Seit zehn Jahren ist der Schloss-Apéro ein fester Bestandteil des Veranstaltungskalenders der Bank Gantrisch. Gäste aus der Politik und Wirtschaft kommen immer wieder gerne zu dem Anlass, der dazu dienen soll, die Kontakte zwischen Gewerbe, Behörden und Politik zu fördern. Die Bank Gantrisch möchte eine Plattform bieten und sich dafür einsetzen, dass nicht nur kritisiert, sondern miteinander kommuniziert wird. Jedes Jahr wird ein Vortragsredner eingeladen, so referierten unter anderem Evelyne Binsack (Extrembergsteigerin), André Blattmann (Chef der Armee) oder David Bittner (Bärenforscher). Nach dem Begrüssungsumtrunk fanden sich die geladenen Gäste im Festzelt ein, wo Bankleiter Daniel Hauert nach seiner Begrüssung einen kurzen und witzigen Rückblick mit Fotos auf die letzten neun Apéros gab. Danach stellte er den neuen stellvertretenden Bankleiter Bruno Beyeler vor und präsentierte das neue NetBanking der Bank Gantrisch. Nach dem interessanten Vortrag von Saliya Kahawatte genossen die Gäste das reichliche Büffet und plauderten gemütlich.
Unterhaltsamer Vortrag
Es gab wohl keinen im Festzelt, den der Deutsche Saliya Kahawatte mit seiner Lebensgeschichte nicht in den Bann zog. Als 15-Jähriger verlor er durch eine progressive Netzhautablösung 90% seines Sehvermögens. Entgegen aller anderslautenden Ratschläge blieb er auf dem «normalen» Gymnasium und bestand sein Abitur: «Ich bin ein Streber, lernen macht mir Spass. Meine Schwester sprach mir die Schulbücher auf Kassetten, die ich mir abends anhörte.» Da er durch seine Beinahe-Blindheit als schwerstbehindert gilt und dadurch in Deutschland unkündbar ist, bekam er auf seine ehrlichen Bewerbungen nur Absagen.
Als Kahawatte in einer Hotelküche als Abspüler jobbte, unterhielt er sich mit einem Kellner: «Der erklärte mir, dass alles, was er in seiner Ausbildung gelernt habe, Bier zapfen, Teller tragen und Kaffee kochen gewesen sei. Da dachte ich mir ‹super, dafür bin ich topqualifiziert›. Mit Hilfe meiner Freundin schrieb ich Bewerbungen, in denen ich aber diesmal meine Behinderung verschwieg.» Der Plan ging auf und er bekam eine Ausbildungsstelle. In den drei Lehrjahren wurde er immer wieder vor andere Herausforderungen gestellt, die er kreativ meisterte – so lernte er unter anderem saubere Gläser am Klang zu erkennen oder übte das Eindecken der Tische im Dunkeln. Tatsächlich bestand der heute 49-Jährige seine Prüfungen und fand eine Stelle in einem Fünf-Sterne-Hotel in Hamburg, wo er manch einen Prominenten (z.B. Andre Agassi und Steffi Graf oder die «Rolling Stones») bediente.
Schwierigkeiten
Später machte er sich mit seiner Freundin selbstständig, doch nachdem das Bistro die ersten Jahre sehr gut lief, ging es bergab. Nach der Trennung musste er seine Freundin ausbezahlen, die Umsätze waren schlecht, weil die Gäste ausblieben: «Im Herbst war ich pleite und flog aus meiner Wohnung. Im Obdachlosenheim traf ich auf einen Sozialarbeiter, der mich in einer WG unterbrachte. Nach einer kleinen Depression kehrte meine positive Einstellung zurück und ich rappelte mich auf.» Saliya Kahawatte kehrte als Barkeeper in ein Hotel zurück, wurde Oberkellner und später sogar Restaurantleiter. Doch damit fingen die Probleme an. Er musste nun Abrechnungen machen, Dienstpläne erstellen, die Hefte der Azubis kontrollieren usw. Mit diesen Aufgaben war der Mann mit nur 10% Sehvermögen überfordert. Er begann Drogen, Medikamente und Alkohol zu nehmen, um mit allem klarzukommen. Seine Freundin verliess ihn. Der Deutsche kündigte, verfiel in eine Depression und versuchte sich sechs Mal das Leben zu nehmen. Daraufhin landete er in der Psychiatrie, wurde entmündigt und bekam einen Vormund. Doch nach der Therapie rappelte er sich ein weiteres Mal auf. Er arbeitete in einer Behindertenwerkstatt und lernte die Blindenschrift. Später bewarb sich das «Stehaufmännchen» für ein Managementstudium und wurde angenommen. Das erste Semester war erfolgreich, dann ging ihm das Geld aus. Er fragte beim Arbeitsamt nach Unterstützung, wurde jedoch an die Deutsche Rentenversicherung verwiesen. Dort wurde sein Antrag abgelehnt, er solle doch in einer Behindertenwerksatt arbeiten. «Ich fühlte mich diskriminiert und wollte beweisen, dass ich es schaffen kann», erklärt der Autor. Es gelang ihm, eine Radiostation für seine Geschichte zu interessieren, aber erst als er mit einem Kamerateam vom ZDF bei seinem Sachbearbeiter auftauchte, hatte er Erfolg. Die Deutsche Rentenversicherung finanzierte sein Studium: «Sie haben sich eiskalt freigekauft.»
Kahawatte beendete sein Studium erfolgreich, doch nach über 250 abgelehnten Bewerbungen, in denen er seine Behinderung nicht verschwieg, beschloss er, sich selbstständig zu machen: «Ich wollte Schriftsteller, Vortragsredner, Motivationstrainer und Businesscoach werden. Also erstellte ich einen Businessplan. Beim Sozialamt beantragte ich Unterstützung. Doch diese wurde abgelehnt. Erst als ich die Geschichte mit der Deutschen Rentenversicherung erzählt, wurden sie kooperativ.» Knapp zwei Jahre später verkaufte er seine Autobiographie. Ab da ging es bergauf.
Kahawatte ist heute nicht nur als Motivationsredner erfolgreich unterwegs, sondern gründete auch die Salia Foundation e.V., die Menschen mit Handicap dabei unterstützt, Arbeit zu finden oder sich weiterzubilden. «Meine Erkenntnis nach all den Jahren: Das Leben besteht aus süssen, sauren und jeder Menge Knallbonbons. Ich kann das Körperliche nicht ändern, nur meine Einstellung dazu», sagte der gebürtige Sachse, bevor er zum Abschluss noch den Trailer von «Mein Blinddate mit dem Leben» – seine verfilmte Lebensgeschichte – präsentierte.


