Beim Migros Blauäcker direkt hinter den Bahngleisen liegt versteckt das Atelier «2UND» von Beatrice Altwegg, der Steinbildhauerin. Fast sieht man es nicht, denn es tritt ein bisschen von der Strasse zurück und nur ein paar Steinblöcke vor der Tür geben einen Hinweis, was sich im Inneren befindet. Geht man aber hinein, steht man mitten im Zentrum von künstlerischer Betriebsamkeit und Kreativität hängt in der Luft. Eine überlebensgrosse Frauenstatue lehnt an der Wand, selbstgemalte Bilder hängen über der Werkbank, Tierfiguren und Lampen bekommen den letzten Schliff und die Künstlerin selbst experimentiert gerade damit, wie viel Zinn es braucht, um einen kleinen Hasen zu giessen.
Spiel mit Materialien und Eigenschaften
Stellt sie normalerweise Grabmale her, sprüht sie vor Freude, wenn sie auf einige der Objekte zeigt, die sie in ihrer diesjährigen Frühjahrsausstellung zeigen möchte. Da ist zum Beispiel eine Lampe aus Beton, die innen mit Schlagmetall vergoldet ist. Beton? Ist das nicht viel zu schwer? Nein, denn Beatrice Altwegg hat einen Weg gefunden, die Betonlampe so zu modellieren, dass sie fast leicht ist. Herausgekommen ist ein spannender Materialmix, der gleichzeitig minimalistisch und edel wirkt. Stunden, Tage hat sie getüftelt, immer wieder ausprobiert, verändert, verbessert. Mit Materialien spielt sie gern, schenkt ihnen neue Eigenschaften, experimentiert mit dem Möglichen. So hat sie es auch geschafft, eine Katze aus Gips zu giessen, die so aussieht, dass man schwören würde, es handle sich um Metall. Eine erstaunliche Täuschung, die ihr mithilfe einer Maltechnik gelingt, die «Patinieren» genannt wird. Gerne arbeitet Altwegg mit Struktur und Muster der Materialien, die sie verwendet, und greift dabei auf Holz, Beton, Stein, Gips und sogar Papier zurück.
Vielseitigkeit
Dass die Steinbildhauerin so vielseitig ist, liegt an ihrem Werdegang, denn bevor Beatrice Altwegg mit 42 Jahren eine Ausbildung zur Steinbildhauerin begann, hatte sie an den Kunstgewerbeschulen Zürich und St. Gallen studiert, war Werklehrerin an Schulen. Sie verfügt daher über ein breites Wissen zu verschiedensten Materialien und Techniken, die in ihrer Arbeit interessante Verbindungen eingehen. «Aus dem Nichts etwas entstehen lassen», beschreibt sie ihren Stil und versucht dabei, zu reduzieren und eine gewisse Schlichtheit zu wahren.
Ideen trägt sie oft monatelang mit sich herum, auch die zu ihren Grabsteinen, hinter denen immer eine persönliche Geschichte steht. So gestaltete sie für eine jung verstorbene Surferin, die gerne reiste, ein Grabmal in angedeuteter Surfbrett-Form. Und für einen Verstorbenen mit südamerikanischen Wurzeln fuhr sie bis zur Nazca-Ausstellung in Zürich, um Ornamente und Figuren der alten Kultur zu studieren und für den Grabstein zu verwenden.
Freude am Experiment
Wie viel Arbeit in solchen Werken steckt, mag man sich gar nicht vorstellen, aber das Ergebnis überzeugt. «Die Stunden, die da investiert werden, sind fast nicht zu bezahlen», sagt Altwegg, der sehr bewusst ist, dass ihre Ausstellungsstücke auf den ersten Blick teuer wirken. Bedenkt man aber die Handarbeit, das tagelange Experimentieren und Überarbeiten und den Sachverstand, relativiert sich der Preis. Dazu kommt, dass die Ausstellungsstücke Unikate sind, die man nirgends sonst so kaufen kann. Wer sich also etwas Besonderes gönnen will, wird sich über die Ausstellung ebenso freuen wie Menschen, die künstlerische Spielfreude zu schätzen wissen. «Ich möchte einfach zeigen, was ich hier mache», sagt Altwegg über die Ausstellung. Zu sehen sind auch Möbel und dekorative Kunstgegenstände der Kunstschlosserei «Chromstahl-Design» aus Gelfingen, die ihrem Partner Markus Neidhart und dessen Sohn Stefan gehört. Für Interessierte, die sich selbst gerne kreativ betätigen möchten, bietet die Steinbildhauerin jeden letzten Samstag im Monat ein offenes Atelier an und Sommerkurse für alle, die gerne Steinbildhauerei erlernen möchten. An den Tagen der Ausstellung haben Kinder die Gelegenheit, selbst kleine Zinnosterhasen zu giessen.