parteien zulegen wollen. Argumente liefern alle postwendend nach. Die FDP hat vor vier Jahren schon einen Sitz dazu erobert, will sich für die finanziellen Probleme anbieten, Lösungen finden und den Wirtschaftsstandort stärken. Die EVP sieht sich als Bindeglied und will alle Interessengruppen an den Tisch bringen für ein «MITeinander», wie sie schreiben. Durch das Einbinden der Jugendlichen streben sie einen zusätzlichen Sitz an. Die GLP spricht von mindestens einem weiteren. «Wir rechnen mit Verschiebungen und zwar von links-konservativ zu grün-progressiv», begründet Sandra Röthlisberger die Ambitionen. Wenig verwunderlich sehen das die Grünen ganz ähnlich und streben zusammen mit den jungen Grünen gleich zwei zusätzliche Sitze an. Mit zehn Sitzen ist die SP stärkste Partei und das seit nunmehr 40 Jahren. Mit dieser Sicherheit im Rücken wollen die Sozialdemokraten ebenfalls zwei Sitze dazugewinnen. «Rot-grün hat aktuell noch keine Mehrheit», sagt Ruedi Lüthi mit der Absicht das zu ändern. Die SVP ist seit genauso langer Zeit wie die SP die zweitstärkste Partei im Parlament, musste in den letzten Wahlen jedoch einen Sitz einbüssen. Ihre Liste ist nun auf insgesamt 34 Kandidierende angewachsen. Dennoch klingen ihre Prognosen deutlich vorsichtiger als jene der anderen Parteien: «Wir rechnen nicht mit grossen Verschiebungen und die Verhältnisse innerhalb der Blöcke werden sich nicht gewaltig ändern», meint Stefan Lehmann. Die grosse Unbekannte dürfte die neue Partei «die Mitte» sein. Der Zusammenzug aus BDP und CVP entspricht 3 Sitzen. Ein neuer Name, ein neuer Wind und ein Schweizer Parteipräsident, der «die Mitte» als Lösungsmacher sieht. Das alles nimmt die junge Partei mit und will ebenfalls zulegen.

Linksrutsch
Insgesamt spricht im Moment einiges dafür, dass die linken Parteien zulegen könnten. Ein Indiz dafür ist die letzte Abstimmung. «Mit dreimal Ja zur Trinkwasser- und Pestizidinitiative sowie dem CO2-Gesetz sind wir sehr zuversichtlich, dass es eine Verschiebung hin zu mehr grün gibt», argumentiert Christina Aebsicher von den Grünen. «Köniz hat in den vergangenen Abstimmungen immer öfter mehrheitlich links gestimmt, wir gehen deshalb davon aus, dass dies bei den Wahlen spürbar sein wird», fasst auch Ruedi Lüthi von der SP zusammen.

Starke Mitte
Wer die grüne Welle bremsen könnte, sind die Mitte-Parteien. Röthlisberger spricht von grün-progressiv statt links-konservativ. Eine gewisse Kritik an der letzten Legislatur schwingt dabei mit. Im Parlament spielt die Mitte-Fraktion mit EVP, die Mitte und der GLP eine wichtige Rolle. Das neue Instrument der befristeten Steuererhöhung kam beispielsweise aus ihren Reihen. In der jüngsten Vergangenheit hat die Mitte an einigen Lösungen massgeblich mitgearbeitet. Gutiert die Bevölkerung diese Bemühungen, könnte das den Linken einige Stimmen kosten und den Linksrutsch eindämmen.

Sicherheit wird wieder wichtiger
Werden die FDP und die SVP damit einen besonders schweren Stand haben? Keineswegs. Köniz befindet sich bekanntlich in der schwersten Finanzkrise seit jeher und der Swisscom-Wegzug macht deutlich, dass der Wirtschaftsstandort dringend gestärkt werden müsste. Die FDP will sparen, Steuererhöhungen abfedern und das Gewerbe stärken. Mit der Coronapandemie in den Knochen und dem bestehenden Finanzkrater der Gemeindekasse dürften die bürgerlichen Parteien für viele Menschen wieder zum sicheren Wert werden, damit wieder mehr Stabilität einkehren kann. Sie bespielen das Klischee, dass Linke zu viel Geld ausgeben, auch solches, dass sie gar nicht haben. Erneut ist also eine Kritik an der letzten Legislatur spürbar. Stimmt das Klischee? Inzwischen ist ein Paket geschnürt, wie man die Finanzen wieder ins Lot bringen will. Gelingt diese Strategie, wäre das eine Antwort auf diese Frage.

