Dirigentin der klaren Töne

Dirigentin der klaren Töne

Zum vierten Mal in Serie bekleidet eine Frau das Amt der höchsten Könizerin. Nach Catherine Liechti (SP), Katja Streiff (EVP) und Kathrin Gilgen (SVP) übernimmt Tatjana Rothenbühler (FDP) das Parlamentspräsidium; oder in ihrem Falle vielleicht passender: Sie orchestriert das 40-köpfige Ensemble.

Seit 1791 begeistert die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart ungebrochen viele Menschen. Eine davon ist Tatjana Rothenbühler: «Ich liebe Opern, speziell die Zauberflöte oder die mehrstündigen Wagner-Stücke», sagt sie und schickt den Worten ein breites Strahlen hinterher. Da die Familienfrau, Völkerrechtlerin und Politikerin als Parlamentspräsidentin kaum die Zeit finden dürfte, in den kommenden Monaten viele Opern besuchen zu können, soll sie hier ihre eigene erhalten.

Aufzug 1: Die Fleissige

In der Zauberflöte entsendet die Königin der Nacht den Prinzen Tamino, um ihre vermisste Tochter ausfindig zu machen. Wenngleich Rothenbühler auf eine intakte Familie mit ihrem Mann und den zwei Söhnen blicken darf – also niemanden wirklich vermisst – so ist sie doch eine Königin der Nacht. «Ich bleibe nie stehen, bilde mich stetig weiter und engagiere mich in Familie, Beruf und Politik», stellt sie etwas fest, was all jene wissen, die mit der 51-Jährigen schon in Kontakt standen. Vor wenigen Monaten hat sie erneut eine Weiterbildung absolviert, um als Chefin Compliance in einem Bundesamt noch fitter zu werden. Ihr Mann Stephan ist ein Rechtsanwalt, sie hingegen hat die Richtung Völkerrecht eingeschlagen und später eine Dissertation geschrieben. Ja, die Tage sind lang bei Dr. Tatjana Rothenbühler. Sie ist deshalb eine Art Königin der Nacht, weil man bei ihr nie das Gefühl hat, es mache ihr etwas aus, wenn die Tage zur Nacht werden; viel eher aber, wenn etwas plötzlich langweilig würde, oder in ihren Worten, sie plötzlich stehen bleiben müsste.

Aufzug 2: Die Gebildete

Es ist die Wiener Klassik, während der die Zauberflöte entstand. Eine Zeit voller Gepflogenheiten, Eitelkeiten und festgefahrenen Schemen. Gelehrte sprengten nach und nach die Fesseln der Zeit, die Freimaurer entstanden und deren Werte finden subtilen Eingang in die Handlung von Mozarts Oper. Auch in dieser Szene passt die neue Parlamentspräsidentin so gut auf die Bühne wie Papageno. Die strenge Zeit im Mädcheninstitut Ingenbohl bis zur Matura und die anschliessenden Traditionen der Studentenverbindung haben sie geprägt, ohne sie blind werden zu lassen. Die Bildung wird sogar zu ihrem politischen Steckenpferd. «Ein breitgefächertes Thema, das politisch immer wieder eine zentrale Rolle spielt», meint sie entsprechend. Die gesprengten Fesseln findet sie hingegen in ihrer Haltung: «Ich bin ein urliberaler Mensch. Ich glaube ich war schon so, bevor ich die FDP wirklich kannte», gibt sie unverblümt zu. Eigenverantwortung und Freisinn sind für sie kein Widerspruch zu Etikette und Bildung, sondern die ideale Paarung für ein selbstbestimmtes Leben.

Aufzug 3: Die Unternehmerische

Die Zauberflöte kennt einige melancholische Geigen-Passagen, welche die Verlustängste der Protagonisten unweigerlich in die Herzen des Publikums transportieren. In einer solchen Melancholie sieht die Parlamentspräsidentin die Situation der KMU. Doch die Dirigentin fordert hier das Orchester auf, im Fortissimo zu spielen. Sie wählt das passende Jahresthema: «Stärkung der KMU und des Wirtschaftstandorts Köniz», lautet das Motto. Und sie weiss, dass es mehr braucht als Lippenbekenntnisse, und ergänzt: «Ich will mit verschiedenen Aktionen Politik und Wirtschaft wieder näher zusammenbringen.» Die KMU-Spitzen aus Köniz dürfen sich darauf einstellen, dass sie im Jahr 2023 viel Gehör erhalten werden. Im Fortissimo versteht sich. Mit an Bord soll auch der erstarkte Jungfreisinn sein: «Sie haben ein Projekt namens ‹Lehrstellenkompass› als Austausch unter den Jungen in Köniz selbst entwickelt, eine tolle Idee, die es verdient, gefördert zu werden», ist sie sich sicher.

Aufzug 4: Die Staatsfrauische

Das Fortissimo muss im Parlamentsbetrieb aber den dezenten Passagen Platz machen. Als Präsidentin wird sie keine Voten halten dürfen. «Das fällt mir keinesfalls schwer», schmunzelt sie. Ihr berufliches Tätigkeitsfeld räumt dieser Aussage viel Nachdruck ein. «Die Aufgabe empfinde ich als ehrenvoll, darauf freue ich mich. Köniz hat ein tolles Parlament, das Demokratie und Lösungsfindung lebt», meint sie abschliessend. Und wenn das wider Erwarten einmal schwer sein sollte – gibt es noch ein magisches Utensil. Papageno kann mit seiner Zauberflöte jede Situation besänftigen. Und Tatjana Rothenbühler? Sie wird das (Zauber-)Glöcklein läuten, das ihr Ensemble jederzeit zu Ruhe auffordern kann. Als höchste Könizerin orchestriert sie also nicht mit dem Taktstock, sondern mit dem hellen Klang einer Glocke. Das Könizer Parlament erhält im Jahr 2023 eine Dirigentin der klaren Töne.

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