Er strahlt eine gewisse Ruhe aus, jener grosse Teich, umrahmt von einer Wiese, einigen Bäumen und jeder Menge Menschen, die an schönen Tagen den Liebefeld Park für ihre Freizeit nutzen. Hinter diesem Idyll steckt aber viel Arbeit, die seit Jahren von der Firma Bill + Meyer Gärten übernommen wird. Das könnte sich nun ändern. Der Gemeinderat hat beschlossen, dass die Grünpflege künftig intern mit einem neuen Team unter dem Namen «Grün Köniz» erledigt werden soll. «Es war ein Bestandteil der Aufgabenüberprüfung abzuklären, ob ein ‹Insourcing› dieser Arbeiten Einsparungen bringen könnte», begründet Gemeinderat Hansueli Pestalozzi (Grüne). «Cleangreen Consulting» aus Worb hat die von der Gemeinde extern vergebenen Aufträge mit einer «Hauslösung» verglichen und ist zum Schluss gekommen, dass Einsparungen zwischen 200’000 und 250’000 Franken möglich sind.
Äpfel und Birnen verglichen
Das bezweifeln Tobias Meyer und seine Kolleginnen und Kollegen, die bis anhin für die Gemeinde diese Arbeiten erledigt haben. «Die Zahlen mögen schon stimmen, aber die Gemeinde schaut es falsch an», meint er und begründet: «Es gibt eine beträchtliche Diskrepanz zwischen den Werkverträgen und den effektiven Kosten. Bei uns ging man von den Offerten aus und nicht von den tatsächlichen Kosten. Diese waren immer deutlich tiefer, wie unsere Rechnung aufzeigt.» Die Gartenunternehmen haben die durchschnittlichen Kosten der letzten Jahre selbst ausgerechnet und haben einen deutlichen Unterschied gegenüber den Offerten ausgewiesen. Das war Bestandteil eines Briefes, den sie an die Gemeindepräsidentin verfassten. «Wir stehen zum Wettbewerb, wenn man uns verständlich aufzeigen kann, dass es wirklich günstiger ist. Ihr Vergleich hinkt aber und ist nicht nachvollziehbar», fasst Meyer zusammen.
Einsparungen seien Fakt
«Wir haben die Offerten genommen, das ist richtig», antwortet Pestalozzi. Er begründet diese Vorgehensweise: «Wir haben uns die Frage gestellt, was es kosten würde, wenn ‹Grün Köniz› offerieren müsste, mit den Gemeindelöhnen und eigenen Parametern.» Konkret summieren sich die Offerten der fünf involvierten Gartenbaubetriebe auf 1,26 Mio. Franken pro Jahr, jene von «Cleangreen Consulting» errechnete Offerte für ‹Grün Köniz› steht bei 1 Mio. Franken. Eine Wirtschaftlichkeitsrechnung ist allerdings auch keine exakte Wissenschaft, vor allem, wenn es um einen Betrieb geht, den es noch gar nicht gibt. Dennoch ist sich der Gemeinderat sicher, dass Einsparungen erzielt werden. «Es ist schon richtig, wir haben in den letzten Jahren effektiv immer etwa eine Mio. Franken an die Gartenbaubetriebe bezahlt, also zirka 80% der offerierten Summe. Genauso wird es auch bei ‹Grün Köniz› so, dass nicht alle offerierten Leistungen ausgeführt werden, da viele Arbeiten nicht jedes Jahr anfallen. Somit werden sich auch bei ‹Grün Köniz› die effektiven Kosten auf rund 80% gegenüber der errechneten Offerte reduzieren», kommentiert Pestalozzi.
