Ein Hauch wilder Westen in Guggisberg

Ein Hauch wilder Westen in Guggisberg

Der Weg schlängelt sich durch die malerische Landschaft. Richtung Hirschmatt wird die Strasse etwas schmaler. Einige Kurven später steht das alte Bauernhaus von Andy Krähenbühl und seiner Partnerin, eingebettet in idyllischer Wildnis. In der ehemaligen Heutenne hat sich der Handwerker 2019 seine eigene Sattlerei eingerichtet.

Moderne Maschinen und Massenware sucht man hier vergeblich. Seit der Kindheit hat Andy Krähenbühl eine Vorliebe für das Ursprüngliche. Seine Produkte stellt er vorwiegend in Handarbeit her. Die Nähmaschine aus den 30er-Jahren braucht er nur selten: «Für mich ist die Handarbeit ein Qualitätsmerkmal», sagt er und erklärt: «Das fasziniert mich so an der traditionellen Herstellung. Der Fokus liegt auf der Qualität und einem zeitlosen Design, jedoch mit viel Liebe zum Detail.» Mit der Industrialisierung sei dieser Aspekt leider verloren gegangen. Aufgewachsen in einem Wohnblock in Heimberg suchte der heute 39-Jährige immer wieder die Verbindung zur Natur. Fasziniert vom Leben in der Wildnis verschlang er sämtliche Literatur zu diesem Thema. Der Abenteurer verbrachte unzählige Stunden im Wald, schlief mit der Wolldecke im Tipi und liebte es den Sternenhimmel zu betrachten. Später unternahm er Reisen nach Kanada und Alaska und träumte von einem Leben abseits der Zivilisation.

Eine Lebenseinstellung
Zu seiner heutigen Passion als Sattler gelangte Andy Krähenbühl über Umwege. Auf dem ersten Bildungsweg absolvierte er die Maurerlehre, arbeitete jedoch nie in dem Beruf. «Der rauhe Umgangston auf der Baustelle war nichts für mich», erklärt er schulterzuckend. Nach dem Lehrabschluss sammelte er Erfahrungen in verschiedensten Bereichen: vom Barkeeper über Musikplattenverkäufer und Personal-Securityman bis hin zum Tätowierer. Nach einer persönlichen Krise richtete sich der damals 24-Jährige neu aus, absolvierte das Studium zum Grafiker und machte sich selbstständig. Durch Zufall entdeckte er dann die Freude an der Arbeit mit Leder: «Meine Partnerin brachte immer wieder defektes Westernreitmaterial nach Hause. Ich nahm das Equipment genauer unter die Lupe und fand: Das kann ich noch besser.» Der Ehrgeiz packte ihn und in unzähligen Stunden brachte er sich mit Hilfe von Büchern Schritt für Schritt das Knowhow für die Lederbearbeitung selbst bei. «Für das, was ich tue, gibt es keine offizielle Ausbildung in der Schweiz, dafür hätte ich in die USA auswandern müssen», erzählt er und: «Es gibt zwar eine Grundausbildung zum Sattler, jedoch in Fachrichtung klassischer Pferdesport, Fahrzeuge und Technik, dies war für mich keine Option.» 2014 gründetet er die Sattlerei «The Old Rock House» und entwickelte parallel seine eigene Produktelinie «Axt & Kein». In seiner Werkstatt entstehen handgefertigte Westernsättel, traditionelles Zubehör für die Arbeit mit Pferden und hochwertige Ausrüstung für das Reisen- und Leben in der Wildnis. Besonders Freude an seiner Arbeit mache ihm die Verbindung von Handwerk und Gestaltung. Für die Arbeit als Sattler brauche es neben einem ausgeprägten räumlichen Vorstellungsvermögen ein gutes Gefühl für Materialien und das Interesse, sich mit dem Werkzeug auseinanderzusetzen. Ebenso sei die körperliche Anstrengung nicht zu unterschätzen.

Eine Vision wird wahr
Krähenbühl macht sich keine Sorgen, dass seine Berufsgattung aussterben wird. Im Gegenteil: «Die Leute besinnen sich wieder mehr auf das lokale Handwerk. Ich rechne damit, dass es zukünftig vermehrt Quereinsteiger geben wird, die der steigenden Nachfrage nachkommen werden.» Während sich der passionierte Hobbymusiker in der Anfangsphase noch mit der Arbeit als Grafiker über Wasser hielt, kann er heute von seiner Passion leben. «Bescheiden, aber glücklich», meint er und ergänzt zufrieden: «Für mich war die Ressource Zeit und die Freude an einer Tätigkeit schon immer wichtiger als das Geld.» Den Traum vom einfachen Leben abseits der Zivilisation konnte er in Guggisberg zusammen mit seiner Partnerin realisieren. Trotz grossen Herausforderungen und dem oftmals steinigen Weg hat er immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es irgendwie immer weitergeht: «Geht die eine Türe zu, öffnet sich eine andere.»

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