Blockbildung führt zu Blockade

Blockbildung führt zu Blockade

Wie froh sei man doch, gibt es in der Schweiz nicht nur Republikaner und Demokraten wie in den USA. Klar, Demokratie braucht Parteienvielfalt, um die verschiedenen Bevölkerungsgruppen abzubilden. Aber die letzte Legislatur offenbart so deutlich wie nie zuvor, dass es bei der Suche nach Mehrheiten zu Blockbildungen kommt; die Frage ist: Blockieren diese Blöcke die Politik?

12 Stimmen. So viele Bürgerliche haben in den letzten beiden Parlamentssitzungen in Köniz versucht, linke Anliegen zu bekämpfen. Pro forma. Denn Köniz hat eine breite und starke Mitte. Wenn sich diese nach links schlägt, bleiben nur noch 12 SVP- und FDP-Stimmen von insgesamt 40 übrig. Aber Vorsicht, das geht auch andersrum. Schlägt sich die EVP-GLP-Mitte Fraktion – etwa in finanziellen Traktanden – auf die bürgerliche Seite, unterliegen Grüne und SP mit ihren 18 Stimmen. Die Mitte ist also in Köniz nicht das Zünglein an der Waage, sondern gleich die Waage selbst.

Der grosse Block

Und dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. «Immer noch besser als abgekartete Abstimmungen wie in der Stadt Bern», könnte man argumentieren. Der linke Block ist in Bern so gross wie das Münster, die Bürgerlichen so schmächtig wie ein einzelner Pflasterstein in der Altstadt. Da auch die Mitte keine nennenswerte Grösse hat, bleibt die Situation von Beginn weg klar: Die Linken regieren, die Rechten reagieren. Wie sinnvoll ist ein Parlament, dessen Abstimmungsverhalten von vornherein so abgekartet ist? Es ist sinnvoll; weil es demokratisch legitimiert ist. Die Bevölkerung hat in der Hauptstadt eine klare Tendenz und lässt in sozialen und klimatischen Themen nicht mit sich reden. Demokratisch macht dieser grosse Block eine Debatte nahezu unnötig, aber der Souverän, das Volk, hat für solch klare Verhältnisse gesorgt. Und auf der anderen Seite gibt es viele ländliche Ortschaften, die aus einem kompletten Satz an SVP-Gemeinderäten bestehen. Solch grosse Blöcke blockieren nicht die ganze Politik, aber sie machen die Themenwahl und die Legislaturziele sicherlich einseitiger.

Der gefällige Block

Wie wäre es denn mit sehr offenen Politisierenden. Solche, die schon mal die Parteilinie verlassen? Sie finden, das klingt erbaulich? Hier zeigen Beispiele vergangener Legislaturen, wie heikel auch das sein kann. Nehmen wir an, Parlamentarierin A gibt Parlamentarier B ihre Stimme, verlangt aber im Gegenzug, dass Parlamentarier B ihr wiederum für ein anderes Geschäft seine Stimme gibt. Es entstehen Abhängigkeiten. Die Konsequenz ist oft jene, die in dieser Region viele Gemeinden kennen: Die Investitionskosten explodieren in der Summe der Abhängigkeiten oder umgekehrt, der Unterhalt wurde jahrelang torpediert, um das Budget kurzzeitig zu entlasten. Beides führt irgendwann zu markant höheren Ausgaben. Folgekosten einer Blockadepolitik, die über Gefälligkeiten funktioniert. Das lässt sich noch steigern, wenn genanntes Beispiel im Gemeinderat stattfindet. 

Der kompromissbereite Block

Blockbildung blockiert. Nicht gänzlich, aber in allen erdenklichen Varianten zumindest genug stark, dass Probleme ungelöst vor sich hergeschoben werden; wie der Schuljunge, der auf dem Nachhauseweg einen Stein vor sich hinkickt, um zu sehen, wie lange er das schafft. AHV-Revision, Krankenkassenprämien, Klimapolitik, Energieknappheit. Diese bleiben nicht gänzlich ungelöst, aber die Lösungen gleichen einem Flickenteppich. Es ist lange her, dass Politisierende tiefgreifende Lösungen für grosse Probleme gefunden haben. Die Einführung der AHV etwa im Jahre 1948. Es wäre vielleicht doch mal wieder an der Zeit, für einen solchen Wurf. Sonst überholt uns irgendwann plötzlich noch ausgerechnet die EU, während die Schweiz sich auf den Lorbeeren ausruht und Politiker medienwirksam wiederholen, wie toll die Schweiz doch ist. Was fehlt, ist so einfach wie schwer zu finden: Kompromissbereite Politikerinnen und Politiker. Solche, die für die Werte der Partei einstehen, aber eben noch ein Quäntchen mehr für jene der Schweiz als Ganzes. Sie hören zu, suchen Lösungen und gehen auch mal Schritte aus der Komfortzone heraus, um ein Ziel zu erreichen. Solche Menschen sind – mit Verlaub – etwas seltener geworden. Die Schweiz kennt auch heute grossartige Politikerinnen und Politiker, fleissige, kritikfähige, kompromissbereite. Aber eben nicht nur. Eigentlich geht es darum, eine grosse Mehrheit an kompromissbereiten Politisierenden zu finden, egal welcher Parteicouleur. Einen grossen Block der Kompromissbereitschaft.

Sind nun die Bürgerlichen die Republikaner und die Linken die Demokraten, um den Vergleich mit den USA wieder zu zücken? Glücklicherweise nicht. Die Demokraten sind weniger links und die Republikaner mitunter rechter als die SVP. Die USA als ganzes taumelt in die Zahlungsunfähigkeit und muss die Lösung des Problems auf die Schultern eines einzigen Präsidenten legen (vielleicht könnte man es mal mit einer Frau probieren), während die unterlegene Partei im Senat und Kapitol alles daran setzt, dessen Fortschritte zu torpedieren. «Mission impossible.» Die Schweiz hat schon bewiesen, wie Kompromisse funktionieren. Im Kleinen ist der Coup von Köniz, als alle Parteien unisono sich zusammengesetzt haben, um ein Finanzdebakel zu verhindern, das beste Beispiel wie es funktionieren könnte. Und genau so ginge es auch mit den Blöcken; doch ohne Kompromissbereitschaft heisst es tatsächlich: Blockbildung führt zu Blockade. 

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