Engpässe
Das neue Konstrukt «Grün Köniz» soll sieben Stellen beinhalten. Eine relativ bescheidene Investition von 375’000 Franken in den kommenden drei Jahren ist ebenfalls angedacht. Dies weil «wir viele Synergien mit den bestehenden Unterhaltsdiensten der Gemeinde nutzen und die vorhandenen Maschinen deutlich besser auslasten können», weiss der Gemeinderat. So käme beispielsweise ein Rasenmäher, der bisher nur für den einen Sportplatz benutzt wurde, für weitere Einsätze zum Zuge. Gerade mit dem Blick auf den Liebefeld Park meint hingegen Meyer: «Man muss dann mähen, wenn die Menschen nicht auf der Wiese sind, das Wetter sollte stimmen und diese Flexibilität wird nicht immer mit Synergien harmonieren. Es wird Engpässe geben.» Also ein wenig wie beim Schneeräumen: Der Maschinenpark ist nicht nur auf leichten Schneefall ausgelegt, sondern auf mehr als nur die Durchschnittswerte. Gleiches gilt für die Friedhöfe; es wird nicht linear gestorben, wenn an verschiedenen Orten gleichzeitig Beerdigungen stattfinden, sieht der Gartenexperte Probleme. Entsprechend sagte er: «Ich befürchte, man fängt mit sieben Leuten und einem bescheidenen Maschinenpark sparsam an und kommt nicht umhin, bald schon auszubauen.»
Theorie und Praxis
Pestalozzi sieht das entspannter: «Dank ‹Grün Köniz› werden wir die Friedhöfe und die Grünanlagen aus einer Hand führen. Wir haben einen grösseren Pool an Mitarbeitenden, die Arbeiten können zusammengefasst und effizienter ausgeführt werden.» Wer hat nun recht? Die «Könizer Zeitung | Der Sensetaler» hat bei einer Gartenbaufirma in Thun nachgefragt. Bei einem Unternehmer, der nicht im Einzugsgebiet dieser Problematik liegt und frei Stellung nehmen kann: «Zugegeben, ‹Grün Köniz› klingt auf dem Papier sinnvoll und gut. Es besteht allerdings ein Risiko, dass die Praxis ein anderes Bild zeichnet.» Eine Aussage, die er in allen beschrieben Punkten präzisiert: «Es bestehen immer Unterschiede zwischen Werkverträgen und effektiven Abrechnungen, vermutlich liegen die wirklichen Einsparungen deshalb tiefer als von der Gemeinde angenommen», gibt er bezüglich der jährlichen Kosten zu bedenken. Was die Zahl der Mitarbeitenden angeht, «sind sieben Leute schnell einmal am Limit. Man darf nicht vergessen, dass extreme Trockenheit, Dauerregen und andere Wetterextreme zunehmen und das Team über die Massen beanspruchen. Es kann eine Zeit lang gut gehen, aber irgendwann kommt man in einen Engpass», weiss der Experte. Funktioniert denn dieser Pool an Leuten bezüglich der Synergien? «Leute abzuziehen, kann einen Rattenschwanz auslösen, sie fehlen dann anderswo. Personal als Springer einzusetzen, erachte ich zudem als nicht sehr motivierend», lautet seine Antwort. Der Thuner Experte meint abschliessend: «Die Gemeinde verfolgt eine tolle und sinnvolle Idee. Ich denke allerdings auch, dass sie recht optimistisch rechnen. Die Praxis kann diese theoretischen Annahmen vermutlich nicht ganz erfüllen. Wenn man dann mehr Leute anstellen muss und oder mehr Maschinen, landet man schnell wieder auf demselben Betrag wie im Moment.»
