Die Stimmung ist locker, das Erstaunen, als Gemeinderat Thomas Brönnimann (GLP) erstmals mit Krawatte auftritt, gross. Noch vor wenigen Monaten hätte niemand geglaubt, dass Köniz die Medienkonferenz zur Jahresrechnung einmal so entspannt angehen könnte. Doch die Gemeindepräsidentin Tanja Bauer verdeutlicht schon in ihren ersten Worten, dass es sich eher um eine kurzfristige Entspannung handelt: «Wir sind auf dem richtigen Weg, auch dank der Steuererhöhung. Doch die anstehenden Herausforderungen sind beträchtlich.»
Pipeline ist prall gefüllt
Viele Investitionen mussten im Jahr 2022 zurückgestellt werden, auch aufgrund des budgetlosen Zustands. Die Gemeinde realisiert nur gerade 66 % aller Vorhaben. Gemeinderat Christian Burren (SVP) nennt ein Beispiel aus seiner Direktion für Planung und Verkehr: «Spardruck und Budgetkürzungen haben für niedrigere Ausgaben gesorgt, so etwa bei der Stapfenstrasse, die aufgrund von Verzögerungen und Einsprachen erst in diesem Jahr realisiert wird.» Der Gemeinderat entschied ganz generell, wenn es zu Einsprachen kommt, die Projekte zurückzustellen. In der Direktion für Sicherheit und Liegenschaften sind beispielsweise 10 Mio. Franken weniger ausgegeben worden. Aufgeschoben ist aber eben nicht aufgehoben. Deshalb meint Direktionsvorsteher Brönnimann: «Weder Gemeinderat noch Parlament dürfen nun übermütig werden. Es stehen grosse Herausforderungen an. Die Pipeline an Investitionen ist gefüllt.»
Geduld gefragt
Ein fast schon unerfreulicher Spar-
effekt ist der Fachkräftemangel. «Wir haben unter dem Personalmangel im Vorjahr stark gelitten», räumt Hansueli Pestalozzi (Grüne) ein. Eine allgemeine Aussage, die über seine Direktion «Umwelt und Betriebe» hinaus geht und etwa auch Hans Peter Kohler (FDP) in der Direktion «Bildung und Soziales» bestens kennt. Die Lohnkosten sanken, die Überstunden stiegen an. Doch der Gemeinderat hat in Zusammenarbeit mit der Verwaltung längst reagiert. Das Zauberwort heisst «Personalstrategie». Kein Papiertiger wie sich zeigt, sondern eine Stossrichtung, um die Gemeinde als Arbeitgeberin attraktiver zu machen. Köniz setzt auf die Jungen, bietet viele Lehrstellen an und baut diesen Bereich gar noch aus. «Das zeigt langsam Wirkung», meint Burren, dessen Direktion die erste ist, die nun wieder in Vollbesetzung operieren kann. Übrigens mit positiven Effekten auf die Zahlen, denn der starke Anstieg an Baugesuchen fordert zwar neue Stellen, aber diese sind gebührenfinanziert und sorgen damit für Mehreinnahmen. Nun ist Geduld gefragt, bis die Strategie ihre Wirkung entfalten kann.
Mehreinnahmen
Der Gewinn resultiert aber nicht nur aus Kosteneinsparungen, sondern auch aus Mehreinnahmen. Prognostiziert waren 125 Mio. Franken an Steuereinnahmen. Schlussendlich nahm die Gemeinde 140 Mio. Franken ein, einschliesslich der juristischen Personen. Hier spricht Gemeindepräsidentin Bauer von «Son-
dereffekten». Die Steuererhöhung bewirkt Mehreinnahmen von 6,7 Mio. Franken. Es sind also andere Punkte, die diesen erfreulichen Anstieg verursachen: Nachzahlungen und die höhere Veranlagung von juristischen Personen. Im Umkehrschluss gilt deshalb: Die Steuererhöhung allein hat den satten Gewinn nicht verursacht, sondern hätte vielmehr – wie im Vorfeld richtig angenommen – ein ausgeglichenes Budget erzielt.
«Wir haben erstmals seit zehn Jahren einen Überschuss. Der Finanzfehlbetrag aus dem Jahr 2021 ist abgetragen, es gab keine Neuverschuldung mehr und der Kanton hat die Aufsicht eingestellt.» Was Tanja Bauer zusammenfasst, ist deshalb erfreulich, weil die Sparprobleme im Fachkräftemangel erkannt und angegangen werden. Die gut gefüllte Pipeline an Investitionen ist zweifelsohne eine hohe Hürde, aber Köniz hat in den vergangenen Jahren viel für Familien getan und eine gute Altersdurchmischung in der Bevölkerung; anders gesagt: beste Voraussetzugen, dass sich die Steuereinnahmen auf natürliche Art Jahr für Jahr ein wenig steigern lassen und genügend Geld für die Infrastruktur zur Verfügung steht. Es spricht für den Gemeinderat, dass er in diesem Bereich aber keine himmelblauen Prognosen macht, sondern konzentriert weiterarbeitet und die Finanzen mit Argusaugen beäugt. Das erzeugt Vertrauen oder Zuversicht… und das gab es schon lange nicht mehr.