Wenn die Könizerin im Jahr 2024 das Glöcklein erstmals läutet, um die Frau- und Herrschaften auf ihre Plätze und zur Ruhe zu bitten und dann den Ratsverlauf am Mikrofon zu eröffnen, wird das für die Grünen ein besonderer Moment sein. 16 Jahre lang mussten sie sich gedulden, ehe man ihnen wieder dieses Präsidium zugestand. Bei der wachsenden Parteistärke der Grünen überrascht das. 2017 und 2021 verhinderte eine bürgerliche Mehrheit diesen Anspruch. So kommt es, dass sich die drittstärkste Partei im Parlament seit 2008 gedulden musste.
Unbestritten
«Deshalb war ich mir im Vorfeld nicht so sicher, wie der Rat entscheiden wird», räumt Bühler ein. So verständlich diese Sorgen nach der Vorgeschichte sind, so schnell dürften sie verflogen sein. Satte 145 von insgesamt 155 Stimmen erntet die promovierte Umweltwissenschaftlerin. Sie erhielt Zuspruch vom Berner Jura bis ins Kandertal, von rechts bis links. Viel Vertrauen für eine Frau, die erst seit 2021 im Gros-sen Rat sitzt. Viele Ratsmitglieder dürften realisiert haben, dass ihre neue Kollegin so ziemlich das Gegenteil einer Hinterbänklerin ist. Vorlagen verstehen, deren Auswirkungen erkennen, daraus mehrheitsfähige Lösungen erarbeiten, das hat sie in verschiedenen Vorstössen in den Bereichen Landwirtschaft, Sozialwesen, Klimaschutz oder Kreislaufwirtschaft aufgezeigt. «Wir brauchen pragmatische Lösungen über die Parteigrenzen hinweg», unterstreicht sie. Es erstaunt daher nicht, dass sie sowohl Mitglied der Justizkommission ist sowie deren Ausschuss leitet, der damit die Aufsicht über die Staatsanwaltschaft wahrnimmt.
Als Frau
Doch die Voten im Vorfeld der Wahl zur 2. Vizepräsidentin verliefen nicht ganz entlang dieses Leistungsausweises. «Das Präsidium war in der Vergangenheit männerlastig, weshalb es oft nur darum ging, dass ich eine Frau bin, noch dazu unter 40-jährig», stört sich die Wissenschaftlerin. Gut vorbereitete Reden, klare Forderungen und eine Fähigkeit zu debattieren gehören zu ihrer DNA. Jüngst hat sie beim Verkehrsknotenpunkt in Kleinwabern im Könizer Parlament aufgezeigt, weshalb überdimensionale Insektenhotels als Blickfang ihr Ziel verfehlen würden und schattenspendende Bäume ökologischer und günstiger wären. Selbst der Gemeinderat musste einsehen, dass hier geballtes Fachwissen in klare Worte geformt entgegenhallt. «Ich möchte einfach nur, dass man meine Fähigkeiten beurteilt und nicht mein Alter oder Geschlecht», fasst sie zusammen.
Als Könizerin
Skepsis, jemanden in die Laufbahn zum kantonalen Parlamentspräsidium zu schicken, die erst ein Jahr im Amt ist, hatte hingegen niemand. «Früher war es eher der Abschluss einer politischen Karriere, typischerweise von älteren Männern. Heute ist das anders, viele haben den Start einer politischen Karriere mit diesem Amt markiert», erklärt sie. Dominique Bühler passt damit gut ins Drehbuch der Berner Politgeschichte. Sie steht für eine neue Generation, die sich in die Dossiers einarbeitet, um von Anfang an mitzuwirken. Quasi «schnelle Berner», um ein Klischee zu bedienen. Vorerst aber muss sich die Grüne noch etwas gedulden; ab 2023 wird sie erste Vizepräsidentin, erst im Jahr 2024 wird sie zur höchsten Bernerin. Auch eine Ehre für Köniz. Seit 1897 war lediglich Fritz Rohrbach aus Mittelhäusern im Jahr 1969/1970 Präsident des Grossen Rats. Im Zeitraum von 125 Jahren ist Dominique Bühler damit erst die zweite Person aus Köniz, die das Präsidium übernehmen wird. Angesichts der Grösse der Gemeinde ist man auch da – wie beim Wähleranteil der Grünen – geneigt zu sagen: höchste Zeit. Die Politikerin wird im Jahr 2024 die Parlamentsfeier natürlich nach Köniz bringen. «Am liebsten mit der Möglichkeit, dass die Bevölkerung mit dabei sein darf», hofft sie.
Während der Regierungsrat getreu des Wortes regiert, präsidiert die Präsidentin des Grossen Rates das Parlament. Sie leitet, begleitet und vertritt den Kanton Bern an verschiedenen öffentlichen Anlässen. Wie klingt das alles für Dominique Bühler? «Noch etwas ungewohnt», schmunzelt sie und ergänzt: «Ich identifiziere mich mehr mit all dem, was ich selbst machen möchte.» Eine neue Generation also. Titel sind nicht so wichtig, Taten dafür umso mehr. Und genau das ist es doch, was präsidieren letztendlich sein sollte.