«Das Parlament und die Stimmberechtigten werden sich mit einer Grundsatzfrage befassen müssen», sagt Gemeindepräsidentin Annemarie Berlinger-Staub. «Soll die Steueranlage 1,60 betragen und damit die Qualität von wichtigen Leistungen zugunsten der Bevölkerung erhalten bleiben? Oder soll die Steueranlage etwas tiefer ausfallen und Leistungen gekürzt und gestrichen werden, die für einen grossen Teil der Bevölkerung wichtig und von grossem Nutzen sind?»
Teure Resultatkosmetik
Die Präsidentin zielt mit dieser Aussage auf die Folgen des zweiten Szenarios hin. In der ersten Variante schlägt der Gemeinderat vor, die Steueranlage befristet auf sechs Jahre auf 1,60 zu belassen, wie in jener Vorlage, die das Volk verworfen hat. Der Gemeinderat will eigentlich an diesem Szenario festhalten. Dennoch unterbreitet er eine zweite Version mit einem Steuerfuss von 1,58 – ebenfalls befristet auf sechs Jahre. Eine Alibiübung, nur damit man dem Gemeinderat keine Untätigkeit vorwerfen kann? Nicht unbedingt, denn dieser Vorschlag erfordert jährlich zusätzliche Sparmassnahmen in der Höhe von 1,4 Mio. Franken. Einsparen müsste der Gemeinderat vor allen Dingen bei den freiwilligen Leistungen; das heisst, bei denjenigen Angebote und Leistungen, für die es keine übergeordnete gesetzliche Grundlage gibt. Davon betroffen sind unter anderem Angebote wie die Bibliothek, das Schwimmbad, oder gewisse Bereiche der Musikschule. Sie müssten künftig mit je 100’000 Franken jährlich weniger auskommen. Die Liste der betroffenen Dienstleistungen umfasst 17 komplette Streichungen und 14 Kürzungen. Die 0,02 Steueranlagepunkte mögen auf den ersten Blick nach Resultatkosmetik ausschauen; auf den zweiten Blick hingegen bedeuten sie gravierende Einschnitte. Ein gutes Beispiel sind die Sozialbeiträge «Tagesfamilien Kindertagesstätten.» Eine Familie bezahlt mit der Variante 2 marginal weniger Steuern, dafür werden die Beiträge an die Kindertagesstätten um 76’000 Franken gekürzt, was Mehrkosten für die Familie bedeutet. «Vom finanziellen Ergebnis her unterscheiden sich die beiden Varianten nur unwesentlich. Der Weg, wie wir den Finanzhaushalt verbessern, ist jedoch ein anderer», erklärt Berlinger-Staub.
Unterschiedliche Reaktionen
Zu den beiden Varianten mit 1,60 ohne zusätzliche Sparmassnahmen oder 1,58 mit zusätzlichen Sparmassnahmen von 1,4 Mio. Franken liessen die Reaktionen der Parteien nicht lange auf sich warten. Die Grünen sprechen bei der zweiten Variante von einem «zusätzlichen Leistungsabbau». «Zusätzliche Einsparungen, wie sie in Variante zwei vorgesehen sind, sind aus Sicht der Grünen inakzeptabel», schreibt die Partei in einer Medienmitteilung. Aus ihrer Sicht zeigen die beiden Szenarien auf, dass es ohne substanzielle Steuererhöhung nicht geht. Bei der Partei die Mitte klingt das ein wenig anders. «Vor dem Hintergrund der am 28. November gescheiterten Vorlage muss der Erfolg dieser Strategie als fraglich beurteilt werden», heisst es in ihrem Kommunique. Die Mitte reagierte nach dem Scheitern der Steuervorlage beim Volk. Sie schlug vor, die Befristung auf lediglich zwei Jahre anzusetzen und dann erneut das Volk mit einem Vorschlag zu befragen. «Der Gemeinderat muss dieses Signal nun endlich verstehen und handeln», schrieb die Partei nach der Abstimmung. Das ist aus Sicht der Mitte mit diesen beiden Varianten klar nicht erfüllt.
Es brodelt im Hintergrund
Die Finanzkommission des Parlaments berät in diesen Tagen die Vorlagen und wird dem Parlament eine Empfehlung geben. Keine einfache Aufgabe. Die Fraktionen bringen sich in Stellung, damit die Positionen am 14. Februar bezogen sein werden. Dann nämlich berät das Parlament die Budgetvorlage. Kann es sich einigen, kommt es am 15. Mai erneut zu einer Volksabstimmung. Sollte das Volk dann aber erneut Nein sagen, entscheidet in der Folge der Kanton über Budget und Steueranlage.
Der Gemeinderat setzt ein deutliches Zeichen. Ohne Steuererhöhung geht es nicht; nicht mal mit einer geringfügigen. Eine Mehrheit im Parlament teilt diese Sicht. Die zweite Variante gleicht deshalb eher einer Alibiübung. Eine Mehrheit des Volkes hingegen durfte sich über keine der Varianten freuen. Es wird in den kommenden Wochen entscheidend sein, wie gross das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Exekutive und Legislative ist. Denn zwischen der Sichtweise der politischen Räte und jener des Volks klafft eine Lücke. Die Lücke des Misstrauens: Wer der Könizer Politik und deren Beurteilung der Lage traut, müsste eigentlich für die Steuererhöhung votieren.