Es herrscht geschäftiges Treiben im Saalbau in Gasel an diesem Montagmorgen. Im Untergeschoss geben Jugendliche ihren Lehmfiguren den letzten Schliff, während unter dem Dach vorwiegend junge Frauen bzw. Mädchen an Nähmaschinen beschäftigt sind. «Heute ist unser Werktag», lacht Martin Nedi, der gemeinsam mit seinen Kolleginnen Marie-Therese Piller und Lice Fürst die über 20 Schülerinnen und Schüler der RIK+ unterrichtet. Seine Schützlinge stellen verschiedene Produkte her, die am 29. März im Rahmen eines Markttages in Köniz und Bern verkauft werden (vgl. Kasten)
Regional organisiert
Doch was ist RIK+ überhaupt? Möglichst alle Kinder und Jugendlichen sollen in der Volksschule eine abgeschlossene Grundbildung erhalten. So ist es im kantonalen Volksschulgesetz vorgesehen. Das ist bei fremdsprachigen Zugezogenen, meist aus Familien mit Migrationshintergrund, ein Problem. Seit Sommer 2016 besteht deshalb ein regional organisiertes Volksschulangebot. «Dieses ist auf den spezifischen Bildungsbedarf von neu zugezogenen Jugendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren ohne Kenntnisse der Unterrichtssprache und ohne (lateinische) Alphabetisierung oder vergleichbare Schuldbildung zugeschnitten», schreibt die kantonale Erziehungsdirektion, welche diese Kurse finanziert. RIK+ wird dabei vor allem in jenen Städten und Gemeinden angeboten, in denen auch der gymnasialer Unterricht stattfindet. Neben Gasel in der Gemeinde Köniz gibt es dieses Angebot auch noch in Bern, Biel, Burgdorf, Langental, Langnau im Emmental und Thun.
Mit RIK+ wird der Zielgruppe ermöglicht, sich in der für sie nur noch kurz dauernden Volksschulzeit ausreichende Deutsch- bzw. Mathematikkenntnisse sowie weitere Kompetenzen anzueignen, die für eine erfolgreiche Teilnahme am normalen Unterricht in einer Klasse der Sekundarstufe I oder für eine Anschlusslösung auf der Sekundearstufe II nötig sind. «Die Schüler hier bei uns wechseln häufig», erklärt Martin Nedi. Zudem verbringen einige Schülerinnen und Schüler einen Teil der Lektionen in einer Teilintegration an einer Regelklasse ihres Wohnorts. Dies bedingt eine gute Zusammenarbeit zwischen den Schülern, den Eltern, den Schulleitern sowie Klassenlehrpersonen. Es funktioniert recht gut, meint Martin Nedi.
Vor allem Deutschunterricht
«Die Sprache ist der Schlüssel», erklärt Matthias Borner, Leiter der Koordinationsstelle für besondere Förderung in der Gemeinde Köniz. Kein Wunder also, fallen von den 24 Lektionen deren 17 auf den Deutschunterricht. Immerhin vier Lektionen sind für Mathematik reserviert, zwei für Werken und eine Lektion für den Sport. Zweimal pro Woche findet der Unterricht am Nachmittag statt. Dann bleiben die Jugendlichen im Saalbau Gasel und werden über den Mittag betreut. Neben der Sprache werde auch ein gewisses Kulturverständnis vermittelt. Und das ist manchmal gar nicht so einfach. «Eritrea, Irak, Moldawien, Pakistan, Paraguay, Sri Lanka, Syrien, Tibet…», zählt Martin Nedi auf entsprechende Nachfrage die Herkunftsländer seiner Schützlinge auf. «Es gibt Jugendliche, die traumatisiert sind von dem Erlebten, etwa, wenn sie vor dem Krieg in ihrer Heimat flohen. Es braucht eine gewisse Zeit, bis sie hier angekommen sind und spüren, wie es bei uns in der Schweiz läuft. Sie müssen sich zudem auch in der Rolle des Schülers beziehungsweise der Schülerin mit allen Rechten und Pflichten zurechtfinden. Dazu gehört eben auch, dass sie pünktlich zum Unterricht erscheinen, dass sie die Hausaufgaben machen oder sich im Verhinderungsfall abmelden», beschreibt Borner die Situation. «Diejenigen, die mit ihrer Familie in die Schweiz gereist sind, haben einen gewissen elterlichen Rückhalt. Schwieriger wird es bei jenen, die alleine hier sind», so der Leiter der Koordinationsstelle weiter.
Von Schwierigkeiten ist an diesem Montagvormittag indes nichts zu spüren. Jüngere wie ältere Schülerinnen und Schüler arbeiten mit Hochdruck an ihren Projekten oder ihren Aufgaben, damit die allfällige Sprachbarriere bald überwunden werden kann und der Weg zu einer guten Integration frei ist.