Stadt-Land-Graben
Nun besteht Köniz aus einer ländlichen oberen und einer urbanen unteren Gemeinde. Der Stadt-Land-Graben war schweizweit an der letzten Abstimmung aber gerade andersherum spürbar wie zuvor beschrieben. Bei der Landbevölkerung sorgten die progressiven Ideen für Angst und Unbehagen. Es ist gerade die SVP, die viele Parlamentarier aus dem ländlichen Teil stellt. Zwar beanspruchen alle Parteien, dass sie möglichst ausgeglichene Listen anbieten, in denen beide Geschlechter, unterschiedliche Altersgruppen und eine gute Durchmischung von Stadt und Land existieren, die bürgerlichen scheinen auf dem Land aber mit deutlich mehr Namen präsent zu sein. Gebremst wird eine geeinte Landbevölkerung aber durch die Mehrheitsverhältnisse. Es leben deutlich mehr Könizer im etwas weniger ländlichen Teil der Gemeinde, womit die Kräfteverhältnisse nicht ausgeglichen sind.

Die Jungen
Linksrutsch mit Bremswirkung einer starken Mitte und einer für viele wichtig werdenden Rechten? Das alles würde dem SVP-Präsidenten Lehmann recht geben mit seiner Aussage, dass er nicht mit grossen Verschiebungen rechne. Wären da nicht die Jungen. Sie werden an diesen Wahlen eine wichtige Rolle spielen können, sofern sie abstimmen gehen. Historisch gewachsene Verhältnisse oder traditionelle Rollenverteilungen interessieren herzlich wenig. Pragmatisch und konkret sind die Forderungen vieler junger Menschen, etwa im Zusammenhang mit dem Klima oder der Bildung. Die Parteien haben diese Bevölkerungsgruppe erkannt und von links bis rechts finden sich in den Listen für das Gemeindeparlament junge Menschen. Da der Linksrutsch in den jüngeren Jahrgängen besonders deutlich zu spüren ist, eröffnen sie wiederum die Vorteile für die linken Parteien.

Nur wenige Gewinner
Je mehr Junge abstimmen, desto grösser der Linksrutsch? Nicht unbedingt. Die Mitte setzt ebenfalls verstärkt auf die Jungen. Je weniger junge Menschen abstimmen, desto besser für die Bürgerlichen? Auch das stimmt nicht ganz. Die SVP hat junge Politiker bereits heute in wichtigen Positionen. Menschen, die viele andere mitziehen können. Und die FDP dürfte auch für viele Jugendliche spannend sein, weil ihre wirtschaftliche Ausrichtung Arbeitsplätze verspricht. Überall, wo es Tendenzen gibt, existieren Gegenströmungen. Das schliesst eine erdrutschartige Veränderung der Kräfteverhältnisse aus. Sehr wohl aber können die einzelnen Parteien an Sitzen dazugewinnen. Gesamthaft gesehen dürften die linken Parteien und die Mitte im Vorteil sein, jedoch nur so stark, wie die jeweiligen Wähler die Finanzprobleme bewerten. Je mehr diese gewichtet werden, desto besser für SVP und FDP. Die Finanzprobleme sind das Wasser auf die Mühlen der Bürgerlichen in einem Fluss, der eigentlich nach links abbiegt. Mitten im Fluss regelt eine breite Mitte den Wasserfluss, um Überschwemmungen oder Trockenheit zu verhindern. Das Bild eines Gewässers mit Mühle, Zu- und Abfluss mag als harmonisches Schlussbild dienen. Bei all dem Wahlkampf zeigt dieses Gesamtbild, dass es schlussendlich die Vielfalt im Parlament ist, die für ein gutes Abbild der Bevölkerung steht.

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