«Es ist eine sinnliche Begegnung mit sich selbst. Es macht etwas mit einem.» Eva Werner muss einen Moment nachdenken auf die Frage, was ihr Ballett bedeutet. «Der Tanz, zusammen mit der Musik, erfordert eine andere Art von ‹sich einlassen›. Es ist eine Form von Meditation. Gleichzeitig aber auch eine technisch anspruchsvolle tänzerische Fähigkeit», beschreibt sie es. Die 49-Jährige muss es wissen. Als Tochter einer Ballettlehrerin und eines Opernsängers verbrachte sie schon ihre frühe Kindheit im Studio ihrer Mutter. Dass dies nicht immer einfach war, sickert im Gespräch durch: «Ich wollte Ballett nie zum Beruf machen.» Und doch: «Tanz ist Bestandteil meines Lebens, von klein auf hat er mich begleitet.»
Neuaufbau des Studios
Ihr wird ein Ausbildungsplatz zur Ballettlehrerin in einer Ballett-
akademie in Köln angeboten, obwohl sie sich gar nicht beworben hat. Schlussendlich der Entscheid aus dem Bauch heraus: «Ich will das jetzt einfach mal machen.» In den letzten Ausbildungstagen kommt 1996 das Jobangebot aus Köniz – direkt nach dem Abschlussdiplom reist die junge Eva Werner mit dem ersten Zug in die Schweiz, ursprünglich «mal für ein bis zwei Jahre». Erst, als die Anschlusslösung des Gründerehepaars Köhler nicht funktioniert und die Schliessung unmittelbar droht, merkt sie: «Dies ist ihr Lebenswerk, und es darf nicht einfach so aufhören.» Nach vielen Gesprächen steht fest: Sie schreibt die Geschichte des Studios mit nur noch 80 verbliebenen Schülerinnen weiter. Innert kurzer Zeit sind es wieder über 200 Kinder, Jugendliche und Erwachsene – darunter auch Buben und Männer, sogar Väter –, die Ballettstunden nehmen.
Solides Ballett – nicht Profikarriere
Heute betreut die Studioleiterin zusammen mit ihrem fünfköpfigen Team über 300 Tanzschülerinnen und Tanzschüler. Sie halten sich an die Richtlinien der englischen «Royal Academy of Dance». «Wir unterrichten mit Humor und ohne Drill – aber Disziplin ist elementar», sagt Werner. Jedes Jahr absolvieren die Ballerinas eine Prüfung, um die Qualität des gemeinsamen Niveaus sicherzustellen. Im Fokus steht, dass man «nicht nur ein bisschen Ballett macht», sondern fundiert damit umgehen kann. Eine Profikarriere wird hingegen nur selten angestrebt – zu gross ist die internationale Konkurrenz; bereits Teenager müssten in ein meist ausländisches Internat wechseln. Doch wenn, müsse es der Wunsch des Kindes sein, betont sie.
Begeisterung statt Drill
Die meisten Kinder fangen im Alter von 3,5 bis 5 Jahren an. Bleiben sie ab Schulalter dabei, dann meist bis weit in die Teenagerjahre hinein. Dies sei wertvoll, sagt Werner: «Ich nehme jedes Kind individuell wahr. Dabei entwickelt sich eine vertrauensvolle Beziehung.» Früher sei Ballett für die Kinder oft «dasjenige» gewesen. Heute sei es ein Hobby von vielen und müsse neben Schule, Freunden, Sport oder Musikunterricht Platz finden. Ein Grund, nach 28 Unterrichtsjahren Müdigkeit zu spüren? Sie winkt ab. «Nach wie vor ist es mir am wichtigsten, Freude am Tanz zu vermitteln und im Kind die Begeisterung dafür auszulösen. Wenn mir das gelingt, und ich dem Kind zudem eine solide Basis im Ballett mitgeben kann, ist dies umso schöner», fasst Eva Werner ihr Wirken zusammen.
2x 25 Jahre
1971 gründen Angèle und Friedrich Köhler ein Ballettstudio im Könizer Quartier Spiegel. 1996 zieht die grösser gewordene Schule an den heutigen Standort an der Sägemattstrasse 2 in Köniz-Liebefeld. Gleichzeitig steigt Eva Werner als Unterrichtende ein. 2002 übernimmt sie die Leitung. Nach zwanzig Jahren übersteht sie mit der Pandemie und dem Lockdown eine harte Prüfung. Umso wertvoller wird dadurch die 50-Jahr-Feier.
Tanzfest «INSIGHT – OUTSIDE»
Sonntag, 26. Juni, 14 bis 18 Uhr, Kulturhof Köniz.
Tanzvorführungen u.a. mit Gasttänzer Andrey Alves von «Bern Ballett» und 120 Tanzenden des «Ballet Studio Spiegel», viel Musik und mehr.
Tickets unter: www.kulturhof.ch
INFO:
www.ballettspiegel.ch