Wer mit dem Sensebezirk verwurzelt ist, ihn als Zuwanderer bewohnt oder sich sonst für ihn interessiert, findet in der Beitragssammlung «40 x Seiselann» so ziemlich alles, was man wissen muss und wissen kann über diesen wunderschönen Landstrich zwischen Sense, Aergera und Saane. Der Schriftleiter und Stiftungsratspräsident des Sensler Museums, Beat Hayoz, bezeichnete das reich bebilderte Nachschlagewerk als Geschenk an die Sensler Bevölkerung. Anlass dazu bildet der 40. Geburtstag des Sensler Museums.
Aus der Rückständigkeit erwacht
«40 x Seiselann» erinnert zunächst an die schwierige Vergangenheit des Sensebezirks. Bis weit in die zweite Hälfte des
20. Jahrhunderts stand er unter der Kontrolle der praktisch uneingeschränkt herrschenden Kirche und eines konservativen politischen Regimes. Der Charakter vieler Senslerinnen und Sensler war geprägt von blindem Gehorsam, Anpassung und fehlendem Wagemut. Der Bezirk verharrte in Lethargie und Armut. Während Jahrzehnten war er ein Auswanderungsland. Mangels beruflicher Perspektiven mussten sehr viele, meist nur minimal ausgebildet, ihre Existenz auswärts suchen. Erst nachdem die alten Machtmonopole fielen,
erwachten die Sensler, brachen aus ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Isolation aus, entwickelten Eigeninitiative und ein starkes Selbstbewusstsein. Mitverantwortlich dafür waren der Mitte der 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts einsetzende Wirtschaftsboom, ein modernisiertes Bildungssystem und die verbesserte verkehrsmässige Erschliessung. Heute bildet der Sensebezirk eine weltoffene, liberale Gesellschaft, verfügt über eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur, ein ausgezeichnetes Bildungswesen und eine hohe Lebensqualität. Trotz aller Modernität hat die Bevölkerung ihre Vergangenheit aber nicht vergessen. Altes Brauchtum, typisch senslerische Anlässe, kulinarische Spezialitäten und andere Eigenheiten, insbesondere das «Seisler-Tütsch», werden bewusst gepflegt und tragen zur Identifikation der Sensler mit ihrer Heimat bei.
Farbiges Mosaik an Themen
Mehrere Beiträge zeichnen die einstige und heutige Situation des Sensebezirks in einer breiten Palette von Themenfeldern nach. Gleich fünf Aufsätze schildern die Geschichte des Bezirks und jene seiner Gemeinden, Pfarreien und Weiler. Bis 1831 nahmen die Pfarreien die Aufgaben wahr, die heute den politischen Gemeinden übertragen sind. Ursprünglich waren nicht unbedingt die Dörfer der bevölkerungsstärkste Teil einer Pfarrei, sondern verschiedene Weiler. Dies erklärt, weshalb sich in vielen Gemeinden erst in der Neuzeit eigentliche Dorfkerne gebildet haben. Unter den Titeln «Landwirtschaft» und «Industriepioniere» ist zu erfahren, dass im Sensebezirk bis 1950 die Landwirtschaft noch klar dominierte und dass im Oberland die Strohflechterei lange von grosser Bedeutung war. Die Industrialisierung galt beim Klerus und der herrschenden Schicht als Brutstätte der Unmoral. Man fürchtete sich vor fremdem Gedankengut und vor einer Proletarisierung der Bevölkerung. Erst nach der Eröffnung der Bahnlinie Bern-Freiburg (1862) fassten Industriebetriebe und erste Banken allmählich Fuss. Initianten waren in vielen Fällen zugewanderte Pioniere. Selbst wenn sich auch im Sensebezirk die Wirtschaftsstruktur deutlich zugunsten des Dienstleistungssektors verschoben hat, beherbergt er gleich mehrere Hightechbetriebe, welche national und zum Teil international eine führende Marktstellung besetzen.
Weitere Abschnitte des Buches befassen sich mit dem vielfäl-
tigen weltlichen und kirchlichen Brauchtum, typisch senslerischen Orts-, Flur- und Familiennamen, alten Patriziersitzen, kulina-
rischen Spezialitäten und selbstverständlich mit dem Sensler Dialekt. Dank der langen geografischen, kulturellen und sprachlichen Isolation blieben viele archaische Begriffe und Strukturen erhalten. Heute stellt er das wohl wichtigste Identitätselement des Sensebezirks dar. Mehrere, mit stimmungsvollen Bildern ergänzte Beschreibungen, führen uns durch die an Kontrasten so reichen Sensler Landschaften, auf den Jakobsweg und zu attraktiven Aussichtspunkten.
«40 x Seiselann» besingt nicht nur die schöne heile Welt. Neben der Vergangenheit und der Gegenwart kommen auch Gedanken zu den mentalitätsmässigen Unterschieden zwischen dem Unter- und Oberland sowie zur Zukunft des Sensebezirks zum Zug. Sie zeigen, dass der Sensebezirk – zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht – in den nächsten Jahren vor grossen Herausforderungen steht.