Mehr Biodiversität,
weniger Aufwand
Eine Aussensicht, die sich mit den Aussagen der ortsansässigen Gartenfirmen einigermassen deckt. Pestalozzi differenziert aber in einigen Punkten: «Sparen können wir nicht nur aufgrund der vorgängig erwähnten Synergien, sondern auch mit zwei weiteren Elementen. Zum einen spart die Gemeinde bei den Ausschreibungen und der Betreuung der Grünpflegeaufträge immer auch Geld, zum anderen sieht unser Konzept vor, mehr Biodiversität zu bieten und damit weniger Aufwand zu generieren.» Die hauseigene Grünabteilung arbeitet damit direktionsübergreifend an der Nachhaltigkeit mit und vernetzt sich. «Wir wollen die Biodiversität fördern und die Stelle entsprechend ausschreiben. Angedacht sind beispielsweise mehr Hecken für Vögel, Ast- und Laubhaufen für weitere Tiere sowie die Verwendung von weitgehend einheimischen Pflanzen. Wir schaffen Vielfalt mit weniger Aufwand», erklärt der Biologe. Ein Wissen, das den Gartenexperten der Region nicht unbekannt ist. «Wir bilden uns laufend weiter und wissen genau, wie man das hinbekommen würde», fügt Meyer an. Der Thuner Experte bringt noch einen weiteren Punkt, den es zu bedenken gelte: «Biodiversität ist nicht unbedingt gleich weniger Arbeit. Man darf die Neophyten nicht vergessen. Ein Neophyt kommt selten allein und da gilt es stets ein geschultes Auge darauf zu haben. Was die Öffentlichkeit angeht, weiss ich aus Erfahrung, dass etwas wildere Stellen von den Menschen oft nicht verstanden und manchmal sogar beanstandet werden. Da müsste die Gemeinde sicherlich über die Medien kommunizieren, welche Ziele verfolgt werden.»
Politischer Prozess
In Sachen Kommunikation der Gemeinde war zumindest der Start von «Grün Köniz» aus Sicht der Gartenunternehmungen recht plötzlich. «Wir wurden telefonisch an einem Donnerstagnachmittag informiert und mussten am Freitagvormittag darauf erscheinen, damit sie uns von ihrem Vorhaben unterrichten konnten. Noch während dieser Sitzung ging die Medienmitteilung heraus», erinnert sich Meyer. Die Mitarbeitenden hätten es im schlechtesten Fall im Radio gehört ohne Vorankündigung ihrer Vorgesetzten. Die Friedhofgärtnerei Köniz wird in der zweiten Generation von der Familie Wäfler geführt. Diese müsste aufgrund von «Grün Köniz» Mitarbeiter entlassen. Zwar wäre das erst Ende 2023 der Fall, denn so lange läuft noch der aktuelle Vertrag und für die Mitarbeiter gäbe es die Chance, bei der Gemeinde angestellt zu werden. Aber ein herber Schlag ist das allemal. «Wir werden deshalb bemüht sein, nach einvernehmlichen Lösungen zu suchen, wir wollen keine Arbeitsplätze vernichten, sondern die neuen Arbeitsplätze von ‹Grün Köniz› möglichst gut besetzen, ohne dass welche verloren gehen», reicht Pestalozzi den Firmen die Hand. Unterstützung erhalten sie zusätzlich von politischer Seite. SVP-Parlamentarierin Katharina Gilgen-Studer hat eine dringliche Motion eingereicht, welche die Kostenaufstellung der Gemeinde noch einmal genau betrachten will. Ein Wiedererwägungsgesuch an die Adresse des Gemeinderats inklusive. Theoretisch besteht also noch die Chance für die Gartenfirmen, das Vorhaben abzuwenden, aber eben: Zwischen Theorie und Praxis bestehen oft Unterschiede.
«Grün Köniz» ist eine gute Idee, die Geld sparen könnte, Biodiversität und Synergien fördert. Dass die Rechnung allerdings nicht wie angedacht aufgeht, davon sind die Gartenfirmen überzeugt. Ob nun also dieses «Insourcing» eher ein fauler Apfel oder eine reife Tomate ist, liegt im Auge des Betrachters. Wie sagt Hansueli Pestalozzi so schön: Wirtschaftlichkeitsrechnungen sind keine exakte Wissenschaft aber auch keine Wahrsagerei.