Ein Sarg, ein Film und eine Prise Humor

Ein Sarg, ein Film und eine Prise Humor

Der Tod, ein vermeintlich schweres Thema, das in unserer Gesellschaft oft noch tabuisiert wird. Das will eine Könizerin mit ihrem Film «08/15 – Der Tod als Alltag» und der gleichnamigen Kunstinstallation ändern. Dabei trifft sie neben Unverständnis vor allem auf viel Neugier, auf lustige und teilweise auch etwas skurille Szenen.

Den ganzen Tag steht Sarah Elena Schwerzmann jeweils neben dem aufrechten und begehbaren Sarg, in dem ihr Film zum Thema Tod zu sehen ist. Dabei beobachtet sie, spricht mit Passantinnen und Passanten über Gott und die Welt oder hört einfach nur zu. Der Sarg zieht neugierige Blicke auf sich. «Was ist da drin?», fragt eine ältere Frau. «Oh, bald ist Todestag meines Mannes, ich will lieber nichts damit zu tun haben», sagt eine andere. Im Film zeigt Schwerzmann Menschen, die durch ihren Beruf täglich mit dem Tod konfrontiert sind. Dabei bestimmt ein Algorithmus, wie der Film zusammengesetzt wird. Es gibt insgesamt
25’997’760 Fassungen – so sieht jeder einen anderen Film.

Es betrifft uns alle
Seit dem ersten Tag ihrer Kunstinstallation im Mai 2022 stösst Schwerzmann auf verschiedenste Menschen. Oder anders gesagt: Verschiedenste Menschen treffen im öffentlichen Raum plötzlich auf einen unübersehbaren Holzsarg, inklusive Blumenkranz. Spontan und unvorbereitet. Dabei gehen sie weiter, bleiben hängen, kommen wieder zurück oder besuchen Schwerzmann an verschiedenen Standorten. Einige würden zu Beginn entsetzt oder abweisend reagieren, sagt sie. Das sei aber normal. «Mit dem Thema Tod kommt man sonst im öffentlichen Raum nicht so schnell in Berührung. Er ist weiterhin ein Tabuthema», meint sie. Ihre Installation könne schon etwas überwältigend wirken.

Komme sie aber erstmal ins Gespräch mit den Leuten, seien diese widererwarten offen, erzählten persönliche Geschichten, teilten Ängste und Sorgen. Die anfangs oft brüskierte Haltung gegenüber dem «makaberen» Sarg habe meist Gründe. Oft sei es eine Schutzstrategie, diesem unangenehmen Thema aus dem Weg zu gehen, meint die Künstlerin. Doch der Tod betreffe uns alle. «Deshalb war es mir wichtig, das Projekt allen Leuten zugänglich zu machen», sagt die 40-Jährige.

Junge Besuchende
Schwerzmann ist immer in der Nähe des Holzsarges. Manchmal näher, manchmal weiter weg. «Je nach Standort schreckt es die Leute ab, wenn ich direkt danebenstehe. Sie meinen dann, ich wolle ihnen etwas verkaufen», erklärt Schwerzmann. Oft müsse sie aber danebenstehen, um auf Hunde oder Einkaufswägeli aufzupassen. Oder auch mal, um jemanden zu retten. «Einmal konnte jemand die Türe nicht mehr öffnen. Der Alptraum: Eingeschlossen im Sarg», schmunzelt sie. Nicht alle, die vorbeikommen, interessieren sich auch für den Film. Oder besser gesagt für Schwerzmanns Film. «Im Liebefeldpark kamen zwei Mädchen vorbei. Als sie aus dem Sarg kamen, war der Bildschirm komplett verstellt», lacht die gebürtige Könizerin. «Die Mädchen hatten versucht, auf Youtube zu gelangen. Sie wollten sich lieber ‹Die wilden Hühner› anschauen.»

So zieht der Sarg oft auch bei Kindern die Aufmerksamkeit auf sich, wenn auch nur als potenzielles Spielobjekt. «Auf dem Gurten störten sich einige Eltern an meinem Projekt, nahe des Kinderplanschbeckens. Doch plötzlich war im und um den Sarg alles voller Kinder in Badehosen», erzählt die Filmermacherin. So seien nach und nach auch die Eltern gekommen, hätten sich zu den Kindern gesetzt und dann gleich noch den Film geschaut. «Am Ende des Tages erhielt ich viele Zustimmungen, bekam Glacé spendiert und rund um den Sarg wurde gepicknickt.» Ein gelungener Tag für Schwerzmann und ihre Kunstinstallation.

Boykott
So lief es nicht überall. Da war zum Beispiel dieses Walliser Berg-
dorf, wo sich Einwohnerinnen und Einwohner gegen sie verbündeten. «Ich war mir natürlich bewusst, dass es heikel ist, in ein katholisches Dorf einen Sarg zu stellen und damit Kunst zu machen. Dass die Bewohnenden sich aber zusammentaten und den Sarg konsequent boykottierten, damit habe ich nicht gerechnet.» Sie respektiere das. Und nehme es mit Humor. Denn ein kleines Happy End habe es dennoch gegeben: «Am Abend kam dann doch ein Einheimischer mit dem Müll vorbei, wollte kurz einen Blick in den Sarg und auf den Film werfen. Möglichst unauffällig und mit dem Müllsack getarnt – es hätte ja sein können, dass seine Nachbarn ihn sehen.» Dank dem regen Tourismus hatte sie trotzdem viele Besucher. In den Ferien in einem übergrossen Sarg zu sitzen war für viele ein willkommenes Abenteuer.

Präsenz, ein offenes Ohr und vor allem eine Prise Humor. Vielleicht gelingt es Sarah Elena Schwerzmann deshalb so gut, den Leuten ein gesellschaftliches Tabuthema ein Stück näher zu bringen.

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